Jedenfalls bedeutete der Kompromiss, dass sein AID nicht bei jeder eingehenden Nachricht gongte. Vielmehr vibrierte es leicht, sodass er sich kurz entschuldigen konnte. Abgesehen davon sah er etwa einmal die Stunde nach. Und wenn Jenny zu erkennen gab, dass die Nachricht wichtig war, reagierte er gewöhnlich auch sofort. Am heutigen Abend, an Janes Geburtstag, hatte er das nicht getan, sondern ein paar Minuten gewartet. Als Jenny ihn dann das zweite Mal ansummte, schloss er, dass es ziemlich wichtig sein musste, und entschuldigte sich taktvollerweise damit, dass er auf die Toilette müsse. Janes Augen verengten sich ein wenig, als er den Raum verließ. Er bezweifelte stark, dass er sie hatte täuschen können.
»Jenny, ich hoffe, die Mitteilung ist wirklich wichtig. Janes Geburtstag bedeutet mir sehr viel.« Okay, eigentlich ist mir wichtig, dass Jane nicht sauer auf mich ist, weil sie sich beleidigt fühlt. Läuft auf dasselbe hinaus. Ich hatte eigentlich vor, heute Abend mit ihr zu schlafen und nicht die Nacht in der Hundehütte zu verbringen.
»Tut mir Leid, Peter. Du hast zwei dringende Mitteilungen. Morrison muss bedauerlicherweise Scheitern berichten. Sie hatten sie, aber Scharfschützen auf dem Dach haben die Gefangenen getötet, ehe sie vollends gesichert werden konnten. Colonel Tartaglia meldet für General Stewart jedoch Erfolg. Sie haben eine feindliche Agentin lebend gefangen und sie zum Verhör in das Gefängniszentrum auf Basis Titan gebracht. Oh, dritte Nachricht. Verteidigungsminister Li teilt dir und deinen Untergebenen mit, dass eine Darhel-Delegation unter Führung des Ministers für Wirtschaft und Handel, dem Tir Dol Ron, dem Verhör als Beobachter beiwohnen wird. Du hast Anweisung sicherzustellen, dass deine Leute der Delegation des Tirs in jeder Weise behilflich sind«, sagte das Gerät.
»Das ist verrückt.« Äh … darüber muss ich alleine nachdenken. »Jenny, gib die Befehle an General Stewart und Colonel Tartaglia weiter. Äh, Jenny, enthält die Nachricht einen Hinweis darauf, weshalb sie von dem Colonel übermittelt wurde. Und was ist aus General Beed geworden?«
»General Beed ist von der Gefangenen, einer Captain Sinda Makepeace, seiner Sekretärin, getötet worden. Oder einer Unbekannten, die als Fleet Strike Captain auftritt, obwohl das natürlich nach den biometrischen Sicherheitsvorkehrungen von Fleet Strike unmöglich ist. General Stewart ist bei der Auseinandersetzung verletzt worden und augenblicklich nicht bei Bewusstsein. Er wird gerade ärztlich behandelt. Mit voller Wiederherstellung kann gerechnet werden.«
»Danke, Jenny. Noch einmal, bitte weitere Mitteilungen anhalten, sofern sie nicht wichtig sind.« Sonst darf ich möglicherweise heute Nacht nicht in meinem eigenen Bett schlafen.
»Aber sicher, Peter. Ich verstehe«, schmachtete sie.
Unter einem Kornfeld in Indiana
Dienstag, 18. Juni, 20:30
Der Indowy Aelool nahm einen kleinen Schluck von seinem Wasser und kehrte in einen gesellschaftlich akzeptablen Zustand stiller Selbstbetrachtung zurück. Normalerweise bemühte er sich, in Nathan O’Reillys Büro um etwas mehr gesellschaftliche Interaktion, eine Prozedur, die die Menschen Small Talk nannten. Auf seinen Freund schien das beruhigend zu wirken.
In Anbetracht der gegenwärtigen Situation und der andauernden Rückschläge in dem Cally-O’Neal-Debakel und der Anwesenheit des Indowy Roolnai war es politisch angebrachter, traditionellere Verhaltensformen an den Tag zu legen.
Roolnai hatte sein Wasser nicht angerührt, um seine meditative Stimmung nicht zu stören, was vielleicht auch einen leichten Tadel für Aelool darstellte. Vielleicht wollte er damit aber auch nur seine persönliche Nervosität zügeln. Schließlich war das, was sie hier beobachten wollten, doch eine recht angespannte Situation Für die Bane Sidhe würde dies keine gute Nacht werden.
