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»Tanis hat schon immer Rüstungen gehaßt«, kommentierte Tolpan, während er seinen näherkommenden Freund beobachtete. »Und da haben wir ihn in der Rüstung eines Ritters von Solamnia! Ich frage mich, was Sturm davon gehalten hätte! Ich wünschte mir, Sturm wäre jetzt auf der Stelle hier!« Tolpans Unterlippe begann zu zittern. Eine Träne schlich sich auf seine Nase, bevor er sie aufhalten konnte. »Ich wünschte, jemand mit Mut und Klugheit wäre jetzt auf der Stelle hier!«

Als die Ritter kurz vor dem Tor waren, blieb Tanis stehen, drehte sich zu ihnen um und erteilte mit leiser Stimme Befehle. Von oben hörte man das krächzende Geräusch von Drachenflügeln. Als Tolpan aufschaute, sah er Khirsah, der über ihnen kreiste und eine Schar von bronzenen Drachen anführte. Und da war die Zitadelle, die der Mauer immer näher kam und immer tiefer und tiefer sank.

»Sturm ist nicht hier. Caramon ist nicht hier. Niemand ist hier, Barfuß«, murmelte Tolpan und wischte entschlossen über seine Augen. »Und wieder einmal bist du auf dich angewiesen. Nun, was soll ich machen?«

Wilde Gedanken jagten durch sein Gehirn – alles Mögliche, angefangen damit, Tanis die Klinge an die Brust zu halten (»Es ist mein Ernst, Tanis, nimm die Hände hoch«), bis zu der Möglichkeit, ihm einen spitzen Stein an den Kopf zu werfen (»Uh, sag mal, Tanis, würde es dir etwas ausmachen, einen Moment den Helm abzunehmen?«). Tolpan war dermaßen verzweifelt, daß er sogar überlegte, die Wahrheit zu sagen (»Verstehst du, Tanis, wir waren in der Vergangenheit, dann reisten wir in die Zukunft, und Caramon hat dieses Buch von Astinus genommen, gerade als die Welt untergehen sollte, und im vorletzten Kapitel steht, wie du gestorben bist, und...«). Plötzlich sah Tolpan, daß Tanis seinen rechten Arm hob. Er sah etwas Silbernes aufblitzen...

»Das ist es«, sagte Tolpan und stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. »Das werde ich tun – genau das, was ich am besten beherrsche...«

»Egal was passiert, überlaßt mir Lord Soth«, sagte Tanis und sah entschlossen die Ritter an, die um ihn standen. »Ich will, daß ihr mir das schwört – bei dem Kodex und dem Maßstab.« »Tanis, mein Fürst...«, begann Sir Markham.

»Nein, ich werde darüber jetzt keine Diskussionen führen, Ritter. Ohne magischen Schutz habt ihr überhaupt keine Chance gegen ihn. Jeder von euch wird gebraucht, um gegen die Legion des Lords zu kämpfen. Also, entweder schwört ihr diesen Eid, oder ich werde euch des Feldes verweisen. Schwört!«

Hinter dem geschlossenen Tor ertönte plötzlich eine tiefe, hohle Stimme und forderte Palanthas auf, sich zu ergeben. Die Ritter warfen sich Blicke zu und spürten bei dem unmenschlichen Klang Angstschauder durch ihre Körper jagen. Einen Augenblick herrschte Schweigen, das lediglich von dem Knirschen der Drachenflügel über ihnen unterbrochen wurde, wo die riesenhaften Kreaturen – bronzen, silbern, blau und schwarz – kreisten, sich gegenseitig haßerfüllt beäugten und auf den Schlachtruf warteten. Tanis’ Drache Khirsah hielt sich in der Luft in der Nähe seines Reiters auf und war bereit, auf seinen Befehl sofort herunterzugleiten.

Und dann hörten sie die Stimme von Herrscher Amothud – spröde und angespannt, aber fest entschlossen —, der dem toten Ritter antwortete. »Überbringe diese Botschaft deiner Drachenfürstin. Palanthas lebt seit vielen Jahrhunderten in Frieden und Schönheit. Aber wir werden uns weder Frieden noch Schönheit zum Preis unserer Freiheit erkaufen.«

»Ich schwöre«, sagte Sir Markham leise, »bei dem Kodex und dem Maßstab.«

»Ich schwöre«, stimmten die anderen Ritter in den Schwur ein.

»Ich danke euch«, sagte Tanis. Er musterte die jungen Männer einzeln, die vor ihm standen, und dachte daran, daß die meisten nicht mehr lange leben würden... Er dachte an sich... Wütend schüttelte er den Kopf. »Feuerblitz...« Die Worte, die seinen Drachen herbeirufen würden, lagen auf Tanis’ Lippen, als er plötzlich eine Unruhe wahrnahm, die von der hinteren Reihe der Ritter ausging.

