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»Euer Bein, Frau Gräfin!«

»Zum Teufel mit meinem Bein! Laßt mich! Himmeldonnerwetter! Cathérine! … Das ist doch nicht möglich! … Das ist zu schön, um wahr zu sein!«

Sie zappelte unter den Händen der Schwester, aber schon hatte Cathérine sich auf sie geworfen und drückte sie nieder. Die beiden Frauen umarmten sich leidenschaftlich. Freudentränen waren in die Augen der Jüngeren getreten.

»Ihr habt recht, es ist zu schön! … Es ist ein Wunder! Oh, Ermengarde, es ist so gut, Euch wiederzusehen, so gut … Aber wie kommt Ihr hierher?«

»Und Ihr?«

Ermengarde schob Cathérine sanft zurück und betrachtete sie prüfend.

»Ihr habt Euch nicht verändert … oder nur ganz wenig! Ihr seid immer noch so schön, vielleicht noch schöner? Trotzdem, anders … vielleicht weniger auffallend, aber um wieviel ergreifender! Ich würde sagen: geläutert, vergeistigt! … Zum Teufel, wenn man bedenkt, daß Ihr in einer Boutique auf die Welt gekommen seid!«

»Frau Gräfin«, mischte Schwester Leonarde sich nun mit festem Ton ein, »ich möchte Euch bitten, jede Erwähnung des Herrn Satan in diesen geheiligten Mauern zu unterlassen! Ihr ruft ihn ununterbrochen an!«

Ermengarde wandte sich ihr zu und betrachtete sie mit einem Erstaunen, das nicht gekünstelt war.

»Seid Ihr immer noch da? O ja … stimmt, Eure Zimmerangelegenheit. Gut, quartiert diese faulen Menschen von nebenan aus, schickt sie in den Gemeinschaftssaal, und bringt Eure Kranke an ihrer Stelle unter. Da ich nun Madame de Brazey habe, brauche ich niemand mehr! Und wir haben viel zu besprechen!«

Die so hochfahrend entlassene Schwester kniff die Lippen zusammen, verneigte sich jedoch und ging wortlos hinaus. Die hinter ihr zuschlagende Tür gab genugsam ihr Mißvergnügen kund. Die Gräfin blickte ihr nach, zuckte mit den Schultern und rückte dann schwerfällig auf dem unter ihrem Gewicht ächzenden Bett zur Seite, um ihrer Freundin Platz zu machen.

»Setzt Euch hierher, meine Kleine, und unterhalten wir uns! Wie lange ist es her, seit Ihr mich verlassen habt, um die Stadt Orleans im Sturm zu nehmen?«

»Fünf Jahre«, sagte Cathérine. »Schon fünf Jahre! Wie schnell die Zeit vergeht!«

»Fünf Jahre«, entgegnete Ermengarde, »versuche ich schon vergeblich herauszufinden, was aus einer gewissen Dame de Brazey geworden ist. Das letztemal, als ich Nachricht von Euch hatte, wart Ihr in Loches, Edeldame bei Königin Yolande. Schämt Ihr Euch gar nicht?«

»Doch«, gab Cathérine zu, »aber die Tage sind verronnen, ohne daß ich es merkte. Und dann, liebe Ermengarde, müßt Ihr Euch abgewöhnen, mich Brazey zu nennen. Das ist nicht mehr mein Name …«

»Welcher dann?«

»Der allerschönste: Montsalvy!« erwiderte die junge Frau mit so viel Stolz, daß die alte Gräfin sich eines Lächelns nicht erwehren konnte.

»Ihr habt also gewonnen? Irgendwie habt Ihr mich schon immer in Erstaunen versetzt, Cathérine! Welche alchimistischen Kunststückchen habt Ihr angewandt, um eine Verbindung mit dem unzugänglichen Messire Arnaud zustande zu bringen?« Das beim Namen ihres Gatten sich zeigende Lächeln Catherines verschwand, und eine schmerzliche Falte grub sich um ihren zarten Mund.

Sie wandte die Augen ab.

»Das ist eine lange Geschichte …«, murmelte sie. »Eine grausame Geschichte …«

Die Dame de Châteauvillain verharrte einen Augenblick in Schweigen. Sie betrachtete ihre Freundin, bewegt von deren Schmerz, den Cathérine zum erstenmal hatte sehen lassen und dessen Tiefe sie instinktiv erfaßte. Sie wußte nicht, wie sie die Zwiesprache weiterführen sollte, da sie fürchtete, Cathérine zu verletzen. Nach einem Augenblick sagte sie mit bei ihr ungewohnter Zartheit:

»Ruft eine meiner Frauen. Sie wird Euch helfen, Eure durchnäßten Kleider auszuziehen, wird sie trocknen lassen und Euch andere besorgen … ein wenig zu große, aber warme. Man wird uns das Souper aufs Zimmer bringen, und Ihr erzählt mir alles. Ihr scheint erschöpft …«

