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Bolithos Ruf schnitt Herricks Spekulationen ab.»Kommen Sie an Deck, Mr. Herrick. Schnell!»

Herrick langte keuchend und schwitzend unten an. Bolitho wartete bereits auf ihn. Er wirkte äußerst konzentriert.

«Der Lugger ist uns gegenüber im Vorteil, Mr. Herrick. Er kann diese leichte Brise besser nutzen als wir. «Er deutete ungeduldig auf die Back.»Machen Sie die beiden Geschütze klar, und feuern Sie ihm eins vor den Bug.»

«Aye, aye, Sir. «Herrick kam langsam wieder zu Atem.»Eine Kugel würde reichen, um ihn zu zerschmettern.»

In Bolithos grauen Augen blitzte etwas wie Belustigung auf.»Er kann die wertvollste Ladung aller Zeiten an Bord haben, Mr. Herrick. »

Herrick starrte den Kapitän verständnislos an.»Sir?»

Bolitho hatte sich bereits abgewandt, um zu verfolgen, wie die Geschützbedienung nach vorn zu den zwei langen Neunpfündern eilte. »Informationen, Mr. Herrick! Mangel an Informationen kann hier draußen einen verlorenen Krieg bedeuten.»

Ein Schuß genügte. Das von der Kugel hochgeschleuderte Wasser sprühte dem fremden Schiff über den Bug. Erst sank das eine, dann das andere Segel. Traurig dümpelnd, wartete der Lugger ab, was die Phalarope mit ihm vorhatte.

Nach der Gluthitze auf dem Achterdeck kam Bolitho die große Kajüte beinahe kalt vor. Er mußte sich zwingen, still an den Heckfenstern zu stehen, um seine rasenden Gedanken in Zaum zu halten und den nächsten Schritt zu planen. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich gegen die gedämpften Schiffsgeräusche und entfernten Rufe abzuschließen, als ein Boot zu Wasser gelassen wurde, um eine Abteilung an Bord des Luggers zu bringen, der in Lee der Fregatte rollte. Bolitho war nichts anderes übrig geblieben, als äußerlich gelassen zu beobachten, wie seine Befehle weitergegeben und ausgeführt wurden, bis er am Ende den prüfenden Blicken seiner Offiziere und den summenden Spekulationen der Müßiggänger auf dem Oberdeck einfach nicht länger standhalten konnte.

Daß seine beiläufige Vermutung, was die Brise anging, Wirklichkeit geworden war, war ihm selbst wie ein Wunder vorgekommen. Und als der Lugger vom Ausguck gemeldet wurde, hatte er das Gefühl gehabt, als brodelten seine lange eingekapselten Empfindungen wild durcheinander. Doch die kleinlichen Gereiztheiten hatte er beiseite geschoben, ja selbst die Haltung des Admirals der Phalarope gegenüber konnte er übersehen, ja sogar vergessen.

Er schnellte überrascht herum, als es klopfte.»Herein!«Er starrte den blassen Matrosen, der unsicher in der Tür stand, einige Sekunden an, zwang sich, nicht an den Lugger zu denken, und deutete mit einer Kopfbewegung auf den Tisch am Schott.»Ferguson? Sie werden dort arbeiten, wenn ich Sie brauche«, sagte er bündig; seine Gedanken folgten noch immer dem Enterkommando.

Ferguson blickte sich blinzelnd um.»Ja, Sir. Ich meine — aye, aye, Sir. «Er war verwirrt und nervös.

Bolitho musterte ihn freundlich.»Ihre Pflichten erläutere ich Ihnen später. Im Augenblick bin ich sehr beschäftigt. «Er blickte zur Tür, wo der kleine Neale keuchend auftauchte.

«Kapitän, Sir!«Er rang nach Luft.»Mr. Okes hat den Lugger genommen!»

«Das dürfte zu erwarten gewesen sein«, sagte Bolitho trocken.»Sein Kapitän sieht sich schließlich einer vollen Breitseite ausgesetzt.»

Neale überdachte den Punkt.»Hm, ja, Sir. «Er starrte Bolitho in das gelassene Gesicht und fragte sich augenscheinlich, wie der Kapitän das Oberdeck verlassen konnte, wenn endlich etwas geschah. Dann sagte er:»Das Boot kommt zurück, Sir.»

«Das war es, was ich hören wollte, Mr. Neale. «Bolitho sah durch die Heckfenster über die leere See, deren Oberfläche eine schwache, doch stetige Brise kräuselte.»Eine Empfehlung an Hauptmann Rennie. Sobald das Boot längsseits ist, soll er die Offiziere des Luggers isoliert halten, bis ich sie befragen kann. Mr. Okes soll die Durchsuchung des Luggers fortsetzen und melden, wenn er etwas findet.»

«Die Offiziere des Luggers, Sir?«Neales Augen glichen Untertassen.