Roolnais AID zirpte einen Schwall Indowy. Roolnai hob den Kopf und wandte sich O’Reilly zu.
»Es ist bestätigt worden, dass der Mensch Cally O’Neal lebend festgenommen worden ist. Es ist bestätigt worden, dass niemand vom Team Hector lebend festgenommen wurde, was aber weder auf unsere Einschaltung noch deren Kompetenz zurückzuführen ist, sondern vielmehr auf den Wunsch der Darhel, diese Agenten nicht lebend in die Hand von Fleet Strike fallen zu lassen. Der Grund dafür ist vermutlich der, dass sich im Augenblick keine Darhel auf der Erde befinden, die das Verhör überwachen oder kontrollieren könnten. Auf Titan ist solches nicht der Fall. Der Tir Dol Ron wird dort den Vorsitz übernehmen. Außerdem haben wir es mit dem äußerst günstigen Umstand zu tun, dass die möglicherweise voreilige Aktion, einen Agenten vom Team Hector zu bergen, durch die O’Neal-Sendung hinreichend abgedeckt ist. Unsere Informationsquellen sind nicht kompromittiert worden.« Während Roolnai das sagte, hoffte Aelool, dass O’Reilly ihre Sprache nicht hinreichend beherrschte, um die leichte Herablassung in seinem Tonfall wahrzunehmen. Aber er war nicht sehr zuversichtlich in dieser Hoffnung. In O’Reillys Augen war ein leichtes Blitzen zu erkennen, wie es an Menschen häufig dann festzustellen war, wenn sie Subtilitäten wahrnahmen.
»Thomas, bitte Hologramm des Militärgefängnisses auf Basis Titan zeigen. Verteidigungseinrichtungen nach möglichen Schwächen analysieren«, wies er sein AID an.
»Visuelles oder strukturelles Bild?«, fragte es.
»Strukturell, bitte«, sagte er.
»Ich bitte um Entschuldigung, Stützpunktkommandant O’Reilly, aber darf ich mich nach dem Zweck dieser Maßnahme erkundigen?« Roolnais Stimme klang kühl.
»Natürlich um die Möglichkeiten einer Extraktion zu bewerten«, erwiderte O’Reilly abwesend, offensichtlich bereits ganz auf die Betrachtung des Bildes konzentriert.
»Man könnte sich zuerst fragen, ob eine Extraktion eine kluge Nutzung beschränkter Ressourcen ist.« Der ranghöhere Indowy sagte das mit dem Ausdruck hohen Respekts, wie Indowy das gewöhnlich taten, wenn sie eine unverrückbare Haltung einnahmen.
»Ich kann nicht erkennen, welchen Schaden es bereiten sollte, Möglichkeit, Kosten und Risiken einer Extraktion zu bewerten.« Wenn ich diesen Sprung nicht glätte, steht die ganze Basis dieser Allianz auf dem Spiel. Ob Roolnai bewusst ist, wie sehr er die Menschen nach deren Standards beleidigt? Ich kann nur hoffen, dass das von ihm nicht beabsichtigt ist.
»Ist falsche Hoffnung ein Schaden? Wo es doch bereits hochgradig unwahrscheinlich ist, die Agentin zu bergen, ohne dabei einen Schaden anzurichten, der es unmöglich macht, sie zu verlässlichem operativem Status wiederherzustellen?« Das war zu oberflächlich, das hätte Roolnai wissen müssen.
»Vielleicht nicht. Ich stelle fest, dass ich müde bin, meine Freunde. Das war ein langer Abend, und offenbar gibt es nicht mehr viel, was wir gemeinsam bewirken könnten.« O’Reilly war aufgestanden und hatte sich abgewandt. In der Körpersprache der Indowy war dies eine Geste höflicher Müdigkeit. Aelool befürchtete, dass das Verhalten eine tiefere Bedeutung ausdrücken könnte. Da er sowohl seinen Freund Nathan wie auch seinen Freund Roolnai kannte, ahnte er, dass eine Fortsetzung des Gesprächs im Augenblick die Spaltung nur noch vertiefen könnte. Er würde sie einzeln bearbeiten müssen.
Roolnai hatte bereits unverzüglich auf höfliche Weise reagiert und bewegte sich in Richtung auf die Tür. Aelool folgte ihm und verhielt kurz in der Tür.
»Freund Nathan, wäre es möglich, unser Schachspiel morgen Nachmittag fortzusetzen? Gibt es eine Zeit, die dir genehm wäre?« Das Angebot war auf dem Tisch. Die Pause beunruhigte ihn einen Augenblick lang.