»Das bin ich wahrhaftig!« gab Cathérine mit einem schwachen Lächeln zu. »Aber vorher muß ich mich noch um eine meiner Gefährtinnen kümmern, diejenige, die so dringend ein Zimmer brauchte.«

»Ich werde Anweisung geben …«

»Nein«, unterbrach Cathérine. »Ich muß selbst gehen. Aber ich bin gleich wieder zurück.«

Sie trat im selben Augenblick in den Gang hinaus, in dem man Gillette in das benachbarte Zimmer brachte, das von den beiden Kammerfrauen Ermengardes frei gemacht worden war. Die Frau, die Cathérine versprochen hatte, auf die Kranke aufzupassen, war auch da … Sie lächelte die junge Frau an.

»Es heißt, Ihr habt eine alte Freundin in diesem Haus wiedergetroffen«, sagte sie. »Wenn Ihr wollt, werde ich mich heute nacht um unsere Gefährtin kümmern. Sie ist weder anspruchsvoll noch aufsässig.«

»Das möchte ich nicht«, sagte Cathérine. »Auch Ihr braucht Ruhe!«

Die andere lachte.

»Ach, ich bin kräftiger, als es den Anschein hat! Ich kann überall schlafen, auf Steinen, im Regen, ja sogar im Stehen!«

Cathérine betrachtete sie interessiert. Es war eine junge Frau in den Dreißigern, klein, braun und schmal, aber ihre von Wind und Sonne gebräunte Haut strömte Gesundheit aus, ein Eindruck, der noch durch die festen weißen Zähne betont wurde. Sie war ärmlich, aber anständig angezogen. Und was ihr Gesicht betraf, so verliehen die leichte Stubsnase und der große, lebhafte Mund ihm eine Art Lustigkeit, die der jungen Frau gefiel.

»Wie heißt Ihr?« fragte sie freundlich.

»Margot! Aber man nennt mich Margot la Déroule … Ich … ich bin nicht sehr achtbar!« fügte sie mit einer bescheidenen Offenheit hinzu, die Cathérine rührte.

»Ach was!« sagte sie. »Die Pilger sind alle Brüder und Schwestern. Ihr seid soviel wert wie jeder von uns … Aber vielen Dank für Eure Hilfe! Ich werde im benachbarten Zimmer sein. Ruft, wenn Ihr mich braucht.«

»Seid beruhigt«, versicherte Margot, »ich werde mir schon allein helfen können. Übrigens, die arme Gillette braucht vor allem eine gute Suppe und einen langen Schlaf … obgleich unser Chef daran denkt, sie sich vom Hals zu schaffen!«

»Was hat er zu ihr gesagt?«

»Daß er sie morgen nicht mit uns weiterziehen lassen werde, weil er keine Kranken bis nach Compostela mitschleppen wolle.«

Cathérine runzelte die Stirn. Dieser Gerbert schien entschlossen, allen seinen Willen aufzuzwingen, aber sie nahm sich schon vor, dies nicht zu dulden. »Das werden wir ja sehen!« sagte sie. »Morgen ist auch noch ein Tag. Und ich werde diese Frage mit ihm regeln. Wenn unsere Schwester nicht hierzubleiben wünscht, wird sie mit uns aufbrechen!«

Sie warf Margot noch ein letztes Lächeln zu, die sie bewundernd ansah, und trat wieder in Ermengardes Zimmer.

Es war schon spät in der Nacht, als Cathérine zu sprechen aufhörte, aber im romanischen Hof des Hospizes läutete noch immer die Glocke der Verlorenen, Catherines Erzählung gleichsam einen seltsamen Kontrapunkt gebend, der die tragische Seite ihres Berichts unterstrich. Diesen Bericht hatte Ermengarde sich von Anfang bis Ende wortlos angehört, doch als Cathérine schwieg, stieß die alte Dame einen Seufzer aus und schüttelte den Kopf.

»Wenn eine andere als Ihr mir diese Geschichte erzählte, würde ich nicht die Hälfte glauben«, sagte sie. »Aber es scheint, daß Ihr für ein außergewöhnliches Schicksal geschaffen und auf die Welt gekommen seid. Und ich halte Euch für fähig, die schlimmsten Abenteuer zu bestehen. Schließlich, Euch im Pilgermantel wiederzutreffen ist nicht nur eine einfache Anekdote! … Also, Ihr seid auf dem Weg nach Compostela? Wenn Ihr Euren Gatten dort aber nicht findet?«

»Dann werde ich weiterziehen. Bis ans Ende der Welt, wenn nötig, denn ich werde weder rasten noch ruhen, bis ich ihn gefunden habe.«

»Und wenn er keine Heilung erlangt hat und die Verwüstungen der Lepra deutlich zu sehen sind?«