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Jäh unterbrach der Erzbischof seine amouröse Litanei, wandte sich zu Cathérine um und drückte ihr heftig den Ring wieder in die Hand.

»Bewahrt ihn, versteckt ihn! Ich darf mich von einem Edelstein dieser Schönheit nicht in Versuchung führen lassen, denn sie macht mich schwach.«

»Ich hoffte eigentlich«, sagte die junge Frau leise, »Eure Hoheit würden ihn als Dank für die meinem Diener so sorgsam erwiesene Betreuung und die mir gewahrte großzügige Gastfreundschaft annehmen.«

»Ich wäre gemein und meines Namens nicht würdig, meine Teure, wenn ich das eine wie das andere einer Frau meines Ranges nicht reichlich zuteil werden ließe. Ich möchte nicht dafür bezahlt werden, da meine Ehre dies nicht zuließe. Und es wäre eine königliche Bezahlung, denn dieser Stein trägt obendrein noch das Wappen einer Königin …«

Langsam streifte Cathérine unter dem leidenschaftlichen Blick Don Alonsos den Ring über ihren Finger, unterdrückte aber ein enttäuschtes Lächeln. Sie hatte beschlossen, ihrem Gastgeber den kostbaren Ring anzubieten, in der Hoffnung, schließlich zur Besichtigung der Sammlung eingeladen zu werden, als deren Kustos Fray Ignacio waltete. In den fast zehn Tagen, die sie jetzt in Coca war, hatte sie das beunruhigende Gesicht nie wiedergesehen, dem zu begegnen sie sehnlichst wünschte, obwohl sie sich gleichzeitig davor fürchtete. Fray Ignacio war verschwunden, als hätten die Mauern des roten Schlosses ihn verschluckt. Und Cathérine fühlte von Augenblick zu Augenblick die grausame Neugier in ihr wachsen, die sie verzehrte. Sie mußte Gewißheit haben. Und zwar zu welchem Preis auch immer! Aber wie konnte sie ohne einen triftigen Grund mit Don Alonso darüber sprechen?

Es kam ihr ein ziemlich heuchlerischer Gedanke. Aber sie zögerte nicht, ihn in die Tat umzusetzen. Sie mußte in diese Geheimgemächer eindringen, in denen der Alchimist wohnte. Nachdenklich den Ring an ihrem Finger drehend, sagte sie leise, die Augen auf den Stein gesenkt:

»Offenbar ist dieser Stein nicht ganz vollkommen … zweifellos unwürdig, unter die Preziosen Eurer Sammlung aufgenommen zu werden … von der es heißt, es gebe nicht ihresgleichen.«

Eine Welle des Stolzes überzog purpurrot das Gesicht des Erzbischofs. Er lächelte die junge Frau mit absolutem Wohlwollen an und schüttelte heftig den Kopf.

»Meine Sammlung ist in der Tat schön! Aber nicht ihresgleichen? … Das glaube ich nicht. Es gibt Fürsten mit besseren Kollektionen, doch, so wie er ist, kann mein bescheidener Schatz sich sehen lassen, und ich versichere Euch, daß ich diesen Stein nicht verschmähen würde, weit entfernt davon. Wenn ich ihn ablehne, so aus den Gründen, die ich Euch genannt habe, aus keinen anderen. Und hier der Beweis dafür: Wenn Ihr mir den Ring verkaufen wollt, würde ich ihn mit Freuden annehmen!«

»Er ist ein Geschenk«, seufzte Cathérine, die ihre Hoffnung schwinden sah. »Ich kann ihn nicht verkaufen …«

»Das ist ganz natürlich. Was meine Kollektion anlangt, so wäre ich glücklich, sie Euch zu zeigen … damit Ihr vergleichen und Euch vergewissern könnt, daß Euer Ring sie nicht verunzieren würde, ganz und gar nicht.«

