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Die alte Frau gab tatsächlich Anzeichen von Unruhe zu erkennen. Sie hatte das Brunnenbecken verlassen und kam mit großen Schritten näher, eine Frau, die keine Zeit mehr zu verlieren hat. Als Fatima sie kommen sah, nahm sie mit der schnellen Bewegung eines Taschenspielers den mit Safran gefärbten Schleier Catherines ab und ließ ihr mit Goldfäden durchflochtenes Haar im Sonnenlicht schimmern, enthüllte ihre rassige, von den weiten blaßgelben Musselinhosen und dem kurzen, golddurchwobenen Bolero, dessen tiefer Ausschnitt bei jeder Bewegung ihren Busen zu entblößen drohte, kaum verborgene Gestalt … Hinter ihrem malvenfarbenen und grünen Schleier sah Cathérine die Augen der Alten aufblitzen, die nun mit nervöser Bewegung den Stoff zurückschob und die gelbe, faltige, vertrocknete Haut und das Raubtierprofil einer alten, mit Schmuck überladenen Jüdin sehen ließ; einen schlaffen, zahnlosen Mund, dessen Lächeln nur noch eine häßliche Grimasse war. Nur die mit auffallenden Ringen bedeckten Hände waren noch schön. Morayma mußte außergewöhnliche Sorgfalt auf sie verwenden, sie täglich mit Öl und Salben einreiben, denn sie gaben bei jeder Bewegung einen penetranten Geruch von sich, und ihre Haut war zart.

Trotzdem schauderte Cathérine vor Widerwillen, als diese Hände sich auf ihre Hüfte legten, um die Glätte ihrer Haut zu prüfen.

»Du kannst beruhigt sein«, meinte Fatima spöttisch dazu. »Der Körper ist glatt und zart, ohne Fehl.«

»Ich will es sehen!« sagte die andere nur und schlug ruhig den Bolero auseinander, die Brüste der jungen Frau freimachend, die sie mit zwei Fingern drückte, um ihre Festigkeit zu prüfen. »Die schönsten Früchte der Liebe!« fügte Fatima hinzu, ihren Artikel mit nicht mehr Bescheidenheit anpreisend als ein Teppichhändler den seinen. »Welcher Mann von Verstand würde sie nicht vorziehen? Du kannst suchen, wo du willst, Morayma: in den eisigen Landen des Nordens, in den brennenden Sandwüsten, bei den Säulen des Herkules, auf den Terrassen der Levante, ja bis zum Großen Khan, und du wirst nirgendwo eine vollkommenere Blume finden, die du dem Allmächtigen Herrn der Gläubigen anbieten könntest!«

Statt jeder Antwort nickte Morayma nur beifällig mit dem Kopf und befahl sodann Cathérine:

»Öffne den Mund!«

»Weshalb?« begehrte die junge Frau auf, schon ihre guten Vorsätze vergessend, da sie sich wie ein Pferd behandelt sah.

»Ich will mich vergewissern, ob dein Atem rein ist!« erwiderte Morayma trocken. »Ich hoffe, Frau, daß du anpassungsfähig und gehorsam bist. Ich habe keine Lust, dem Kalifen ein aufsässiges oder zumindest ungehorsames Mädchen anzubieten …«

»Verzeih!« sagte Cathérine errötend. Und folgsam öffnete sie den Mund, entblößte einen rosigen Gaumen und blitzende weiße Zähne, zwischen die die Alte vorsichtig ihre Nase steckte. Die junge Frau mußte sich sehr beherrschen, um nicht laut herauszulachen, während die Alte der dicken Äthiopierin einen belustigten Blick zuwarf.

»Was gibst du ihr zum Kauen, alte Hexe? Ihr Atem riecht herrlich!«

»Jasminblüten und Gewürznelken!« brummte Fatima, die ihre Rezepte nicht gern verriet, aber wohl wußte, daß es bei der Hüterin des Harems nutzlos war, mit Tricks zu arbeiten. »Also, wozu entscheidest du dich?«

»Ich nehme sie mit. Mach dich fertig, Frau, und beeile dich! Ich muß wieder zurück …«

Ohne zu zögern, raffte Cathérine ihre Kleidung zusammen und eilte in ihr Zimmer. Hinter ihr stritten sich die beiden Frauen über das, was Fatima vor allem interessierte: den Preis, der zwangsläufig stattlich sein mußte.

»Ich muß den kleinen Arzt ein wenig entschädigen!« hörte sie die dicke Äthiopierin kreischen.

»Der Kalif hat immer das Recht, eine Sklavin auszuzeichnen. Es ist eine Ehre für jeden seiner Untertanen, ihm eine anzubieten …«

Der Knall der hinter ihr zuschlagenden Zimmertür ersparte Cathérine, noch mehr zu hören. Dieser Kuhhandel war ihr gleichgültig. Sie wußte sehr wohl, daß Fatima den größten Teil des Goldes, das sie bekäme, in die eigene Tasche stecken und sich mit Recht ihrem Klienten gegenüber auf einen Fall von höherer Gewalt und auf die unverjährbaren Rechte des Herrschers berufen würde.

