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Folgsam schlang sie den Inhalt ihres Tabletts hinunter, trank mit Mißtrauen zuerst, dann mit zunehmendem Genuß Pfefferminztee, heiß, stark und gut gezuckert … und schlief darauf ganz natürlich ein. Als sie erwachte, stand Fatima neben ihrem Diwan, breit grinsend und ihre kräftigen weißen Zähne entblößend.

»Du hast zwei Stunden geschlafen!« verkündete sie ihr triumphierend. »Und du hast alles aufgegessen: gut so! Wir werden uns verstehen. Jetzt können wir fortfahren.«

Zwei Dienerinnen hoben sie vorsichtig, als wäre sie eine Kristallvase, von ihrem Diwan und brachten sie in den Raum der Enthaarung, wo sie eine Spezialistin mit Hilfe einer dicken Paste aus Kalk und Rauschgelb von jedem überflüssigen Flaum befreite, während eine Friseuse ihr Haar mit zartem Henna bestrich, das, einmal entfernt, ihrem Haar einen wundervollen rotgoldenen Glanz verlieh. Danach übergab man sie wieder den Händen Fatimas. Die Bademeisterin rieb den ganzen Körper ihrer Klientin mit einem ätherischen Öl ein und begann dann, sie zu massieren.

Diesmal überließ sich Cathérine der Prozedur mit echtem Vergnügen.

Die schwarzen Hände Fatimas konnten eine unerbittliche Festigkeit, doch ebenso auch erstaunliche Sanftheit beweisen. Zweifellos um sie zu ermutigen, erklärte die Äthiopierin, während sie den Bauch der jungen Frau energisch bearbeitete:

»Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du selbst mit der Prinzessin Zobeida, der Perle des Harems, wetteifern können.«

Der Name ließ Cathérine zusammenzucken. Sie wurde sofort aufmerksam und fragte, ohne sich den Anschein eines besonderen Interesses zu geben:

»ich habe von ihr gehört. Kennst du sie? Man sagt, sie sei sehr schön …«

»Gewiß, ich kenne sie. Sie hat sich sogar einmal nach einer Krankheit meiner Behandlung anvertraut. Sie ist das schönste Pantherweibchen des ganzen Orients. Sie ist grausam, wild, feurig, aber schön! O ja, bewunderungswürdig schön! Und sie weiß es ganz genau. Zobeida ist stolz auf ihren Körper, dessen Vollkommenheit sie kennt, auf ihre Brüste, nach denen man makellose Schalen formen könnte … und sie verbirgt sie nicht im geringsten. In ihren Gemächern und in ihrem Privatgarten trägt sie nichts als ganz durchsichtige Musselinstoffe und wunderbare Juwelen, um die Augen ihres Geliebten zu ergötzen.« Plötzlich schluckte Cathérine.

»Ihres Geliebten?«

Fatima drehte Cathérine wie einen Eierkuchen herum, um ihr den Rücken zu massieren. Dann lachte sie höhnisch.

»Ich müßte eigentlich ›ihrer Geliebten‹ sagen, denn in den Basaren flüstert man, daß nächtens mehr als ein schöner Krieger durch eine geheime Pforte in die Gemächer der Prinzessin eingelassen wird, um ihren Liebeshunger zu stillen. Manchmal sogar, heißt es, habe Zobeida sich an besonders muskulösen Sklaven gütlich getan … deren Leichen man dann in den Abzugsgräben der Alhambra finde …«

Cathérine schwankte zwischen Unruhe und Erleichterung. Einerseits, wenn Zobeida eine Art Messalina war, konnte man ihr die Beute vielleicht leichter entreißen … Andererseits jedoch, wer konnte wissen, ob nicht Arnaud ein ähnliches Schicksal erwartete? Warum mußte Fatima hinzufügen:

»Aber seit einigen Monaten regen sich die spitzen Zungen der Klatschweiber an den Brunnen und in den Karawansereien nicht mehr so auf. Zobeida hat nur noch einen Geliebten, einen gefangenen Franken, nach dem sie verrückt ist, und niemand tritt mehr durch die geheime Pforte, die zu ihren Gärten führt.«

»Hast du diesen Mann gesehen?« fragte Cathérine.

»Einmal. Er ist schön, kraftvoll, hochmütig und schweigsam. In gewisser Hinsicht ähnelt er Zobeida; er ist wie sie ein Raubtier, ein wildes Tier … Ah! Ihrer Liebe mangelt es sicherlich nicht an Heftigkeit und Leidenschaft, und ihre Liebkosungen …«

Das war mehr, als Cathérine ertragen konnte.

