»Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstehe.« Sie legte den Kopf etwas zur Seite und wartete darauf, dass er deutlicher wurde.
»Ma’am, der General benutzt kein AID, er benutzt keine Computer. Die einzigen elektronischen Geräte in seinem Büro, bei denen ich sicher bin, dass er sie benutzt, sind die Beleuchtung und die Lebenserhaltung. Oh, und die Kaffeemaschine«, fügte er hinzu.
»Papier?«, flüsterte sie, und endlich dämmerte so etwas wie das Licht der Erkenntnis in ihren Augen. »Also, ich muss schon sagen, das … das ist etwas Besonderes.« Sie hielt inne, offensichtlich tief in Gedanken. Stewart begann zu argwöhnen, dass sie sich leicht in Gedanken verlieren konnte.
»Wie schafft er denn damit seine Arbeit?«, fragte sie.
»Ma’am, Fleet Strike hat Sie zum Captain befördert und Sie hierher geschickt, weil Ihre Ausbildung der einer Anwaltssekretärin am nächsten kommt. In diesem Fall sind Sie sozusagen die am besten geeignete Person für die offene Stelle. Ich fürchte, das bedeutet, dass diese Position ein wenig anders ist als das, woran Sie gewöhnt sind, Ma’am«, schloss er.
Er vermied sorgfältig zu erwähnen, dass ihre Beförderung vielleicht gewisse Ähnlichkeit mit einem Trostpreis eines Kollegen im Personalbereich hatte, der damit sein schlechtes Gewissen über den miesen Job beruhigte, den er ihr hatte anhängen müssen. Eigentlich sollten Beförderungen nicht so vorgenommen werden, aber die Erbsenzähler hielten gewöhnlich zusammen.
Sie strich sich mit der linken Hand über das Haar, was eigentlich völlig überflüssig war.
»Lieutenant Pryce, ein guter Offizier von Fleet Strike geht dorthin, wo man ihn hinschickt, und tut, was man von ihr verlangt.« Sie zuckte die Achseln. »Ich vermute, ich werde mich ein wenig mit Papier befassen müssen.«
»Ja, Ma’am.«
»Danke für den Hinweis, Pryce.« Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, und Stewart war plötzlich froh, dass er auf der anderen Tischseite saß. »Jetzt zu der Arbeit, die Sie erwähnt haben. Sollten wir nicht besser damit anfangen?«
Okay, sie hat Mordstitten, und ihr Gesicht und ihre Haare sind auch nicht übel. Schön wäre sicherlich kein zu starker Begriff dafür. Aber um Himmels willen, Mann, du bist nicht mehr siebzehn! Nicht in ihrer Kabine zu arbeiten, ist eindeutig eine gute Idee, ein ständiger Abstand von zwei Metern wäre wohl etwa richtig. Unglücklicherweise rief das in ihm die Vorstellung der Art von Tätigkeit wach, die er gerne in ihrer Kabine verrichten würde, darunter auch ein erstaunlich lebendiges Bild ihrer nackten Brüste in seinen Händen — er verdrängte den Gedanken und gab ihr die Kopie, die er von dem ursprünglichen Würfel hergestellt hatte. Ein kleiner elektrischer Funke sprang zwischen ihren Händen über, und er atmete scharf ein. Die Tussi war vermutlich strohdumm, aber offensichtlich gab es da doch eine gewisse chemische Reaktion, wie sie bei jedem gesunden, normalen jungen Mann auf eine wie sie gebaute Frau zu erwarten war. Nicht, dass er jung gewesen wäre. Aber sein Körper war vermutlich der Ansicht. Das würde eine lange Woche werden.
Cally war nach dem Abendessen in ihre Kabine entkommen. Da es sich um ein Schiffsquartier handelte, glich diese einem Besenschrank, in den man das nötige Mobiliar und die erforderliche Elektronik hineingezwängt hatte, alles, mit Ausnahme einer Toilette. Die befand sich ein Stück weiter unten am Flur und war nicht gerade so konstruiert, dass sie die Privatsphäre ihres Benutzers sonderlich gut schützte. Die Konstruktionsdaten für diese Schiffe waren festgelegt worden, als es bei Fleet Strike nur eine verschwindend geringe Zahl weiblicher Menschen gegeben hatte, und im Übrigen hatte die Flotte ohnehin eine recht lockere Einstellung zu Fragen des Schamgefühls entwickelt. Das hatte dazu geführt, dass ihre Duschschicht am Morgen unversehens stärker bevölkert gewesen war, als das unbedingt nötig gewesen wäre. Ein paar von den Soldaten, die in ihrer Schicht geduscht hatten, waren mit Sicherheit für eine andere eingeteilt gewesen. Aber da keiner sie anfasste, und auch alle mit ihren Blicken einigermaßen diskret waren — und Makepeace auch hinreichend dämlich war, um damit klarzukommen -, tat sie so, als würde sie nichts bemerken. Was sie bemerkte, war, dass der Lieutenant nicht zu ihren verdeckten Bewunderern gehörte. Er war für dieselbe Schicht eingeteilt, hielt sich aber bei den Duschen weiter hinten an der Wand auf. Und wenn er sie anstarrte, tat er das wenigstens so, dass er dabei nicht erwischt wurde.
