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»Ich fange schon an, mich richtig auf diesen Job zu freuen«, bemerkte sie trocken.

Stewart hatte immer Jobs ohne feste Zeiteinteilung gehabt. Als die meisten Teenager seines Alters in Junkfood-Lokalen darauf gewartet hatten, dass ihre Schicht zu Ende ging, hatte Stewart unter seinem ursprünglichen Namen, Manuel Guerrera, eine erfolgreiche Street Gang geführt. Damals wie jetzt war es nicht möglich gewesen, Organisationsprobleme und Zuständigkeiten innerhalb festgelegter Bürozeiten zu erledigen. Und deshalb lag er jetzt hier auf seiner Pritsche, während Captain Makepeace entweder in ihrer Kabine war oder weiß Gott was tat, eine Liste von Namen und detaillierten Sicherheitsprofilen studierte und herauszufinden versuchte, wer von den Fleet-Strike-CID zugeteilten Leuten auf Titan mit größter Wahrscheinlichkeit von der namenlosen feindlichen Organisation eingeschleust worden war, die ihr Kontakt ihnen genannt hatte.

Heute Morgen waren endlich die kompletten Profile reingekommen, aber so wie er die Arbeit mit Makepeace geplant hatte, hatte er sie sich untertags nicht ansehen können. Sie würden morgen Nachmittag auf Titan Orbit eintreffen, und er wollte, dass die Liste vor ihrer Landung fertig war. Während er auf der Erde war, waren fünf weitere von ihren Leuten auf Titan eingetroffen, und er wollte wissen, womit er es zu tun hatte, ehe er ihnen das erste Mal begegnete.

Das war eine äußerst schwierige Aufgabe, weil sie über die Zielsetzungen und Motive des Feindes praktisch überhaupt nichts wussten, wenn man einmal davon absah, dass dazu Spionage gegen Militär- und Regierungsorganisationen der Föderation zählte, was an und für sich schon ausreichte, um auf unfreundliche, wahrscheinlich sogar feindselige Absichten zu deuten. Nach derzeitiger Kenntnis, oder besser gesagt nach derzeitigen Theorien, hatten sich extreme Kreise unter den Humanisten endlich hinreichend organisiert, ein Gedanke, der einem Angst machen konnte, wenn man bedachte, wie viel wilde Posleen sich noch auf der Erde und anderen Planeten befanden, und in welchem Maß die Verteidigung der Erde gegen sie immer noch vom Kauf von GalTech-Technik und Gerätschaften abhing.

Für die Flotte und auch für Fleet Strike lag die oberste Priorität in ständiger Wachsamkeit gegen eine mögliche Reorganisation der Posleen, und dazu gehörte auch das Bestreben, von den Posleen eingenommene Gebiete zurückzuerobern. Jeder einzelne wilde Posleen stellte eine potenzielle Gefahr dar, weil jeder mit dem fundamentalen Wissen seiner Spezies zur Welt kam. Bei den meisten wilden Posleen handelte sich es zwar um die dummen und kaum vernunftbegabten Normalen, aber alle Posleen waren Hermaphroditen, die sich im Notfall auch selbst befruchten konnten. Ein einziger intelligenter Gottkönig verfügte über das Potenzial, die ganze wütende Horde neu ins Leben zu rufen.

Demzufolge bestand der erste Teil seiner Aufgabe darin, sämtliche Humanistenverbindungen der einzelnen Personen aufzulisten und — das war der zweite Teil der Aufgabe — alles zu registrieren, was in diesen Unterlagen oder denen ihrer Freunde und Verwandten aufschien und auf jegliche Unzufriedenheit mit der Föderation deutete.

Das wurde eine lange Liste und demzufolge eine lange Nacht. Anders beispielsweise hatte einen Bruder und einen zweiten Cousin, die Humanisten waren, wobei der Bruder der Aktivere war, aber sie und ihr Bruder waren angeblich zerstritten und hatten schon seit Jahren kein Wort mehr miteinander gewechselt. Konnte stimmen. Konnte aber auch Tarnung sein. Bakers Familie lebte in der Indianapolis Urb und war scheinbar völlig unpolitisch. Carlucci hatte außerhalb von Fleet Strike weder Familie noch Freunde. Sergeant Franks hatte eine Frau, die Humanistin war. Ihr Profil war in dem Bericht enthalten und man wusste von ihr, dass sie der Ansicht war, die Aliens steckten mit den Freimaurern, den Illuminati und dem Satan unter einer Decke — die typische humanistische Spinnerin. Jedenfalls machte ihn das eindeutig zu einem Sicherheitsrisiko. Und mit dem Rest verhielt es sich ähnlich. Selbst Makepeace hatte einen Nachbarn auf der daneben gelegenen Farm mit einer Tochter, die Humanistin war. Von fünfzehn Leuten im Büro hatten zwölf die eine oder andere dokumentierte humanistische Verbindung. Die anderen drei, nun ja, sicher sein konnte man nie, oder?