Mit Mühe unterdrückte Cathérine ihre Freude. Sie hatte gewonnen, und begierig folgte sie ihrem Gastgeber durch das Labyrinth der Flure und Säle des Schlosses. Dann über eine Treppe, denn statt die junge Frau in die oberen Räume seines Wohnsitzes zu führen, wandte er sich diesmal den Kellern zu. Eine schmale, unter den blauen Azulejos des Audienzsaales verborgene Pforte gab eine Wendeltreppe frei, die ins Erdinnere hinunterführte. Eine Treppe, die häufig benutzt zu werden schien, denn sie war von zahlreichen Fackeln gut beleuchtet. Die Stufen waren niedrig, breit und bequem, und an einer dicken, an der Mauer angebrachten Seidenkordel konnte man sich festhalten. Die Wände selbst verschwanden unter gestickten Behängen. Und was die Pracht des Saals betraf, in den die Wendeltreppe mündete, so war sie einfach verblüffend. Wenn man die kostbaren Gobelins an den Wänden sah, die Brokatkissen auf den Sitzen, den goldeingelegten Tisch mit den mit Edelsteinen besetzten Pokalen und kostbaren Wasserkannen, die aus dem fernen China stammenden, da und dort auf dem roten Marmorboden verstreuten Seidenteppiche und die vergoldeten Kerzenständer, die ganze Wälder hoher weißer Kerzen trugen, erriet man, daß Don Alonso sich lange und häufig in diesem Raum aufhalten mußte, um den Inhalt der einen oder anderen großen Truhe aus duftendem Zedernholz oder goldbeschlagenem Sandelholz oder bemaltem und vergoldetem Leder zu betasten und in die Hand zu nehmen. Alle waren mit starken Bronzeschlössern versehen, die beinahe unüberwindlich schienen. Im Hintergrund dieses Raums, der länger als breit war, bemerkte Cathérine ein weit schlichter wirkendes Gewölbe. Auf einem großen Backsteinofen brodelte dort eine grüne Flüssigkeit in einem hohen Kolben, der mittels eines langen Rohrs mit einer riesigen Kupferwanne verbunden war, in der etwas rauchte. Zweifellos hatte sie die Küche des Alchimisten vor sich. Aber sie hielt sich nicht weiter damit auf, die Ausstattung im einzelnen zu betrachten; ihr Herzschlag setzte aus, ihre Lippen wurden trocken, sie hatte soeben neben einer der grünen, kleinen, schmalen Marmorsäulen, die das Gewölbe trugen, die ernste Gestalt Fray Ignacios entdeckt. Vor einer offenen Truhe stehend, prüfte der geheimnisvolle Mönch sorgfältig einen Topas von außergewöhnlicher Größe und Farbe. Er war derart in sein Tun versunken, daß er nicht einmal den Kopf gewandt hatte, als Don Alonso und Cathérine den Fuß in die Schatzkammer gesetzt hatten. Sein Herr mußte ihm die Hand auf die Schulter legen, damit er aufblickte. Cathérine erstarrte, als sie, voll angestrahlt vom Licht eines nahen Kerzenständers, das Gesicht ihres ersten Gatten erkannte. Sie spürte, wie ihr der Schweiß auf die Stirn trat und das Blut zum Herzen zurückströmte. Dem Ersticken nahe, preßte sie nervös die Hände aneinander, um ihrer Erregung Herr zu werden. Nichts ahnend von dem Sturm, der im Herzen seines Gastes tobte, richtete Don Alonso schnell ein paar Worte an Fray Ignacio, der zustimmend nickte. Dann wandte er sich der jungen Frau zu.

»Das ist Fray Ignacio, Dame Cathérine. Er ist ein geistreicher Mensch und gleichzeitig eine wahrhaft heilige Seele; hinzu kommt, daß er auf Grund seiner alchimistischen Forschungen auf dem Gebiet der Zusammensetzung der Edelsteine von seinesgleichen als eine Art Zauberer angesehen wird. Bei mir hat er die Ruhe und die für seine Arbeiten günstige Sammlung gefunden, ebenso wie die Mittel, sie zum guten Ende zu führen. Außerdem kenne ich auf dem Gebiet der Edelsteine keinen kompetenteren Fachmann als ihn. Zeigt ihm nun Euren Ring …«

Die junge Frau, die sich bis dahin im Schatten einer Säule gehalten hatte, trat ein paar Schritte vor, erschien im vollen Licht und hob kühn den Kopf, um dem Mönch direkt ins Gesicht zu blicken. Angst krampfte ihr Herz zusammen, als das einzige Auge Fray Ignacios sich auf sie richtete, aber sie hatte genügend Gewalt über sich, um nichts zu zeigen. Prüfend musterte sie dieses aus dem Nichts hervorgetretene Gesicht, mit einer wilden Gier auf ein Zucken, ein Anzeichen der Bestürzung, der Unruhe lauernd … Doch nein! Fray Ignacio neigte mit ernstem Anstand den Kopf, um die Frau zu grüßen, die in ein auf ihre Augen abgestimmtes veilchenblaues, durch einen Goldgürtel über einem weißen Seidenrock geschürztes Samtgewand gekleidet war.

Nichts in seinem verschlossenen Gesicht deutete das geringste Anzeichen eines Erkennens an.

»Nun?« sagte Don Alonso ungeduldig. »Zeigt ihm den Smaragd …«

Sie hob die schmale Hand in dem weißseidenen, goldverschnürten Ärmel, der ihre Finger zum Teil bedeckte, und hielt den Ring ins Licht, aber ihr Blick blieb fest auf dem Mönch haften. Ohne Erregung ergriff dieser die ihm dargebotene Hand, um den Stein zu prüfen. Seine Finger kamen ihr trocken und warm vor. Bei ihrer Berührung begann Cathérine zu zittern. Fray Ignacio warf ihr einen fragenden Blick zu, machte sich aber sofort wieder an die Prüfung des Steins, die günstig ausgefallen sein mußte, denn er schüttelte mit einer Bewunderung den Kopf, die in ihrem Übermaß die nervöse Erbitterung Catherines noch steigerte. War dieser Mann denn stumm? Sie wollte seine Stimme hören.