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Und Stockdale? Nun, ohne seine Hilfe und unerschütterliche Treue hätte sich nichts von alledem ereignet. Sein Verstand hatte sorgsam jeden Schritt geplant, ohne daß ihn jemand geleitet, ihm jemand geholfen hätte. Und zu allerletzt hatte er ihm wiederum das Leben gerettet.

Aber was konnte er für ihn tun? Für einen Mann wie Stockdale gab es keine Beförderungsmöglichkeit, keine irgendwie sinnvolle Belohnung. Gelegentlich, als er in die Kajüte kam, um nach der Wunde zu sehen, hatte er ihn gefragt, was ihm für seine Tapferkeit und Treue der liebste Lohn wäre. Stockdale hatte keine Sekunde gezögert.»Wenn ich weiter bei Ihnen bleiben darf, Kapitän, einen anderen Wunsch habe ich nicht.»

Bolitho hatte eigentlich daran gedacht, Stockdales Entlassung aus der Marine zu beantragen, sobald das Schiff in einen britischen Hafen heimkehrte. Mit ein bißchen Unterstützung konnte Stockdale sich vielleicht in Ruhe und Frieden irgendwo niederlassen. Aber als was? Stockdales unverzügliche und schlichte Antwort hatte es ihm untersagt, den Gedanken weiterzuverfolgen. Er hätte ihn nur verletzt.

Er schrieb:»Was meinen Bootsführer Mark Stockdale betrifft, kann ich nur hinzufügen, daß die ganze Aktion ohne sein schnelles Handeln womöglich mit einem Fehlschlag geendet hätte. Indem Stockdale die Ankerkette der Andiron kappte, wodurch das Schiff in Leutnant Herricks Feuerbereich trieb, schuf er die Basis für die totale Zerstörung des Schiffes bei einem Minimum an Verlusten auf unserer Seite. «Er setzte erschöpft seinen Namen unter das Dokument und stand auf. Ein Bericht von vielen Seiten. Hoffentlich lasen ihn auch jene, die der Phalarope unvoreingenommen gegenüberstanden.

Zumindest Farquhars Onkel, Vizeadmiral Sir Henry

Langford, würde sich darüber freuen. Sein Glaube an den Neffen würde neu bekräftigt werden, und im Laufe der Zeit verwirklichten sich sicher die Hoffnungen, die er für ihn hegte.

Bolitho lehnte sich aus dem Heckfenster. Die warme Luft strich ihm über das Gesicht. Er hörte das Quietschen von Taljen und den gleichmäßigen Riemenschlag der zwischen Schiff und Ufer verkehrenden Boote. Die Fregatte war am frühen Morgen vor Anker gegangen, und den ganzen Tag über brachten Boote frische Vorräte und schafften die Verwundeten zu besseren Quartieren in der Stadt. Er betrachtete die eindrucksvolle Reihe der vor Anker liegenden Schiffe, die wachsende Macht der westindischen Flotte. Ihre Anwesenheit minderte allerdings den Triumph, den die Rückkehr der Phalarope sonst bedeutet hätte. Bei diesem Gedanken, der sich immer wieder vordrängte, runzelte er die Stirn. Möglicherweise betrachtete man die Phalarope nach wie vor mit Mißtrauen und behandelte sie schmählich.

Seine Augen wanderten langsam von einem großen Schiff zum anderen. Die Masten ragten hoch auf, und die Stückpforten standen offen. Da war die Formidable mit 98 Geschützen, frisch aus England, mit Sir George Rodneys Flagge im Topp. Und da waren andere Schiffe, die ihren Namen in das Buch dieses Krieges eingeschrieben hatten: die Ajax und die Resolution, die Agamemnon und die Royal Oak. Und nicht zuletzt Sir Samuel Hoods Flaggschiff Barfleur. Ferner Schiffe, die er überhaupt nicht kannte, ohne Zweifel Verstärkungen, die Rodney von der Kanalflotte mitgebracht hatte. Und alle waren zu einem Zweck hier zusammengezogen: um die große französisch-spanische Flotte zu stellen und zu vernichten, ehe sie ihrerseits die Briten für immer aus der Karibischen See vertreiben konnte.

Er wandte den Kopf, um das kleine Geschwader auf der anderen Seite der Reede zu betrachten, zu dem die Phalarope gehörte. Die ältere Cassius, neben der die kleine Witch of Looe noch kleiner wirkte, als sie war. Und eine weitere Fregatte, die Volcano, ein Schiff, das der Phalarope glich. Noch hatte der Admiral nichts von sich hören lassen. Lediglich ein Fähnrich mit rosarotem Gesicht hatte die Botschaft überbracht, daß der Admiral Bolithos Bericht bis Sonnenuntergang in Händen zu haben wünsche. Und daß die Fregatte die Verproviantierung zu Ende führen und weitere Befehle abwarten solle. Nichts sonst.

