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Crysania stand vor ihnen an jenem Morgen, und ihre Augen schauten direkt in die Sonne, die sie niemals wieder sehen würde. Die Sonnenstrahlen glitzerten in ihrem schwarzen Haar und rahmten ein Gesicht ein, das durch den Ausdruck eines tiefen beständigen Mitgefühls und Glaubens wunderschön geworden war.

»So wie ich in der Dunkelheit stehe«, sagte sie, ihre klare Stimme erhob sich süß und rein unter dem Gesang der Lerchen, »spüre ich die Wärme des Lichts auf meiner Haut, und ich weiß, daß mein Gesicht auf die Sonne gerichtet ist. Ich kann in die Sonne sehen, denn meine Augen sind für ewig in Dunkelheit gehüllt. Aber wenn ihr, die ihr sehen könnt, zu lange in die Sonne schaut, werdet ihr euer Augenlicht verlieren. Aber auch jene, die zu lange in der Dunkelheit leben, verlieren allmählich das ihre.

Dies ist Elistans Lehre – daß es Sterblichen nicht bestimmt ist, nur an der Sonne oder nur im Schatten zu leben. Beides ist gleichermaßen wichtig. In beiden stecken Gefahren, falls sie mißbraucht werden, beide bieten aber auch ihre Belohnungen. Wir müssen durch unsere Prüfungen des Blutes, der Dunkelheit und des Feuers gehen...« Ihre Stimme zitterte und schlug an dieser Stelle um. Jene, die ganz in ihrer Nähe standen, bemerkten Tränen auf ihren Wangen. Aber als sie weitersprach, war ihre Stimme voller Kraft und Energie. Ihre Tränen glitzerten im Sonnenlicht. »Wir müssen durch diese Prüfungen gehen, wie schon Huma durch sie gegangen ist, mit großem Verlust, mit großem Opfer, aber stark in dem Wissen, daß unser Geist leuchtet und wir vielleicht unter all den Sternen im Universum am hellsten strahlen.

Denn auch wenn einige sich entscheiden, auf den Pfaden der Nacht zu wandeln, und zu dem schwarzen Mond schauen, der sie führt, während andere auf den Pfaden des Tages wandeln, so kann das beschwerliche Wandern auf beiden Wegen, so unwirtlich und steinig sie sein mögen, durch die Berührung einer Hand oder die Stimme eines Freundes erleichtert werden. Die Fähigkeit, zu lieben und Anteil zu nehmen, ist uns allen gegeben – das größte Geschenk der Götter an einen jeden unter dieser Sonne.

Unsere wunderschöne Stadt ist in Flammen untergegangen«, fuhr Crysania fort, und ihre Stimme wurde weicher. »Wir haben viele verloren, die wir liebten, und es mag scheinen, daß das Leben für uns zu einer schweren Last geworden ist. Aber streckt eure Hand aus, und sie wird die Hand eines anderen berühren, der sie euch entgegenstreckt, und gemeinsam findet ihr die Kraft und die Hoffnung, die ihr braucht, um weiterzugehen.«

Als die Kleriker nach den Zeremonien Elistans Leichnam zu seiner letzten Ruhestätte getragen hatten, suchten Caramon und Tolpan Crysania auf. Sie fanden sie bei den Klerikern. Ihre Hand ruhte auf dem Arm einer jungen Frau, die ihre Führerin war.

»Hier sind zwei, die Euch sprechen wollen, Verehrte Tochter«, sagte die junge Klerikerin.

Crysania drehte sich um und streckte ihre Hand aus. »Laß mich euch berühren«, sagte sie.

»Ich bin es, Caramon«, begann der große Mann unbeholfen, »und...«

»Ich«, ergänzte Tolpan mit unterwürfiger, gedämpfter Stimme.

»Ihr seid also gekommen, um euch zu verabschieden.« Crysania lächelte.

»Ja. Wir brechen heute auf«, sagte Caramon und nahm ihre Hand in seine.

»Reist ihr direkt nach Solace?«

»Nein, nicht – jetzt noch nicht«, antwortete Caramon, und seine Stimme wurde leise. »Wir fahren mit Tanis zurück nach Solanthas. Und dann, wenn – wenn ich ein wenig zur Ruhe gekommen bin, werde ich mit dem magischen Gerät nach Solace heimkehren.«

Crysania ergriff fest seine Hand und zog ihn zu sich.

