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Am dritten Tag schließlich nahm sie sich ein Handtuch und Kleidung zum Wechseln. Papa O’Neal stellte sicher, dass der Weg zur Toilette frei war, und hielt davor Wache, während sie sich wusch und frische Kleidung anzog.

Er wertete das als hoffnungsvolles Indiz und versuchte, mit ihr zu reden, aber sie schüttelte bloß den Kopf.

Als Tommy ihn am Nachmittag auf eine Weile ablöste, ging er auf die Brücke und bestach den KommTech, ihn die Erde anrufen zu lassen und sich einen Download ihrer Lieblingsmusik zu holen. In komprimierter Form kostete das nicht die Welt. Na ja, jedenfalls nicht, wenn man es sich leisten konnte.

Den restlichen Nachmittag und Abend ließ er seinen PDA alles abspielen, was ihr nach seiner Erinnerung gefiel. Sie redete immer noch nicht, aber er glaubte sich nicht bloß einzubilden, dass sie nicht mehr so völlig verspannt wirkte. Zumindest nicht, bis diese Urb-Band aus dem Krieg spielte. Als deren Nummer kam, hörte er sie schniefen. Sein Blick zuckte zu ihr hinüber, wo sie mit geschlossenen Augen auf dem Rücken dalag. Unter ihrem Augenlid rann langsam eine Träne heraus. Dann noch eine. Und noch eine. Als sie dann lauthals zu schluchzen anfing, ging er neben ihrer Koje auf die Knie und drückte sie an sich, bis sie sich ausgeweint hatte. Es dauerte eine kleine Ewigkeit. Aber schließlich hatte sich seine Enkeltochter auch eine ganze Menge Tränen aufgespart.

Als sie sich ausgeweint hatte, wollte sie immer noch nicht reden. Er schnappte sich eine Schachtel Papiertücher, die er mehr aus Hoffnung denn aus Überzeugung bereitgehalten hatte, und sah zu, wie sie sich die Tränen abwischte.

Als dann das Wochenende näher rückte, hatte sie wieder etwas Appetit, beinahe wieder mehr oder weniger normal.

Sie redete immer noch nicht, aber immerhin hatte er es geschafft, sie für ein paar alte Filme und Holos zu interessieren, einfach, indem er eine Weile verschwand und seinen PDA neben ihrer Koje stehen ließ.

Am Anfang der darauf folgenden Woche sah sie sich praktisch ununterbrochen Filme an. Ein weiterer umfangreicher Download hatte ihm das komplette Werk von Fred Astaire und Ginger Rogers geliefert und erstaunlicherweise dazwischen ein paar Episoden der Three Stooges. Aber in drei Teufels Namen, wenn sie Soap Operas aus den Siebzigern gewollt hätte, hätte er ihr selbst die besorgt, und zum Teufel mit den Kosten.

Orbit um den Erdmond

Mittwoch, 3. Juli, 06:30

Grandpas PDA sagte, sie hätten den Mond erreicht. Dem Flugplan nach würden sie ein paar Tage hier bleiben und Ladung von den gemeinsam von Menschen und Indowy betriebenen Fabriken aufnehmen und auch welche abliefern. Grandpa schnarchte auf dem Boden ihrer Kabine. Er sollte dringend Enthaarungsschaum benutzen. Es war wirklich dringend! Die roten Stoppeln wirkten nach all den Jahren, in denen sie sich an ein glatt rasiertes Kinn gewöhnt hatte, äußerst seltsam.

Der Geruch in der Kabine war, wenn sie es richtig überlegte, auch nicht mehr der beste. Unterwegs hatten sie einmal versucht, ihr Fisch zu essen zu geben, und der Geruch war hängen geblieben. Ihre Bettlaken rochen ebenfalls. Den stets vertrauten Geruch nach Red Man hätte sie in der Mischung wahrscheinlich gar nicht bemerkt, bloß dass er ein wenig abgestanden war. Aber das Ganze wirkte auch vertraut und tat ihr damit zusätzlich gut.

Das helle Blau des GalPlas der Kabinenwände wäre vermutlich in Ordnung gewesen, wenn sie es nicht während der ganzen Reise angestarrt hätte. Jemand hatte einen grünen Fetzen Teppichboden aufgetrieben und ihn auf den Boden geklebt. Sie konnte die Stücke davon sehen, die nicht von Grandpa bedeckt waren. Die Farbe biss sich schrecklich mit seinem Haar, aber vermutlich war es trotzdem besser als nacktes GalPlas.

Sie verspürte leichte Schuldgefühle. Sie hatte eine Weile Trübsal geblasen, aber Tommy und Grandpa hatten sich offenbar gewaltige Sorgen gemacht. Sie würde zumindest wieder reden müssen und all das, damit die beiden zu ihrem Schlaf kamen und tun konnten, was sie tun mussten.