Nirgendwo im bewohnten Universum war der Smog so dicht wie auf der Titan-Basis. Aus der Schwärze des Weltraums kommend sah der leuchtend blaue Rand der Stickstoffatmosphäre fast erdähnlich aus, aber die orangebraune Schicht aus Kohlenwasserstoff-Smog war so dick, dass man überhaupt nicht hindurchsehen konnte, und hätte Los Angeles oder Mexiko City der Vorkriegszeit oder das heutige Chicago wie eine schimmernde Bastion atmosphärischer Reinheit erscheinen lassen.

Der Shuttle verzichtete auf künstliche Schwerkraft, und deshalb fühlte sich die erste Etappe ihres Eintritts in die Atmosphäre von Titan an, als würden sie einen steilen Hügel hinaufreiten, wobei »unten« in Richtung ihrer Sitzlehnen war. Pryce hatte ihr den Fensterplatz überlassen, und Cally starrte zum Fenster hinaus, bemüht, nicht völlig wie ein Tourist zu wirken. In einundfünfzig Jahren eines Lebens, das in vieler Hinsicht jede Art von kosmopolitischem Schliff hinterwäldlerisch erscheinen ließ, war dies ihre erste Reise off-planet. Zum Glück galt dies auch für Sinda, sodass sie ihre natürliche Neugierde und die damit einhergehende Erregung nicht zu sehr zu unterdrücken brauchte.

Der Lieutenant griff über ihre Schulter und deutete auf eine flockige, weiße Masse. »Da, schauen Sie, eine Wolke. Davon bekommen wir nicht zu viele zu sehen.«

»Das ist Methan, nicht wahr?« Sie starrte zum Fenster hinaus.

»Ja, Ma’am.«

Als sie in den dichten braunen Dunst eindrangen, bogen sie auf die Nachtseite des Mondes. Draußen wurde es schwarz. Unglücklicherweise befanden sie sich im falschen Winkel, sodass sie von ihrem Fenster aus den Saturn nicht sehen konnten. Sie überwanden den »Hügel« des freien Falls, und es ging nach »unten«, sodass sie leicht nach vorne gegen die Sitzgurte gedrückt wurden, als der Shuttle abzubremsen begann.

»Werden wir vom Stützpunkt aus Saturn sehen können?« Sie reckte den Nacken, um sehen zu können, ob durch das abgedunkelte Fenster etwas Interessantes zu erkennen war.

»Nur gelegentlich als verschwommenen hellen Punkt in der Dunkelheit, Ma’am.« Er lächelte bedauernd. »Abgesehen davon ist es im Großen und Ganzen so, als würde man in einem Vogelkäfig unter Wasser leben, einem Käfig übrigens, über den man eine Decke gelegt hat. Na ja, immerhin hat der Käfig elektrisches Licht«, fügte er grinsend hinzu.

Die Landung war eine Folge gedämpfter Stöße, und dann hatte sie bei einem Siebtel ihres gewohnten Gewichts das Gefühl, sich auf dem Grund eines Swimmingpools zu befinden.

»Und jetzt kommt der Augenblick, wo wir für unsere warmen Seidenuniformen dankbar sein werden«, sagte er.

»Wie kalt ist es denn?«

»Draußen? Etwa minus einhundertvierzig Celsius. Im Rohr zur Kuppel ein paar Grad unter Null.« Er schnallte sich los und stand auf.

»Brrr.« Sie schauderte. »Und die können das nicht wärmer machen?«

»Tun sie nicht.« Er zuckte die Achseln. »Eine Frage der Sicherheit. Der ganze Stützpunkt ist auf verschiedenen Eisschollen gebaut. Eine der größten Herausforderungen für unsere Ingenieure, abgesehen vom Überdruck, besteht darin, Hitzelecks zu minimieren, die den Boden unter uns destabilisieren könnten.«

»Könnten die das denn nicht isolieren? Oder schweben?« Beim Aufstehen musste sie nach hinten greifen und sich an der Stelle unten an der Wirbelsäule kratzen, die ständig wehtat.

»Oh, die isolieren schon, Ma’am. Das können Sie mir glauben. Diese Plattform und der Stützpunkt selbst stehen etwa fünfzehn Meter über dem Boden, damit darunter die Luft zirkulieren kann. Auf kurze Zeit kann man auf dem Boden bauen, und bei Forschungsfahrzeugen ist das auch gar kein Problem, weil die sich bewegen. Aber man kann nicht ein paar Jahrhunderte lang einen großen heißen Fleck aufs Eis stellen. Eine Weile hat man an Schwimmkonstruktion gedacht, die Idee dann aber wieder verworfen. Es hat etwas mit Gravitationseffekten und der Stabilität zu tun.«