Als Gédéon sah, daß alle so herzhaft lachten, glaubte er, die Höflichkeit erfordere es, daß auch er in das Konzert einstimme: »Ha, ha, ha, ha!« krächzte er. »Ca…thérine! Unaussssstehliche Cathérrrrine! Rrrruhm … dem Herrrzog!« Ein Kissen, das Gauthier ihm mit sicherer Hand an den Kopf warf, schnitt ihm das Wort ab.
10
Auf einer mit einem roten Badelaken bedeckten Marmorbank ausgestreckt und sich zwingend, an nichts zu denken, wie man es ihr geraten hatte, überließ Cathérine sich der Pflege Fatimas und ihrer Gehilfinnen. Sie schloß sogar die Lider, um nicht in die großen weißen Augen Fatimas blicken zu müssen, die noch häßlicher war, als Abu al-Khayr ihr angekündigt hatte.
Sie war eine riesige Äthiopierin, schwarz wie die Nacht und offenbar mit Bärenkräften versehen. Ihr schwarzes, dichtes, krauses Haar war kurz wie das eines Mannes, jedoch schon von einigem Grau durchzogen, und ihre großen Augen rollten in den Höhlen, versanken in einer weißgelblichen Hornhaut, die von feinen roten Äderchen durchzogen war. Wie ihre beiden Gehilfinnen war sie bis zur Taille nackt, und ihre schwarze Haut glänzte vor Schweiß, ihre riesigen, melonengleichen Brüste hüpften schwerfällig im Rhythmus ihrer Bewegungen. Von Zeit zu Zeit zog sie ihre dicken roten Lippen zurück, entblößte ihre blitzendweißen Zähne und machte sich dann wieder daran, den Körper der jungen Frau mit ihren Händen, die die Größe von Wäscheklopfern hatte, durchzukneten. Als Cathérine, fest in einen weiten grünen Umhang gehüllt, auf einem Esel in feierlicher Begleitung Abu al-Khayrs und der beiden stummen Schwarzen drei Schritte dahinter in der Badeanstalt angekommen war, hatte Fatima untertänigst gegrüßt, um sich dann mit dem Arzt in eine Unterhaltung von solchem Tempo zu stürzen, daß Cathérine bestimmt kein Wort verstanden hätte, wenn Abu sie nicht vorher unterrichtet hätte, was er sagen würde, um die Anwesenheit einer blonden Fremden in seinem Haus zu erklären.
Die Idee war einfach und außerdem noch einigermaßen erstaunlich, wenn man das Mißtrauen kannte, das der kleine Arzt Frauen gegenüber hegte: Er habe diese schöne blonde Sklavin von einem Barbarenschiff gekauft, das in Almeria zwischengelandet sei, und schätze, er werde an ihr in seinen alten Tagen seine Freude haben, wenn Fatima einmal ihre unübertreffliche Kunst an ihr praktiziert und sie würdig gemacht habe, das Lager eines anspruchsvollen Gläubigen zu teilen. Aber er hatte von der dicken Äthiopierin verlangt, daß sie sie anderen Kundinnen stets fernhalte, weil er fürchte, wie er sagte, daß über die Nachricht von seiner großartigen Erwerbung geklatscht würde. Die prüde Miene, die niedergeschlagenen Augen und das Getue ihres Freundes hatten Cathérine fast zum Lachen gebracht, aber Fatima sah nur Feuer. Oder vielmehr schloß sie aus den schönen Golddinaren, die aus der Hand ihres Klienten rollten, daß der weise Abu al-Khayr sehr verliebt sein mußte und man sich nicht auf den äußeren Schein verlassen durfte. Der da, mit all seiner Würde und Geringschätzung, war alles in allem auch wie die anderen! Ein schönes Mädchen kam bei ihm immer ans Ziel …
Sie machte sich alsbald ans Werk. Im Handumdrehen von zwei Maurinnen entkleidet, die ebenso mager waren wie ihre Herrin fett, fand sie sich auf einem Holzschemel in einem ganz mit Mosaiken verkleideten, von Dampf erfüllten Raum wieder. Dort ließ man sie eine gute halbe Stunde schwitzen, worauf die beiden Bademeisterinnen sie halb erstickt auf die Massagebank transportierten, wo Fatima, die Fäuste in den Hüften, sie wie der Henker sein Opfer erwartete.
Cathérine wurde wie Brotteig auf dem Tisch ausgebreitet, dann zog Fatima, ohne einen Augenblick zu verlieren, einen Handschuh aus rauher Wolle über die rechte Hand, packte mit der anderen einen großen Topf mit einer ockerfarbenen, teigartigen Lehmmasse und begann, ihre Klientin in irrsinnigem Tempo einzuschmieren. Im Nu war die junge Frau in eine Art Schlammstatue mit ein paar Löchern für die Augen und die Atmung verwandelt. Die kräftigen Hände Fatimas massierten sie mit diesem Lehm, dann wusch man sie unter einer Dusche ab, hüllte sie in ein großes, feines Wolltuch und brachte sie auf einen anderen Tisch mit einer bogenförmigen Stütze für den Hals, so daß das Haar frei herunterhängen konnte.