«Sie stecken vielleicht in Lumpen, aber deshalb bleiben sie doch Offiziere. «Bolitho betrachtete den Fähnrich ruhig.»Und begehen Sie keinen Irrtum. Diese Leute kennen die Gewässer hier wie ihre eigene Tasche.»

Der Fähnrich nickte und schoß davon. Bolitho ging ruhelos auf und ab. Dann blieb er vor seinem Tisch stehen, auf dem eine Karte des Karibischen Meeres lag. Die komplexe Masse der Inseln und ausgeloteten Wassertiefen, die vagen Vermessungen und zweifelhaften Beschreibungen glichen einem riesigen Rätsel. Er zog die Stirn in Falten und faßte sich ans Kinn. Irgendwo inmitten dieses Gewirrs verstreuter Inseln lag der Schlüssel zum ganzen Feldzug. Wer ihn fand, würde siegen. Der Verlierer würde für immer aus dem karibischen Gebiet verdrängt werden.

Mit den Spitzen seines Stechzirkels folgte er dem Kurs der Phalarope bis zu einem kleinen Bleistiftkreuz. Hier, auf dieser Position, nutzte er nichts. Das fünfzig Meilen entfernte St. Kitts mochte noch immer der Belagerung standhalten, während jenseits des Horizonts Graf de Grasses große Flotte sich womöglich zum endgültigen Schlag gegen die verstreuten britischen Einheiten vorbereitete. Und waren die Briten erst einmal von diesen Inseln vertrieben, würden die Franzosen und ihre Verbündeten Südamerika aufrollen wie eine Landkarte. Sie würden den Nord- und Südatlantik beherrschen und nach den reichen Schätzen Afrikas greifen, ja darüber hinaus.

Er verdrängte die Vorstellung, denn er hörte das Trampeln von Stiefeln und das Aufsetzen von Gewehren.

Vibart erschien im Türrahmen.»Die Gefangenen sind an Bord, Sir. «Er sah Ferguson durchdringend an, der sich neben dem Tisch zu einem Ball zusammenzurollen schien.»Es stimmt, ein Spanier. Zwanzig Mann an Bord, kein Widerstand. Ich habe den Kapitän und zwei Maate draußen unter Bewachung, Sir.»

«Gut. «Bolitho blickte auf die Karte.»Zwanzig Mann, sagen Sie? Eine starke Mannschaft für ein so kleines Fahrzeug. Gewöhnlich bemannen die Spanier ihre Schiffe sparsamer.»

Vibart zuckte mit den Schultern.»Mr. Farquhar sagt, der Lugger wäre im Küstenhandel eingesetzt. Nützt uns nicht viel.»

«Ich werde mich erst einmal mit dem Kapitän unterhalten. Sie können an Deck gehen und beobachten, welche Fortschritte Mr. Okes macht. Lassen Sie mich bitte wissen, sobald er etwas herausgefunden hat.»

Der Schiffer des Luggers war klein und dunkelhäutig. Er trug ein zerlumptes Hemd und eine weite Leinenhose. Unter seinem glatten Haar schaukelten zwei goldene Ohrringe, und seine schmutzigen, bloßen Füße vollendeten das Bild der Vernachlässigung und Armseligkeit. Neben ihm wirkte Fähnrich Farquhar elegant und unwirklich.

Bolitho hielt die Augen auf die Karte gerichtet. Das unruhige Atmen und Füßescharren des Spaniers entging ihm nicht. Schließlich sagte er:»Spricht er englisch?»

«Nein, Sir«, antwortete Farquhar ungeduldig.»Er schnattert bloß.»

Ohne den Blick von der Karte zu heben, sagte Bolitho wie nebenbei:»Dann nehmen Sie ihn wieder mit an Deck, und lassen Sie den Profoß eine Schlinge am Hauptmast anbringen.»

«Eine Schlinge, Sir?«fragte Farquhar verdutzt.»Wollen Sie ihn hängen?»

«Selbstverständlich«, sagte Bolitho grob.»Er nützt mir nichts.»

Der Spanier schwankte und warf sich Bolitho zu Füßen. Er schluchzte und weinte, während er Bolithos Beine umklammerte. Die Worte strömten ihm wie eine Flut über die Lippen.

«Bitte, Kapitän, nicht hängen. Bitte! Ich bin guter Mann, Sir. Ich haben Frau und viele arme Kinder. «Tränen rannen ihm über die Wangen.»Bitte, Sir, nicht hängen!«Das letzte Wort kreischte er fast.

Bolitho befreite sich aus der Umklammerung und sagte ruhig:»Ich dachte mir schon, daß Ihre Englischkenntnisse wieder aufleben würden. «Und zu Farquhar:»Versuchen Sie den Trick bei den zwei Maaten. Sehen Sie zu, was Sie aus ihnen herausbekommen. «Er wandte sich wieder dem wimmernden Mann zu.»Stehen Sie auf und beantworten Sie meine Fragen, oder ich lasse Sie doch noch aufknüpfen.»