»Aua! Geh von meinem Fuß, du großer Ochs!«

Ein Pferd wieherte. Tanis hörte einen der Ritter fluchen, dann antwortete eine schrille Stimme ungeduldig. »Also, das ist nicht meine Schuld! Dein Pferd hat mich getreten! Flint hatte recht, mit diesen dämlichen Viechern...«

Die anderen Pferde, die den bevorstehenden Kampf spürten und bereits von der Spannung ihrer Reiter angesteckt waren, spitzten ihre Ohren und schnaubten nervös. Ein Pferd tänzelte aus der Reihe, sein Reiter griff nach dem Zaumzeug.

»Bringt die Pferde unter Kontrolle!« rief Tanis nervös. »Was ist denn los...«

»Laßt mich durch! Geht mir aus dem Weg! Was? Dir gehört der Dolch? Du mußt ihn fallen gelassen haben...«

Hinter dem Tor hörte Tanis die Stimme des toten Ritters.

»Dann erkauft sie zum Preis eures Lebens!«

Und aus der Reihe vor ihm hörte er eine andere Stimme.

»Tanis, ich bin es, Tolpan!«

Tanis verließ der Mut Einen Augenblick lang war er sich überhaupt nicht sicher, welche Stimme ihn mehr zum Schaudern brachte.

Aber es blieb keine Zeit, darüber nachzudenken oder sich zu wundern. Tanis schaute über seine Schulter und sah, wie sich das Tor zu Eis verwandelte und wie es zersprang...

»Tanis!« Jemand packte ihn am Arm. »O Tanis!« Tolpan klammerte sich an ihn. »Tanis! Du mußt schnell mitkommen und Caramon retten! Er ist auf dem Weg in den Eichenwald von Shoikan!«

Caramon? Caramon ist tot, war Tanis’ erster Gedanke. Aber dann wäre ja auch Tolpan tot. Was ist hier los? Werde ich vor Angst wahnsinnig?

Jemand schrie. Als Tanis sich benommen umschaute, sah er, wie die Gesichter der Ritter unter ihren Helmen leichenblaß wurden, und er wußte, daß Lord Soth und seine Legion durch die Tore traten.

»Steigt auf!« brüllte er, versuchte hektisch, sich von dem Kender loszureißen, der sich hartnäckig an ihn klammerte. »Tolpan! Das ist nicht der rechte Augenblick – verschwinde hier, verdammt!«

»Caramon wird sterben!« plärrte Tolpan. »Du mußt ihn retten, Tanis!«

»Caramon ist... bereits... tot!« knurrte Tanis.

Khirsah landete neben ihm auf dem Boden und stieß seinen Kampfschrei aus. Die anderen Drachen – gute und böse – kreischten voller Zorn und flogen aufeinander zu. Krallen blitzten auf. Sofort war die Schlacht in vollem Gange. Die Luft war erfüllt von aufflackernden Blitzen und dem Geruch von Säure. Von oben aus der fliegenden Zitadelle ertönten Hörner. Man hörte Freudenschreie der Drakonier, die sich begierig auf die Stadt herunterfallen ließen. Ihre Lederflügel breiteten sie aus, um ihren Fall zu dämpfen.

Und immer näher ritt Lord Soth, umgeben von der Eiseskälte des Todes, die aus seinem fleischlosen Körper strömte.

Aber so sehr er sich auch abmühte, konnte sich Tanis nicht von Tolpan befreien. Laut fluchend bekam der Halb-Elf den sich windenden Kender zu fassen. Sein Zorn war jetzt so groß, daß er zu ersticken glaubte; Tanis packte Tolpan um die Taille und schleuderte ihn in eine Nische in einer nahegelegenen Gasse.

»Und dort bleibst du!« brüllte er.

»Tanis!« flehte Tolpan. »Du kannst dort nicht hingehen! Du wirst sterben! Ich weiß es!«

Tanis warf Tolpan einen letzten zornigen Blick zu, drehte sich dann auf dem Absatz um und rannte los. »Feuerblitz!« rief er. Der Drache sauste zu ihm und landete auf der Straße neben ihm.

»Tanis!« kreischte Tolpan schrill. »Ohne dieses Armband kannst du nicht gegen Lord Soth kämpfen!«

2

Das Armband! Tanis sah auf sein Handgelenk. Das Armband war verschwunden! Er wirbelte herum und machte einen Satz auf den Kender zu. Aber es war zu spät. Tolpan flitzte die Straße entlang und rannte, als ob sein Leben davon abhinge. (Was bestimmt den Tatsachen entsprach, entschied Tolpan nach einem Blick auf Tanis’ zornerfülltes Gesicht.)