Catherines Haar wurde mehrmals eingeseift, gespült, nochmals gespült, mit parfümiertem Öl getränkt, dann wieder gewaschen und schließlich mit einer Essenz aus Jasmin eingerieben. Während der ganzen Zeit, die diese Arbeitsgänge dauerten, hatte sie die Stimme der dicken Fatima nicht ein einziges Mal gehört. Sie machte erst den Mund auf, als ihre Klientin, ein trockenes Handtuch um den Kopf und in einen feinen, weißwollenen Bademantel gehüllt, auf einer Art Ruhebett inmitten unzähliger Kissen ruhte.
Zuerst klatschte Fatima in die Hände, worauf ein Eunuch mit einem großen Kupfertablett erschien, auf dem eine Menge kleiner Schüsseln stand.
Dieses Tablett stellte er auf einen niedrigen Tisch neben dem Ruhebett. Fatima, die es nicht für nötig befunden hatte, ihre Blöße zu bedecken, als der Eunuch eingetreten war, zeigte auf das Tablett.
»Du wirst alles essen, was da draufsteht«, sagte sie zu Cathérine.
»Alles?« rief die junge Frau bestürzt. In der Tat konnte sie auf dem Tablett mehrere Arten Fleischkugeln dampfen sehen, zwei Suppen, von denen die eine ebenfalls Fleischklöße zu enthalten schien, in Essig eingelegte Gurken, geröstete Auberginen, eine Art Ragout in einer würzigen Sauce und schließlich mehrere Kuchensorten, die von Honig glänzten und mit Mandeln bespickt waren. Selbst Gauthier hätte davon satt werden können! »Das könnte ich nie alles essen!« sagte sie mit einer Schüchternheit, die durch die imposante Erscheinung Fatimas zu erklären war, aber die Bademeisterin ließ sich nicht im geringsten rühren.
»Du wirst dir die nötige Zeit dazu nehmen, aber du mußt alles essen! Versteh mich wohl, Licht des Morgens: Dein Herr Abu al-Khayr hat dich mir anvertraut, auf daß ich das schönste Geschöpf des ganzen Islams aus dir mache. Und ich habe meinen Ruf zu erhalten. Du kommst mir hier nicht heraus, bis dein Körper so lieblich wie Rosensorbett geworden ist!«
»Ich komme hier nicht heraus?« wiederholte Cathérine. »Was willst du damit sagen?«
»Daß du dieses Haus nur verlassen wirst, um ins Bett deines Herrn zu gehen und ihm Freude zu bereiten«, versicherte die Negerin gelassen. »Bis zu diesem Tag ist dies deine Wohnung. Hier wirst du bedient, gepflegt und beaufsichtigt werden wie …«
»Wie eine Mastgans!« brauste Cathérine auf. »Aber ich will nicht! Ich werde hier vor Langeweile umkommen!«
»Dazu wirst du gar keine Zeit haben! Du bist zwar schön, aber gräßlich mager, deine Haut ist trocken. Es gibt viel zu tun. Und dann wirst du dich im Garten ergehen und die frische Abendluft auf der Terrasse genießen können. Schließlich wirst du, gebührend verschleiert und unter gutem Geleit, von Zeit zu Zeit einen Spaziergang in die Stadt machen. Glaube mir, du wirst keine Zeit haben, dich zu langweilen! Im übrigen wird die Dauer deines Aufenthalts hier von deinem guten Willen abhängen. Je eher du bereit bist, desto schneller kommst du hier heraus … obwohl ich die Eile nicht begreife, mit der du nach den Liebkosungen des kleinen Arztes verlangst, der zwar viel Hirn hat, aber wenig Muskeln und ein armseliger Liebhaber sein muß. Iß!«
Und mit diesem nachdrücklichen Befehl ging Fatima hinaus und ließ Cathérine unschlüssig zwischen Wut und Lachlust zurück. Wie hatte Abu es wagen können, sie bei dieser Frau einzusperren! Er hatte sich wohl gehütet, ihr zu sagen, daß sie erst dann zu ihm zurückkehren werde, wenn sie ihren ganzen Charme wiedererlangt habe, denn er wußte sehr wohl, wie sie darauf reagiert hätte. Übrigens ließ sich nicht schwer erraten, daß er sie, als er sie diesem schwarzen Dickwanst anvertraut hatte, vor ihren eigenen Impulsen sichern und sich selbst Zeit zum Überlegen geben wollte. Im Grunde war es hinterlistig! Das beste war, zu gehorchen.