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»Warum nicht gleich hier?« Sie tippte auf die Schreibtischplatte, grinste verschwörerisch. »Oder hier …« Sie rutschte vom Schreibtisch und ließ sich auf den Sessel fallen, drehte sich damit im Kreis und lachte.

Er schob skeptisch die Augenbrauen hoch, malte sich aus, wie weit er die Knie würde durchbiegen müssen, damit das klappte. Aber sie war ihm bereits weit voraus. Entweder das oder sie hatte seine Gedanken gelesen, denn sie drückte den Knopf für die Sesselhydraulik, worauf sich die Sitzfläche weit nach oben schob.

Als sie den vorderen Saum ihrer Seidenkombination öffnete und sie sich von den Schultern schob, überlegte er. Vielleicht würde es doch gehen. Ganz besonders, wenn sie die Knie anhob …

Nachdem sie Anders’ Philodendron wieder neu eingetopft hatten, der in der Hitze des Gefechts irgendwie aus seinem Terrakottakübel geraten war, aßen sie in Sindas Büro zu Abend. Er wusste nicht, wie sie es fertig gebracht hatte, ein altmodisches Picknick aus kaltem gebratenem Hühnchen, Kartoffelsalat, harten Eiern und Schokoladeplätzchen zustande zu bringen, aber es schmeckte jedenfalls herrlich. Ganz besonders das eiskalte echte Milwaukee-Bier, für das sie wahrscheinlich ein kleines Vermögen ausgegeben hatte.

Anschließend verführte sie ihn — nicht, dass er sich gewehrt hätte — auf dem Schreibtisch des widerlichen Ekels. Er musste zugeben, dass ihm die Ironie des Ganzen Spaß machte.

Sonntag, 16. Juni, Nachmittag

Der üppige Duft ihres Haars betäubte ihn fast, als ihre Küsse — und dazwischen ein paar Bisse, um auch ja sicherzustellen, dass er aufpasste — an seiner Brust hinunterwanderten. Mehr Kuss als Biss, je weiter sie wanderte. Schließlich hatte sie sich um sein rechtes Bein geschlungen, ihre Brüste rieben an seinen Schenkeln und ließen ihn spüren, dass sie das alles ebenso genoss wie er.

Die ersten Klänge des nächsten Lieds auf ihrem Würfel erfüllten ihn mit eigenartig süßer Melancholie, die ein paar Augenblicke lang anhielt, ehe ein heißer, peitschender Rhythmus einsetzte und das, was sie mit ihm machte, noch intensiver erscheinen ließ. Er versuchte gar nicht erst, sich daran zu erinnern, wie die Gruppe oder das Lied hießen, aber dann wusste er es trotzdem plötzlich. Es war eine Gruppe aus der Kriegszeit, die sich Evanescence nannte, und das Lied hieß »Bring Me to Life«. Nichts hätte besser zu dem passen können, was hier geschah, und doch war ihm irgendwie klar, dass die Musik für sie eine ganz besondere Bedeutung haben musste.

Der Drive, der von der Musik ausging, schien alles zu erfüllen, lebendiger zu machen — ihren Duft, ihre Hände, das Gefühl ihrer Lippen auf ihm. Ihre wunderschöne blasse Haut und die ganz dünne Schweißschicht darauf schienen von innen heraus zu leuchten. Selbst das düstere Grau der Bürowände schien eine neue intensivere Realität zu gewinnen. Die Musik tönte in ihren Knochen nach, und er fragte sich, was in drei Teufels Namen hier eigentlich mit ihm vorging. Sex war noch nie so gewesen.

Der Gedanke kam in ihm auf, dass es eigentlich etwas Perverses an sich hatte, es hier im Büro eines Kollegen zu tun, aber der Gedanke war nicht wichtig und ließ sich leicht wieder verdrängen. Außerdem hatte Li sich eine Couch für sein Büro besorgt. Nicht Leder, aber ein recht guter Ersatz …

Nachher, als sie zu Mittag aßen, er ein Schinkensandwich, sie Roastbeef, redeten sie. Er war bemüht, nicht in Erinnerungen zu schwelgen, wenn er mit ihr redete. Nun ja, eigentlich überhaupt, wenn er mit jemandem redete. Ganz gleich, wie gut man Bescheid wusste und wie sehr sie einem die Tarnung glaubten, es bestand immer das Risiko, dass man irgendwo stolperte. Dass Sinda nie versuchte, über die Vergangenheit zu reden, gehörte mit zu den Dingen, die es so erfreulich machten, sich mit ihr zu unterhalten. Sie unterhielt sich gern über Musik oder alte Filme. Okay, sie mochte vielleicht nicht die Hellste sein, aber trotzdem hatte sie eine erstaunliche Tiefe — und sie hatte sich keineswegs nur auf Teenie-Filme konzentriert. Das wirklich Unglaubliche war, dass sie wirklich Geschmack hatte. Bis jetzt war er noch nie einer Frau begegnet, die sich tatsächlich Charlie Chaplin angesehen und über ihn gelacht hatte — wirklich gelacht. Und dann mochten beide die Szene am Ende eines der alten Spaghetti-Western, wo der Held »ein Problem mit Kopfrechnen« gehabt hatte. Himmel, sie war seit zwanzig Jahren für ihn das erste Mädchen, das je einen solchen Film gesehen hatte.