Schließlich hatte sie ja noch ein langes Leben vor sich. Welche Freude. Sie gab sich alle Mühe, ihr Selbstmitleid zu verdrängen. Eines nach dem anderen.

Sie spähte zur Tür hinaus. Die Crew sollte sie ja nicht sehen, aber für den Augenblick war ihr das egal. Zum Glück war weit und breit niemand zu sehen. Sie schnappte sich einen frischen Overall, ein sauberes Handtuch und ein paar von den Toilettensachen, die Tommy ihr besorgt hatte. Als sie ihren eigenen Körpergeruch wahrnahm, rümpfte sie die Nase. Sie brauchte dringend eine Dusche. Sehr dringend.

Zum Glück waren Frachtercrews, die nicht für die Nachtschicht eingeteilt waren, nicht gerade Frühaufsteher. Also jedenfalls diese Crew war das nicht. Gut. Keine Unterwäsche, aber da war eben nichts zu machen. Auf dem Stützpunkt Selene konnte sie sich ja dann etwas kaufen. Wenn sie keine frische Unterwäsche bekam, würde sie jemanden umbringen. Okay, nicht im Wortsinn. Sie seufzte. Der Weg zurück würde höllisch lang sein.

Grandpa wachte erst gegen halb zehn auf. Sie konnte ihn nur mit dem feierlichen Versprechen, nachher mehr als zwei Worte pro Tag zu reden, dazu bringen, sich in seine eigene Kabine zu begeben, »Ich … das wird schon wieder, Grandpa. Na ja, zum größten Teil jedenfalls. Aber noch nicht gleich. Im Augenblick schaffe ich das noch nicht. Geh jetzt schlafen. Ich muss den Shuttle nach unten erwischen und mir ein paar Sachen kaufen.«

»Ich komme mit«, erklärte er.

»Grandpa, ich will beim Einkaufen alleine sein. Nenne es meinetwegen Einkaufstherapie, falls du dich dann wohler fühlst. Hör zu, ich verspreche dir, dass ich mir als Allererstes einen PDA kaufe und dich anrufe und dir die Nummer durchgebe, okay?«

»Wenn du das wirklich brauchst. Aber, Cally, das verspreche ich dir, wenn du Mist baust oder irgendwas Gefährliches anstellst, kannst du was von mir erleben.«

»Ich … denke nicht einmal an etwas so Dummes. Ich brauche bloß ein wenig Zeit für mich. Äh, Grandpa?«

»Ja?«

»Könntest du mir eine Kreditkarte leihen?«

Basis Selene, Erdmond

Mittwoch, 3. Juli, 20:15

Es war ein anstrengender Shopping-Ausflug gewesen. Den größten Teil ihrer Schachteln und Tüten hatte sie im Frachtbereich abgegeben. Der Shuttle-Pilot hatte sich nach ihren Verletzungen erkundigt. Zum Glück hatte sie sie als Folgen des Überfalls erklären können — hauptsächlich Verstauchungen und Prellungen, die schlimmer ausgesehen hatten, als sie wirklich waren. Die Crew hatte sie über eine Woche lang überhaupt nicht zu Gesicht bekommen, also lag das durchaus im Bereich des Möglichen.

Grandpa hatte aufgehört, sich Sorgen zu machen, sobald sie sich bei ihm gemeldet hatte und er sie per E-Mail erreichen konnte und ihre Pläne kannte.

Für diesen Abend hatte sie sich Hausaufgaben vorgenommen. In ihrem ganzen Leben war ihr noch nie weniger nach Feiern zumute gewesen, aber weiß Gott, sie würde sich in eine Bar setzen und sich einen Drink genehmigen, ehe sie sich eine Bleibe für die Nacht suchte. Der Frachtshuttle würde erst morgen Nachmittag mit der nächsten Ladung hinauffliegen.

Ach was, vielleicht würde sie sogar ein paar Tage hier bleiben. Oder auch nicht. Eines nach dem anderen.

Sie stand vor einer Bar, von der der neue Buckley behauptete, dort würden hauptsächlich Frachtercrews und andere auf dem Weg von hier nach dort verkehren. Ihr schwarzer Catsuit war nicht gerade unauffällig, aber sie hatte ihn im Laden entdeckt und aus sentimentalen Gründen einfach nicht widerstehen können. Dieser hier saß ein wenig besser als der letzte — in den vergangenen zwei Wochen hatte sie aus den verschiedensten Gründen ein wenig abgenommen. Eines nach dem anderen. Ich werde jetzt da hineingehen und mir einen Drink bestellen. Einen Drink in einem Lokal, wo Menschen sind. Und dann kann ich mir irgendwo eine Bleibe suchen und mich dort für den Rest der Nacht verkriechen.