»Ihr Name kommt mir bekannt vor.« Er runzelte die Stirn, klappte seinen PDA auf und rief eine Liste auf. »Sagten Sie Sinda Makepeace, Captain?«
»Ja, allerdings.« Sie lächelte und legte den Kopf etwas zur Seite.
»Ich dachte mir schon, dass ich den Namen einmal gesehen habe. Wir haben auf Titan denselben Chef. Würde mich gar nicht überraschen, wenn wir am Ende im selben Büro arbeiten würden, Ma’am.« Seine Augen lösten sich von ihr. Eine Sekunde lang hatte es fast so gewirkt, als würde er in ihre Seele starren.
»Oh, dann arbeiten Sie also auch für General Beed?«, fragte sie mit einem strahlenden Lächeln.
»Ja, Ma’am.« Er sah sie mit ernster Miene an. »Würde — würden Sie weniger nervös sein, wenn ich es so einrichten könnte, dass ich auf dem Flug zum Raumschiff neben Ihnen sitze, Ma’am?«
»Ihre Gesellschaft wäre mir sehr angenehm, Lieutenant Pryce.« Sie streckte sich, drückte die Schultern zurück. Die gefallen dir wohl, wie? Verdammt, Mädchen, benimm dich!
Sonntagmorgen, 26. Mai
Die Weltraumfahrt, so wie die Föderation sie betrieb, sah so aus, dass man den Großteil der Reisezeit zwischen den Sternen im normalen Raum verbrachte, »Sublicht« hieß das für den Laien, auf dem Weg zu den Ley-Linien oder Pfaden zwischen den Sternen, wo der Zugang zu den Hyperraumregionen viel bequemer war. Im Prinzip war es zwar möglich, sich von überall Zugang zum Hyperraum zu verschaffen, aber das erforderte wesentlich mehr Energie, die Maximalgeschwindigkeit war geringer und der Austrittspunkt war mehr oder weniger Zufallssache. Das ließ zwar prinzipiell systeminterne Sprünge zu, aber eine verkehrsreiche Umgebung, wie sie bei der Titan-Basis gegeben war, verbot dieses. Demzufolge dauerte es zwar nur etwa sechs Monate, um von der Erde zu einem der bewohnten Planeten in einem relativ nahe gelegenen System zu kommen, die Innersystemreise zur Titan-Basis mit einem Kurierschiff der Föderation hingegen nahm reichliche acht Tage in Anspruch. Ihr Glück war, dass sich Erde und Saturn im Augenblick auf derselben Seite der Sonne befanden. Bei maximaler Distanz dauerte der Flug wegen des erforderlichen Umwegs um die Sonne fast einen Monat.
Die Galaktische Föderation war bestrebt, eine genügend große Zahl von Schiffen zwischen Erde und Titan im Einsatz zu haben, sodass es mindestens einen Flug pro Woche gab. Dies geschah nicht etwa aus besonderer Zuneigung zur Erde oder den Menschen. Im Gegenteil, die Menschen als die einzigen Fleisch fressenden Sophonten in der Föderation wurden im Allgemeinen bestenfalls als nützliche Barbaren betrachtet, nützlich insofern, als sie fähig waren, die Posleen von diversem Immobilienbesitz im Weltraum zu verjagen, den sie erobert hatten und den die Galakter zurückwollten. Die recht dichte Schiffsfrequenz diente also weniger der Bequemlichkeit sondern sollte sicherstellen, dass Fleet und Fleet Strike nach Bedarf wichtiges Personal auch zwischen größeren Truppenverlegungen hin und her transportieren konnten.
Handgepäck war an Bord des Shuttle nicht erwünscht. Die Flotte zog es vor, wenn alle beweglichen Gegenstände fest verzurrt im Laderaum verstaut waren. Als Cally mit Sindas Handtasche und ihrem Laptop an Borg ging, trug ihr das einen recht finsteren Blick des Piloten ein, der an der Tür stand, einem Fleet Captain in schwarzer Uniform. Ob sich dieser finstere Blick auf ihre Uniform bezog oder darauf, dass sie nicht nur einen, sondern sogar zwei Gegenstände bei sich hatte, wusste sie nicht. Sie reagierte darauf mit einem sonnigen Lächeln und flüsterte dem Lieutenant, als sie vorbei waren, über die Schulter zu:
»Der Captain sieht so aus, als ob er heute Morgen eine zweite Tasse Kaffee vertragen könnte.«
»Yes, Ma’am.« Pryce stolperte, ob nun über eine Unebenheit im Boden oder die eigenen Füße, war ihr nicht klar, aber als er an sie anstieß und sich auf ihrer Schulter abstützte, roch sie ein wenig Rasierwasser und sauberen Männerduft. Ihre Nasenflügel weiteten sich, als er sich überschwänglich entschuldigte. Sie erteilte sich selbst den Befehl, ihre Reaktion auf ihn zu ignorieren.