»Schweig!« rief sie. »Ich befehle dir zu schweigen!«

Über die plötzliche Heftigkeit dieser folgsamen Klientin verblüfft, hielt Fatima inne und betrachtete sie einen Augenblick, während sie mechanisch die öligen Hände an dem Schurz abwischte, den sie um die Hüften trug. Die junge Frau hatte den Kopf in die Arme gebettet, um die aufsteigenden Tränen zu verbergen. Plötzlich verklärte ein langsames Lächeln das Mondgesicht der Negerin. Es schien ihr, daß sie den Grund der jähen Verzweiflung ihrer Klientin verstand …

Sie beugte sich zu dem ausgestreckten Körper hinunter, nachdem sie sich vergewissert hatte, daß niemand sie hören konnte. »Ich kann mir denken, was dich betrübt, Licht des Morgens. Es ist dir peinlich, den schönen Geliebten Zobeidas erwähnt zu hören, nachdem es dir nur bestimmt ist, die Zärtlichkeiten eines entkräfteten und schon gealterten Mannes zu empfangen. Und meiner Meinung nach hast du recht, denn deine Schönheit verdient Besseres als das Bett eines Arztes … Aber tröste dich, meine Schöne, es kann sein, daß sich etwas Besseres findet …« Cathérine hob ihr gerötetes, verweintes Gesicht.

»Was willst du damit sagen?«

»Nichts. Ich halte die Ohren offen. Es ist noch zu früh, darüber zu sprechen! Schau, was du mit deinem Gesicht angestellt hast, kleine Dumme! Laß mich machen …«

Bei Anbruch der Nacht verwandelten sich die Terrassen der Häuser von Granada in seltsame Gärten. Alle Frauen in ihren weichen, dunklen Schleiern, von Goldflitter funkelnd oder mit Gemmen geschmückt, es sei denn, daß sie nichts anderes als ihre jugendliche Frische vorzuzeigen hatten, kamen auf ihren jeweiligen Dächern zusammen, um die sanfte Abendluft zu genießen, Süßigkeiten zu knabbern oder Klatsch von einer Terrasse zur anderen auszutauschen. Selbst die bescheidenste Dienerin, die keine Ausgeherlaubnis hatte, ging aufs Dach, um frische Luft zu schnappen. Die Männer zogen es vor, auf die Plätze zu gehen, um sich zu unterhalten, den Märchenerzählern zu lauschen oder die Kunststücke der Komödianten zu bewundern, sofern die muselmanische Sekte, der sie angehörten, ihnen nicht gestattete, eins der Freiluftkabaretts zu besuchen, die oft in den Gärten eingerichtet waren, wo sie sich vergnügen, Wein trinken und die Darbietungen der Tänzerinnen betrachten konnten.

Cathérine hatte an diesem Abend, während Fatima es ihr in einem Berg von Seidenkissen bequem machte, unter dem nächtlichen Himmel das eigenartige Gefühl, sich gehäutet zu haben. Einmal, weil sie ein außergewöhnliches Wohlgefühl empfand und sich zugleich unbeschwert und entspannt fühlte, und dann, weil das neue Gesicht, das Fatima ihr gegeben hatte, ihr fremd und anziehend zugleich vorkam. Sie hatte mindestens eine Stunde in einem großen, mit lauwarmem Wasser gefüllten Bassin gelegen, während eine am Rand kauernde Sklavin ihr Früchte reichte, die sie für sie geschält hatte. Darauf hatte man sie, bevor man sie in diese sonderbaren Gewänder gekleidet hatte, geschminkt. Ihre Zähne waren mit einer besonderen Paste eingerieben, ihre Lippen mit einem schönen Rot gefärbt worden, und ihre mit Kohle schattierten Augen schienen so riesig, als ob sie ihr bis zum Haaransatz reichten. Ihre lackierten Nägel glänzten wie rötliche Gemmen, und sie fühlte sich wunderbar bequem in ihren neuen Kleidern: weite rosafarbene Musselinhosen, die mit einem breiten Gürtel aus Silberschmiedearbeit an der Hüfte abschlossen und Taille und Bauch nackt ließen, worüber sie ein rosaseidenes Jäckchen mit kurzen Ärmeln trug. Auf dem Kopf hielt ein rundes Käppchen den riesigen rosa Schleier zusammen, in den sie sich hatte hüllen lassen müssen, um auf dem Dach zu erscheinen.

Eine ganze Weile verharrten Fatima und ihre einzige Klientin in Schweigen (Cathérine hatte erfahren, daß, solange sie in Behandlung war, die Badeanstalt für alle anderen geschlossen blieb, eine verrückte Freigebigkeit Abus, der die dicke Bademeisterin damit tief beeindruckt hatte). Die Nacht war außergewöhnlich mild, von Jasmin- und Orangenduft durchdrungen. Von der Terrasse aus war der Anblick der Stadt, deren Gassen und noch offene Basare durch eine Vielzahl von Öllampen erleuchtet waren, zauberhaft und für eine Frau unerwartet, die an die dunklen Städte des Abendlandes und an ihre durch den Zapfenstreich in Räuberhöhlen verwandelten Straßen gewöhnt war. Das Bild fesselte Cathérine ungemein. Eine seltsam durchdringende zarte Musik, die aus einem der Kabarette kommen mußte, drang zu der jungen Frau empor und kämpfte gegen das sanfte Tosen des benachbarten Sturzbaches an.