Das Schwierigste an der ganzen Situation war, er durfte einfach nicht zulassen, dass sie ihm zu nahe kam, ganz gleich, wie sehr er sich das vielleicht auch wünschte. Er lebte hier eine Lüge, und niemand wusste schließlich, wie sich ihre Reaktion auf ihn ändern würde, wenn sie die Wahrheit herausfand. Würde sie in ihm dann bloß einen weiteren Opportunisten sehen? Jemanden, der sich durch nichts von General Arschloch unterschied? Jemand, der nichts anderes im Sinne hatte, als ihr an die Wäsche zu gehen? Oder konnte es sein, dass sie vielleicht begreifen würde, warum er das tun musste?

Springfield

Sonntag, 16. Juni, 17:00

Bobby Mitchell verstand sich hervorragend auf Überwachung, und seit er den Polizeidienst quittiert hatte, war er eher noch geschickter geworden. Ob das daran lag, dass er väterlicherseits einen Schuss Siouxblut in den Adern hatte und mütterlicherseits ein wenig Mex — jedenfalls war er ein kleiner, etwas nervös wirkender Mann mit dunklem Haar, dunklen Augen, einer Haut, die leicht bräunte, und dem Talent, Teil seiner Umgebung zu werden, in ihr aufzugehen, ob das nun Menschen waren oder sonstige Umwelt.

Bobby achtete darauf, stets gebräunt zu sein; er hatte früh erkannt, dass die Menschen nicht dazu neigten, dunkelhäutigen, kleinwüchsigen Menschen, die körperlich arbeiteten, besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Heute war er damit beschäftigt, einen Bürgersteig vor einem Park zu fegen. Von Natur aus waren Bobbys Augen nicht sonderlich gut gewesen, aber die verdammten Aliens hatten da Ärzte, die gar nicht schlecht waren. Während er sich so auf dem Bürgersteig voranarbeitete, war er mal zwanzig, mal achtzig Meter von der Parkbank entfernt, die dem Feind angeblich als Briefkasten diente, konnte aber die Gesichtszüge eines jeden genau erkennen, der sich der Bank näherte.

Er hätte natürlich elektronische Hilfsmittel benutzen können. Er hatte sie auch, für alle Fälle. Aber nachdem er ein paar von den Dingen miterlebt hatte, die seine Chefs, diese verdammten Aliens, mit aufgezeichneten Daten machen konnten, glaubte Bobby fest an seine persönliche Note. Er hatte nie zu denen gehört, die den Gegner für unfähig oder dumm zu halten pflegten.

Außerdem bestand sein Auftrag hier lediglich darin, vor einem Zugriff zu bestätigen, dass ein Tipp zutraf.

Inzwischen hatte er zum zweiten Mal beim Kehren die Hälfte der Wegstrecke zurückgelegt, als der durchschnittlich aussehende Schwarze mit den konservativen Kopfmustern in den Jeans und einer schmutzigen blauen Windjacke auf der Bank Platz nahm. Das Gesicht entsprach genau einem der vier in der Akte, und er bewunderte, mit welcher Nonchalance der Mann so tat, als würde er den Tauben Brotkrumen hinwerfen und in Wirklichkeit mit der Hand über die Unterkante der Bank strich. Man musste sein Geschick wirklich bewundern. Bobby sah nicht einmal, wie er las, und konnte nur dem etwas helleren Aufleuchten, als der Mann sich eine Zigarette anzündete, entnehmen, dass es sich wahrscheinlich um eine Notiz auf Blitzpapier gehandelt hatte. Aber da war der Mann bereits wieder aufgestanden und schlenderte ganz unauffällig dorthin zurück, wo er hergekommen war.

Tipp bestätigt, Auftrag erfüllt. Bobby fuhr fort, den Fußweg um den ganzen Platz herum zu fegen und sammelte dabei seine Kameras wieder ein.

Der Typ von Fleet Strike, der eine halbe Stunde später deren Kameras im Park einsammelte, war ungeschickt, er trug zu schlampige Zivilkleidung und übertrieb in seinem ganzen Auftreten, obwohl seine Fingerfertigkeit nicht schlecht war. Trotzdem, es war deutlich zu erkennen, dass Fleet Strike schon lange nicht mehr mit einer ernsthaften Bedrohung eines gegnerischen Nachrichtendienstes konfrontiert gewesen war.