Schnell nahm sie ein Stück Baumwollpapier und eine Feder und kritzelte hastig einige Worte an Abu, um ihn von ihrem Aufbruch in den Harem der Alhambra in Kenntnis zu setzen: »Ich bin glücklich«, schrieb sie ihm. »Ich werde endlich meinem Gatten nahe sein. Beunruhigt Euch nicht meinetwegen, doch sorgt dafür, daß Gauthier und Josse nichts Unüberlegtes tun. Ich werde versuchen, Euch Nachricht zukommen zu lassen, vielleicht über Fatima … sofern Ihr kein Mittel findet, selbst in den Harem zu kommen …«

Ein Ruf von unten ließ sie zusammenfahren. Die alte Morayma wurde ungeduldig. Schnell raffte sie aufs Geratewohl ein paar Kleidungsstücke zusammen, nahm sie unter den Arm, griff sich den Schleier, den sie soeben getragen hatte, und trat auf die Galerie des Patio hinaus, genau zur rechten Zeit, um Fatima mit glücklich-scheinheiliger Lüsternheit beim Zählen eines respektablen Haufens in der Sonne glitzernder Golddinare anzutreffen. Sobald sie erschien, legte sich die Hand der Haremshüterin auf ihren Arm und entriß ihr das Bündel, das sie verächtlich auf den Boden war.

»Was willst du mit diesem Plunder! Im Palast werde ich dich nach dem Geschmack des Herrn kleiden. Komm jetzt …«

»Nur noch einen Augenblick«, bat Cathérine. »Laß mich Fatima Lebewohl sagen.«

»Du wirst sie wiedersehen. Man wird sich bald ihrer Dienste im Harem bedienen. Sie kennt geheime Schönheits- und Liebesmittel, die Wunder wirken.«

Aber Fatima hatte es gehört. Schnell ließ sie ihr Gold in einen Ziegenhautbeutel gleiten und gesellte sich zu den beiden. Mit fast mütterlichen Bewegungen ordnete sie Catherines Schleier, die die Gelegenheit ergriff, ihr heimlich die Botschaft an Abu zuzustecken. Dann lächelte Fatima sie ermutigend an:

»Geh deinem Schicksal entgegen, Licht des Morgens. Aber wenn du die Lieblingsfrau, das kostbare Juwel des Kalifen sein wirst, vergiß Fatima nicht.«

»Sei beruhigt«, entgegnete Cathérine, die Komödie bis zu Ende spielend, »ich werde dich nie vergessen …«

Sie meinte es ehrlich damit. Es war unmöglich, die wunderlichen und alles in allem amüsanten Tage zu vergessen, die sie bei der Äthiopierin verbracht hatte. Und dann war Fatima gut zu ihr gewesen, wenn auch aus Eigennutz.

Man brachte zwei weiße, mit rotem Leder aufgeschirrte und mit allerlei Glöckchen und Schellen versehene Maultiere herbei, die von Cathérine und ihrer Begleiterin bestiegen wurden. Dann tauchten auf ein Händeklatschen Moraymas aus einer benachbarten Gasse, wo sie gewartet hatten, vier hagere, bis zu den Augen in Weiß gekleidete Nubier auf. Sie umgaben die beiden Frauen, nachdem sie ihre großen, scharfen Krummschwerter aus der Scheide gezogen hatten, und der Zug setzte sich in Bewegung.

Die Hitze war jetzt erdrückend. Die heiße Luft flimmerte, und von dem fast weißen Himmel brannte die Sonne mit ihren gnadenlosen Strahlen auf die Dächer der Stadt. Doch Cathérine wurde die Temperatur nicht einmal gewahr. Im Übermaß der Aufregung dachte sie nur an den Palast, über dessen Schwelle sie nun endlich treten sollte. Die Entfernung, die sie von Arnaud trennte, würde sich weiter verringern.

Vor kurzem erst hatte sie ihn gesehen. Jetzt würde sie versuchen, ihn zu sprechen und heimzuführen.

Sie versuchte noch nicht, sich diese Heimkehr vorzustellen. Aber welche Schwierigkeiten würde sie mit sich bringen! Angenommen, es gelänge ihnen, aus dem Palast zu fliehen, müßten sie dann erst noch die Grenze des Königreichs erreichen. Und wenn sie diese Grenze überschritten hätten, wären sie dann vor der Rache Zobeidas sicher, in Sicherheit vor ihren Schlägen? Bestimmt nicht. Sie müßten viele Meilen zwischen sich und ihre Verfolger bringen; die schnellen Reiter Mohammeds ignorierten nur zu oft die Grenzen des Königreichs von Kastilien und würden sich diesmal gewiß nicht um sie kümmern. Und dann müßte man die ganze gefährliche Durchquerung Kastiliens wiederholen, würde vielleicht auf verhängnisvollere Hinterhalte stoßen als auf dem Herweg … Dann über die Pyrenäen und an den Räuberbanden vorbei, und dann … Nein! Das war jetzt alles gar nicht so wichtig: Es kam nur auf eines an, die Liebe Arnauds zurückzugewinnen! Was danach kommen mochte, interessierte Cathérine nicht.