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Das von neuem hörbare Geschützfeuer ging in der Woge wilder Hurrarufe unter, die über das Hauptdeck der Phalarope fegte. Die Männer an Bord der eroberten Fregatte stimmten mit ein. Selbst die Verwundeten, die nach unten geschafft wurden, riefen mit, obwohl manche Bolithos Worte nicht gehört hatten und auch gar nicht wußten, worum es ging. Es war, als würden alle Bitterkeit und alle aufgestaute Enttäuschung durch die mächtige Woge der Begeisterung fortgeschwemmt.

Bolitho drehte sich um. Herrick, der dicht neben ihm stand, bemerkte die sonderbare Traurigkeit und Ungläubigkeit in Bolithos Augen.»Nun haben Sie die Antwort, Sir!«sagte er hastig. Er war ebenso erregt wie die anderen und hätte am liebsten laut gejubelt.

Bolitho sah Herrick an, als wäre er ihm völlig fremd.»Sagen Sie, Mr. Herrick, haben Sie je eine Seeschlacht mitgemacht?«Er schwenkte die Hand gegen den Horizont.»Eine wie es diese sein wird?«Er wartete die Antwort nicht ab.»Ich ja. Da gibt es keine Siege durch tolldreisten Wagemut. Und es gibt kein Auf und Davon, wenn die Sache zu brutal wird. «Er verschränkte die Arme auf dem Rücken und sah blicklos an seinen Offizieren vorbei.»Der Qualm verdunkelt den Himmel dermaßen, daß man sich wie in der Hölle vorkommt. Sogar die Schiffe brüllen auf, wußten Sie das?«Seine Stimme wurde rauher.»Sie brüllen auf, weil sie in Stücke gefetzt werden, ganz wie die Narren, die sie bemannen.»

Er wandte sich um, als Fähnrich Maynard heiser meldete:»Signal vom Flaggschiff, Sir.»

Bolitho ging nach Luv und sah auf die schräg liegende Brigg hinunter. Die Wellen spülten schon über ihr Schanzkleid und griffen nach den zurückgelassenen Leichen.»Bestätigen Sie das Signal nicht, Mr. Maynard. «Und zu Herrick:»Klar von der Brigg. Fahrt aufnehmen!«Er sah zum Masttopp.»Kurs genau

Ost!»

«Und das Flaggschiff, Sir?«fragte Herrick.

«Sir Robert ist ein tapferer Gentleman, Mr. Herrick. Aber aufgrund seines Dienstalters ist er vorsichtiger als ich. «Er lächelte flüchtig.»Und seine Leute sind womöglich nicht so eifrig darauf aus, an einem so schönen Tag zu sterben. «Das Lächeln erlosch.»So, nun lassen Sie die Männer auf Stationen pfeifen, und sehen Sie zu, daß dieses verdammte Hurragerufe aufhört.»

Die Phalarope löste sich langsam von dem Wrack. Als auch die eroberte Fregatte die Enterhaken einholte, legte sich die Brigg auf die Seite. Das Wasser schoß gurgelnd in den zerschlagenen Rumpf, und die hochsteigenden Luftblasen waren rot gefärbt.

Die Rahen kamen herum, und die Phalarope krängte leicht im

Wind. Bolitho hob das Fernrohr. Hinter der Cassius entdeckte er die Masttopps der Fregatte Volcano. Er fragte sich, wie ihr Kapitän auf diesen ehrfurchtgebietenden Anblick reagieren würde. Sir Robert Napier blieb noch immer Zeit, sich zurückzuziehen. Ein bestimmtes Signal, und sie waren aus aller Gefahr und zu stummen Zeugen verurteilt, wenn die Franzosen aus der Schlacht ausscherten und auf ihr Ziel lossteuerten.

Bolitho faßte seinen Entschluß.»Mr. Maynard, Signal an Flaggschiff. «Bolitho sah, daß Herrick Hauptmann Rennie einen Blick zuwarf und mit den Schultern zuckte, als ginge das Verhalten des Kapitäns über sein Begriffsvermögen.»Feind in Sicht.»

Bolitho achtete nicht auf die hochsteigenden Flaggen. Er ging auf dem Achterdeck hin und her. Die Augen der Abteilung Seesoldaten folgten seinen Bewegungen. Das war der entscheidende Augenblick. Sir Robert war ein alter Mann, die besten Jahre lagen hinter ihm. Der Versuch, die französischen Schiffe aufzuhalten, würde ihm bestenfalls einen Ruhm einbringen, den er nicht mehr erleben würde. Andererseits konnte die Aktion so nutzlos verlaufen, daß man sich ihrer nur mit einem Hohn erinnern würde, der seine ganze Laufbahn überschatten und verderben konnte.

«Flaggschiff hat bestätigt, Sir«, meldete Maynard.

Bolitho biß sich auf die Lippen und ging weiter auf und ab. Er hörte geradezu die heisere Stimme, mit der der Admiral seine Befehle erteilte. Und er konnte sich die Unsicherheit des Flaggschiffkapitäns vorstellen und die gedämpfte Zuversicht von Kapitän Fox auf der Volcano.