Sie und Pryce hatten mit den anderen Offizieren und ein paar recht niedergeschlagen wirkenden Mannschaftsdienstgraden, die vermutlich die andere Schicht vorgezogen hätten, die erste Frühstücksschicht.
Blieb das Problem, was sie tun sollten, während die zweite Schicht die Messe benutzte. Da der Raum äußerst knapp war, verbrachten sie die Zeit gewöhnlich damit, sich draußen im Flur an die Wand zu lehnen. Cally genehmigte sich dann meist eine zweite Tasse Kaffee oder spielte gegen Pryce Space Invaders. Sie hatten festgestellt, dass sie beide großen Spaß an sehr frühen Computerspielen dieser Art hatten. Er hatte angeboten, ihr seine Spielesammlung zu zeigen, sobald sie auf Titan gelandet waren. Sie hielt dies nicht unbedingt für einen Vorwand und war sich nicht recht sicher, was sie eigentlich davon halten sollte.
Heute hatte Pryce genuschelt, er brauche etwas aus seiner Kabine. Sie hatte nicht sehr darauf geachtet und war eigentlich froh, dass ihr das Zeit ließ, ein wenig darüber nachzudenken, was sie eigentlich hinsichtlich seiner Person empfand. Er war nicht gerade der größte Tollpatsch, dem sie je begegnet war, aber viel fehlte daran nicht. Vielleicht hat Grandpa Recht. Mein Job fängt an, an mir Wirkung zu zeigen. Okay, das waren jetzt zwei Wochen, und ich habe ganz normale gesunde Hormone, aber mindestens die Hälfte der Kerls in der Dusche sahen genauso gut aus, und keiner von ihnen stolperte ständig über die eigenen Füße. Okay, diese Haarsträhne, die ihm ständig in die Stirn fällt, ist irgendwie sexy, aber … es muss wirklich der Job sein. Wenn ich das nächste Mal einen vernünftigen Vorwand habe, mit jemandem ins Bett zu steigen, werde ich wegen dieser Hormone etwas unternehmen müssen.
Ihre Kaffeetasse war leer, also ging sie in die Messe zurück, um sich nachzuschenken. Sie konnte ein paar geflüsterte Bemerkungen hören und auch Blicke spüren, aber die Abzeichen an ihrem Kragen verhinderten Eindeutigeres. Als sie mit dem frischen Kaffee wieder hinauskam, war Pryce zurück.
»Ich frage mich, was heute auf dem Würfel ist. Haben Sie schon nachgesehen?«, erkundigte sie sich.
»Nein, Ma’am.« Er lehnte sich an die Wand, ein kleines Stück außerhalb normaler Gesprächsdistanz, als ob er Angst hätte, ihr zu nahe zu kommen.
»Okay. Vielleicht erzählen Sie mir dann ein wenig über unser Büro auf Titan. Waren Sie schon mal dort?« Ihr Rücken schmerzte bereits ein wenig, und sie stand ein Stück von der Wand entfernt, um nach hinten zu greifen und den kleinen Krampf wegmassieren zu können.
»Was? Oh.« Er schüttelte leicht den Kopf. »Ich war schon auf Basis Titan, Ma’am, aber nicht beim CID. Ich habe mich bei dem General gemeldet, ehe er die Erde verlassen hat. Okay, Ma’am, Sie wissen, dass der General gerade erst das Kommando über die Dritte MP-Brigade auf Titan übernommen hat. Der größte Teil der Brigade, praktisch alle mit Ausnahme von zwei Kompanien, dem Brigadehauptquartier und der CID-Sektion, ist bei diversen Infanterieeinheiten im vorgeschobenen Einsatz. Was das Tagesgeschäft angeht, wird die Brigade praktisch vom XO, Colonel Tartaglia, geleitet. Der General ist der Ansicht, dass er sich vorzugsweise um CID kümmern sollte, und deshalb werde ich, mit Ausnahme der altehrwürdigen Aufgabe, Canapés zu verteilen, höchstwahrscheinlich dort den Großteil meiner Zeit verbringen. Das ist auch der Grund, weshalb der General so großen Wert darauf gelegt hat, dass Sie mit allen Hintergrundinformationen der CID vertraut sind. Wenn er Sie auffordert, ihm etwas zu suchen, dann … nun ja, Geduld und Erklärungen gehören nicht zu seinen starken Seiten, Ma’am.«