Nichts bis auf den sehr merkwürdigen Vorfall am späten Vormittag. Von der Cassius hatte ein Boot abgelegt, und ein adretter Leutnant meldete sich bald darauf bei Bolitho.»Eine Empfehlung von Vizeadmiral Sir Robert Napier«, erklärte er,»und er möchte Sie informieren, daß er eine Einladung an Bord Ihres Schiffes zum Dinner heute abend gern annehmen würde. Als weiterer Gast wird ihn unser Kapitän begleiten. «Er mußte sehr konsterniert ausgesehen haben, denn der Offizier hatte hilfsbereit hinzugesetzt:»Kann ich Sie irgendwie unterstützen,

Sir?»

Wortlaut und Inhalt der Botschaft hatten Bolitho mehr als verblüfft. Flaggoffiziere speisten gewöhnlich nicht an Bord der ihnen unterstellten Schiffe. Und daß sie sich gar selbst dazu einluden, davon hatte man noch nie gehört. Bolitho dachte an seine geschrumpften Vorräte und die grobe Kost der Kombüse, aber der Leutnant war augenscheinlich gut im Bilde.

«Darf ich einen Vorschlag machen, Sir?»

Bolitho starrte ihn an.»Was es auch ist, in diesem Augenblick dürfte er mir eine große Hilfe sein.»

«Mein Kapitän schickt einige Vorräte aus seiner eigenen Pantry herüber, Sir. Und es wird auch rechtzeitig ein ganz trinkbarer Wein gebracht. «Er zählte die Einzelheiten an den Fingern ab, und man sah seinem Gesicht an, wie er nachdachte. Bolitho nahm an, daß dem jungen Mann das sonderbare Verhalten seines Admirals nicht ungewohnt war.»Wenn Sie erlauben, Sir, möchte ich mageres Schweinefleisch vorschlagen. Es ist in St. John reichlich vorhanden. Und Käse, den Admiral Rodneys Schiffe eben aus England mitgebracht haben.»

Bolitho hatte nach Vibart und Proviantmeister Evans geschickt und erklärt, was zu erwarten stand. Diesmal schien Vibart zu überrascht, um irgendeine Bemerkung zu machen, und Bolitho hatte kurz gesagt:»Kümmern Sie sich darum, Mr. Vibart. Und beauftragen Sie meinen Diener, meine Kajüte herzurichten und den Tisch zu decken. «Er hatte sich plötzlich sehr sorglos gefühlt.»Sir Robert Napier kann an Bord einer Fregatte keine Flaggschiffverpflegung erwarten.»

Während er jetzt daran zurückdachte, wurde er sich darüber klar, daß seine Sorglosigkeit wahrscheinlich auf die Hitze und die schmerzende Wunde zurückzuführen gewesen war. Nun, zu machen war sowieso nichts. Die Absicht des Admirals lag mehr als klar zu Tage. Jetzt, da wieder Rodney die Zügel führte, lag Napier nichts daran, die Phalarope öffentlich herabzuwürdigen. Er wollte nicht einmal ein offenes Gespräch an Bord des Flaggschiffes. Nein, er kommt höchstpersönlich auf die Phalarope, wie Gott herniedersteigt, um einen Sünder zu zerschmettern, dachte Bolitho erbittert. Kein Erfolg würde je das erste Mißfallen löschen oder den Tod seines Sohnes ausgleichen. Läge die Andiron schwer bewacht unter den Kanonen seines Flaggschiffes, hätte der Admiral vielleicht anders empfunden. Aber der Freibeuter war nur mehr ein Bleistiftkreuz auf einer Karte.

Bolitho ließ sich müde und gereizt auf die Heckbank sinken. Er starrte auf den Bericht, ehe er rief:»Wache, Mr. Herrick möchte zu mir kommen. «Der Bericht mußte jetzt hinüber zur Cassius. Ganz gleich, was sonst geschah, er wollte sichergehen, daß seine Leute Anerkennung fanden und ihre Leistungen belohnt wurden.

Herrick kam in die Kajüte und blieb neben dem Tisch stehen.

«Bringen Sie diesen Umschlag zum Flaggschiff.»

Herricks offenes Gesicht verriet Beunruhigung, was Bolithos Gereiztheit noch steigerte. So sehr er sich auch bemühte, die Mattheit klang in seiner Stimme mit, und er merkte, daß ihn die Erschöpfung wieder überwältigte.