«Das Signal ist gerade noch zu erkennen, Sir«, rief Maynard, das Auge am Teleskop.»Flaggschiff an Volcano: Klar zum Gefecht.»

Das Wort zuckte wie ein Blitz über das Achterdeck und zu den an den Kanonen wartenden Männern hinunter. Wieder Hochrufe, wiederum aufgenommen von der Prisenbesatzung des französischen Schiffes. Bolitho erkannte Leutnant Dancer an der Heckreling und winkte, als die eroberte Fregatte die Rahen braßte und ihre zerfetzten Segel in den schwachen Wind drehte.

«Die Cassius setzt alle Segel, Sir«, sagte Herrick aufgeregt.»Mein Gott, welch ein Anblick!«Die plötzliche Aktivität des

Flaggschiffs schien ihn stärker zu beeindrucken als die Flotte in seinem Rücken.

«Lassen Sie alle Mann bewaffnen, Mr. Herrick«, befahl Bolitho.»Entermesser und Beile neben jede Kanone. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir mitten im Kampf stehen.»

Maynard senkte das Fernrohr. Seine Stimme bebte, als er Bolitho anstarrte und meldete:»Vom Flaggschiff, Sir: Signal an alle. «Es klang, als kaute er an jedem Wort.»In Gefechtsformation!»

Bolitho nickte langsam.»Lassen Sie Segel bergen, Mr. Herrick. Wir wollen hier auf die Cassius warten. Der Wind wird gleich abflauen. Dominica wird den Wind ablenken, fürchte ich.»

Er ging zur Luvseite und hob das Glas. Die Linse schwenkte langsam von einer Seite zur anderen. In dem vergrößerten Ausschnitt sah er den schwachen Schein von Geschützfeuer, wehende Flaggen und schimmernde Segel, als ein mächtiges Schiff nach dem anderen schwerfällig in Formation steuerte. Er fühlte, daß ihm der Schweiß den Rücken herunterlief, wie damals nach dem Alptraum. Aber das hier war Wirklichkeit, und doch schwerer zu verstehen. Gott, welche Menge Dreidecker, an die sechzig vielleicht, britische und französische Linienschiffe, die aufeinander zuglitten und die erste, unerbittliche Begegnung suchten.

«Mr. Brock bitte zu mir!«Bolitho senkte das Fernrohr erst, als der Artillerieoffizier sich auf dem Achterdeck zur Stelle meldete.

«Mr. Brock, ich möchte beide Karronaden auf dem Vordeck haben. Nehmen Sie die besten Leute und achten Sie darauf, daß die Schlitten frisch mit Talg geschmiert werden. «Er schob das Fernrohr zusammen und sah den Artillerieoffizier fest an.»Die Karronaden sind die einzigen Waffen, die wir den Franzosen voraus haben. «Er sah auf das eine Geschütz hinab. Es war stumpfnasig, häßlich und ohne das gefällige Ebenmaß einer richtigen Deckskanone. Dafür jagte es jedoch dem Feind auf kurze Entfernung eine Ladung von achtundsechzig Pfund in den Leib, deren Wirkung verheerend war. Jeder der Schüsse überschwemmte alles, was sich in der Nähe befand, mit mörderischen, gußeisernen Kugeln. Jede Ladung besaß die todbringende Qualität von Kartätschen, zu denen noch die

Durchschlagskraft einer weitaus schwereren Waffe kam.

Bolitho ging langsam zur Querreling. Seine Blicke flogen über die sauberen Decks. Hatte er etwas vergessen? Brock und sein Kommando plagten sich fluchend mit den schweren Karronaden. Er beachtete es nicht. Seine Gedanken waren ganz und gar bei den bevorstehenden Aufgaben. Er mußte jedem Offizier, jedem Mann vertrauen. Versagten sie jetzt, lag es an ihm, dann hatte er irgendwann falsch geurteilt.

Die eifrigen, dichtgedrängten Gestalten unter jeder Gangway wirkten plötzlich völlig anders auf ihn. Bolitho hatte das Gefühl, als blicke er auf bereits Tote.

Bootsmann Quintal, der in die Hände spuckte und zu den Männern hinaufdeutete, die darauf warteten, das Schiff in den Kampf zu segeln. Farquhar, der, schlank und für sich, an seiner Batterie entlangging und die Augen über jede Waffe und jeden Mann wandern ließ. Und die Seeleute selber. Trotz des Eingepferchtseins braun und gesund. Einige Gesichter ihm bekannter als andere. Hier ein Mann, der sich auf Mola bewährt hatte. Dort einer, der im Gefecht mit der Andiron seinen Posten verlassen hatte. Bolithos Blicke glitten die Wanten hinauf zu den Leuten, die wie Allday noch in der Takelage arbeiteten, zu den Seesoldaten, die mit geladenen Gewehren hoch oben knieten.