Das ist ein Baby. Erinnerst du dich an den Letzten? Das fehlte ja gerade noch, dass du dich auf diesem Trip als Runderneuerte verrätst. Makepeace ist nicht verjüngt. Ich bin dreiundzwanzig. Trotzdem, Hände weg von dem Baby — und auch wenn er noch so gut riecht.
Im Inneren sah der Shuttle im Großen und Ganzen wie ein kleines Passagierflugzeug aus, mit dem Unterschied, dass die Sitzgurte funktioneller waren — Fünf-Punkt-Gurte anstelle der mehr für das Auge vorhandenen Beckengurte. Außerdem waren im Deckenbereich Netze gespannt, um die wenigen losen Gegenstände bei Bedarf dort zu verstauen. Das war besser als die üblichen Klappfächer. Die Sitze wirkten ähnlich, waren allerdings nur dafür gebaut, den Körper ein oder zwei Stunden zu unterstützen nicht etwa für längere Flugzeiten. Sie ließen sich nicht zurückkippen, zur großen Erleichterung langbeiniger Passagiere. Allerdings besaßen sie Fußstützen in bequemer Höhe, um Indowy-Personal ein Mindestmaß an Komfort zu verschaffen, wenn der Shuttle für sie eingesetzt wurde. Wo in einer Passagiermaschine die erste Klasse gewesen wäre, gab es in dem Shuttle ein paar Sitze, die für Darhel-Anatomie konfiguriert waren. Ebenso wie die Sitze war auch die Beleuchtung ein wenig anders als im menschlichen Bereich.
»Wird es auf diesem Flug Darhel geben?«, fragte sie den Lieutenant.
»Nein. Warum fragen Sie?« Er sah zu ihr hinüber.
»Oh, einfach aus Neugierde, schließlich ist das für mich das erste Mal off-planet. Ich habe hinten drei Indowy gesehen und dachte, wenn dies ein gemischter Flug ist …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
»Oh. Na ja, es gibt wesentlich weniger Darhel als Indowy, Ma’am. Ich habe nie welche gesehen, die mit Menschen gereist sind. Die Darhel, meine ich. Wissen Sie, ich habe überhaupt nur ein einziges Mal einen zu sehen bekommen. Und bei all den Gewändern sieht man eigentlich kaum etwas«, fügte er dann ergänzend hinzu.
Sonntagmittag, 26. Mai
Wenn sie erwartet, dass der Trip nach draußen eine lange Folge von Kartenspielen und Filmen ist, wird sie bald merken, dass sie sich da getäuscht hat. General James Stewart grinste seinem Spiegelbild im Wandspiegel seiner Kabine zu und schob sich die ihm nicht vertrauten Lieutenantstreifen an seinem Kragen zurecht. Makepeace war eindeutig ein erfreulicher Anblick. Wahrscheinlich hatte sie gelegentlich Rückenschmerzen, aber die dienten einer guten Sache. Viel zu jung — bei der Zusammenarbeit mit ihr würde das einzige Problem sein, dass er die Hände von ihr lassen musste. Aber als allzu schwierig sollte sich das nicht erweisen, denn schließlich würde sie sich nicht für einen tollpatschigen Lieutenant wie Pryce interessieren.
Scheiße. Makepeace ist ein erfreulicher Anblick. Und Beed ist ein widerlicher Dreckskerl. Absichtlich hätte Pete das sicherlich nie getan. Wenn Vanderberg tatsächlich etwas damit zu tun gehabt hat, bring ich ihn um. Nee. Pete würde so etwas einfach nicht tun. Wenn er das gewusst hätte, hätte er sie viel eher wegversetzt. Verdammt.
Das Schiff hatte vierundzwanzig Stunden Übertragungszeit und mehrere verfügbare Frequenzen — mehr als genug Zeit, um jeden Tag gewaltige Mengen komprimierter und verschlüsselter Daten inklusive Fehlerüberprüfung zu übertragen. Na schön, die Übertragungsverzögerung betrug etwas mehr als eine Stunde, aber das hatte ja eigentlich nur bei Gesprächen oder ihrem Textäquivalent etwas zu sagen. In der Praxis bedeutete das, dass der Würfel mit seinem täglichen Arbeitspensum, als sie an Bord gekommen waren, bereits vor seinem Gepäck in seinem Quartier eingetroffen war.