»Raistlin hat seinen Frieden gefunden, Caramon«, sagte sie leise. »Und du?«

»Ich auch, Verehrte Tochter«, erwiderte Caramon entschlossen mit fester Stimme. »Ich habe meinen Frieden gefunden. Schließlich.« Er seufzte. »Ich habe nur das Bedürfnis, mit Tanis zu reden. Ich muß mir über einige Dinge in meinem Leben klar werden und Ordnung schaffen. Und andererseits«, fügte er hinzu und errötete mit einem beschämten Lächeln, »muß ich wissen, wie man ein Haus baut! Als ich damals an unserem gearbeitet habe, war ich die meiste Zeit sturzbetrunken. Ich habe nicht den blassesten Schimmer, was ich da getan habe.«

Er sah sie an, und sie – seines forschenden Blickes bewußt, auch wenn sie ihn nicht sehen konnte – lächelte, ihr blasses Gesicht war leicht errötet. Als er ihr Lächeln sah und auch ihre Tränen, zog Caramon sie an sich. »Es tut mir leid. Ich wünschte, ich hätte dir das ersparen können...«

»Nein, Caramon«, sagte sie leise. »Jetzt sehe ich. Ich sehe klar und deutlich, wie Loralon es versprochen hatte.« Sie küßte seine Hand und drückte sie an ihre Wange. »Leb wohl, Caramon. Möge Paladin mit dir sein.«

Tolpan schniefte.

»Auf Wiedersehen, Crysani – ich meine, Ver...verehrte Tochter«, sagte Tolpan mit leiser Stimme und fühlte sich plötzlich einsam und klein. »Es... es tut mir leid wegen des Durcheinanders, das ich verursacht...«

Aber Crysania unterbrach ihn. Sie wandte sich von Caramon ab, streckte ihre Hand aus und strich seinen Haarzopf zurück. »Die meisten von uns gehen im Licht und im Schatten, Tolpan«, sagte sie, »aber es gibt einige Auserwählte auf dieser Welt, die ihr eigenes Licht mit sich tragen, um den Tag wie auch die Nacht zu erleuchten.«

»Wirklich? Sie müssen aber schrecklich müde werden, immer so ein Licht mit sich herumzuschleppen! Ist es eine Fackel? Es kann keine Kerze sein. Das Wachs würde schmelzen und in ihre Schuhe tropfen und – sag mal, glaubst du, ich könnte so einen mal kennenlernen?« fragte Tolpan interessiert.

»Du bist so einer«, lächelte Crysania. »Und ich glaube nicht, daß du dir jemals Sorgen machen mußt, daß Wachs in deine Schuhe tropft. Leb wohl, Tolpan Barfuß. Ich brauche Paladins Segen für dich nicht zu erbitten, denn ich weiß, daß du zu seinen engen, persönlichen Freunden zählst...«

»Nun«, fragte Caramon abrupt, als er mit Tolpan seinen Weg durch die Menge machte. »Hast du dich entschieden? Was hast du vor? Du hast diese fliegende Zitadelle, Herrscher Amothud hat sie dir geschenkt. Du kannst überallhin auf Krynn. Vielleicht sogar zu einem Mond, wenn du das möchtest.«

»Ach das.« Tolpan, der nach seinem Gespräch mit Crysania ein wenig von Ehrfurcht ergriffen aussah, schien sich nur mit Mühe erinnern zu können, worauf sich Caramon bezog. »Ich habe die Zitadelle nicht mehr. Sie war so schrecklich groß und langweilig, nachdem ich sie einmal gründlich erforscht hatte. Und sie würde nicht zum Mond fliegen. Ich habe es ausprobiert. Weißt du«, sagte er und sah Caramon mit weit aufgerissenen Augen an, »daß deine Nase zu bluten anfängt, wenn du ganz hoch oben in der Luft bist? Und hinzu kommt, daß es äußerst kalt und ungemütlich ist. Außerdem scheinen die Monde ein ganzes Stück weiter entfernt zu sein, als ich gedacht habe. Aber wenn ich das magische Gerät hätte...« Er sah Caramon aus einem Augenwinkel an.

»Nein«, erklärte Caramon streng. »Absolut nein. Das geht an Par-Salian zurück.«

»Ich könnte es ihm bringen«, bot Tolpan hilfsbereit an. »Das würde mir die Gelegenheit geben, ihm zu erklären, daß Gnimsch es repariert hat und warum ich den Zauber gestört habe und – nein?« Er stieß einen Seufzer aus. »Vermutlich nicht. Also, jedenfalls habe ich mich entschlossen, bei dir und Tanis zu bleiben. Wenn ihr mich wollt, heißt das.« Er sah Caramon ein wenig ängstlich an.

Caramon antwortete, indem er seine Hand ausstreckte und den Kender so stürmisch umarmte, daß mehrere Gegenstände in seinen Beuteln zerquetscht wurden.

»Übrigens«, fügte Caramon nach kurzem Nachdenken hinzu, »was hast du mit der fliegenden Zitadelle gemacht?«

»Oh«, Tolpan winkte lässig ab, »ich habe sie Ronnie geschenkt.«

»Dem Gossenzwerg?« Caramon blieb entsetzt stehen.

»Er kann sie nicht fliegen, jedenfalls nicht allein!« versicherte Tolpan ihm. »Obwohl«, fügte er nach einer Pause hinzu, »vermutlich könnte er es, wenn er noch ein paar Gossenzwerge zu Hilfe holt. Ich habe daran noch gar nicht gedacht...«