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Während Cathérine so ihren Gedanken nachhing, lief der Weg unter den Hufen der Pferde dahin. Auf dem ganzen Ritt wechselte sie kein Wort mit MacLaren. Als der Abend herniedersank, hielt man in Mauriac an. Schwarze Häuser aus zermalmter Lava am Fuße der viereckigen Türme einer romanischen Basilika, ein sehr ärmliches Gotteshaus, Rastort der Pilger von San Jago auf ihrem Weg nach Compostela in Galicien: Cathérine sah nicht viel mehr. Aber sie war glücklich, daß dieses von drei Minoriten unterhaltene fromme Asyl ihr das Zusammensein mit den Soldaten und ganz besonders mit ihrem rätselhaften Führer ersparte. Als er ihr vor dem Gotteshaus aus dem Sattel half, hatte er ihre Taille kräftiger als nötig umfaßt. Die Gebärde war vielsagend, doch kaum hatte die junge Frau den Fuß auf den Boden gesetzt, ließ er sie los, drehte sich wortlos um und ging davon, um das Quartier seiner Soldaten zu inspizieren. Inzwischen hatte Sara sich Cathérine genähert.

»Wie findest du ihn?« fragte sie geradeheraus.

»Und du?«

»Ich weiß nicht. In diesem Mann steckt eine außerordentliche Lebenskraft, ein ungeheures Feuer … und doch möchte ich schwören, daß der Tod hinter ihm auf dem Pferd sitzt.«

Cathérine schauderte.

»Vergißt du, daß ich sein Pferd mit ihm teile?«

»Nein«, erwiderte Sara langsam, »ich vergesse es nicht. Aber es kann sein, daß du etwas mit dem Tod dieses Mannes zu tun hast.«

Um ihre Unruhe zu beschwichtigen, trat Cathérine durch die niedrige Pforte des Gotteshauses. In dem mit runden schwarzen Kieselsteinen gepflasterten Vorraum kam ihr ein Mönch, eine Fackel in der Faust, entgegen.

»Was sucht ihr hier?« fragte er, von der Kleidung der beiden Frauen getäuscht. »Das Quartier der schottischen Soldaten liegt im Hinterhof und …«

»Wir sind Frauen«, unterbrach Cathérine. »Wir reisen in dieser Kleidung, um unerkannt zu bleiben.«

Der Mönch runzelte die Stirn. Sein Gesicht von der gelblichen Farbe alten Pergaments legte sich in tiefe Falten.

»Eine so dreiste Kleidung paßt nicht in das Haus des Herrn. Die Kirche mißbilligt solche Aufmachung. Wenn ihr hier eintreten wollt, so zieht euch die anständige Kleidung an, die eurem Geschlecht zukommt! Wenn nicht, dann geht wieder zu euren Reisegefährten zurück!«

Cathérine zögerte nur wenig. Ohnehin fühlte sie sich in diesem fremden Kostüm nicht wohl. Es verteidigte sie schlecht gegen die Zeit und die Menschen, vielleicht weil sie sich seiner nicht bedienen konnte. Sie riß sich die federgeschmückte Mütze vom Kopf und schüttelte die goldenen Locken.

»Laßt uns eintreten. Sobald wir in einem verschlossenen Zimmer sind, werden wir die Kleidung wieder anziehen, die uns zukommt! Ich bin die Gräfin de Montsalvy und bitte um Asyl für die Nacht.«

Die Falten auf der Stirn des Mönches glätteten sich. Er verneigte sich sogar mit einer gewissen Ehrerbietung.

»Ich werde Euch führen. Seid willkommen, meine Tochter!«

Er führte sie in eines der für Gäste von Rang reservierten Zimmer. Vier Wände, eine große Pritsche mit einer sehr dünnen Matratze, einige schlechte Decken, ein Schemel, eine Öllampe – dies war die ganze Möblierung; doch an der Wand hing ein großes steinernes Kruzifix, mit naiver Kunst gehauen, und im Kamin lag ein Armvoll Holz für die Flamme bereit. Wenigstens würden die beiden Frauen allein sein.

Kaum eingetreten, zündete Sara das Feuer an, während Cathérine sich mit verräterischer Eile der Kleider entledigte, die ihr von Kennedy geliehen worden waren.

»Hast du es denn so eilig?« bemerkte Sara. »Du hättest wenigstens warten können, bis das Zimmer warm ist!«

»Nein. Ich habe Eile, wieder mein Selbst zu sein. Niemand wird es mehr an Achtung fehlen lassen, wenn ich wieder aussehe wie sonst. Und diese verrückte Kleidung mißfällt mir.«

»Hmmm!« sagte Sara ungerührt. »Ich habe das Gefühl, daß du es nötiger hast, dich zu beruhigen, als die anderen zu beeindrucken! übrigens stimme ich dir ganz zu! Du liebst dieses Kostüm nicht, ich aber finde es entsetzlich. In meinem alten Kleid komme ich mir wenigstens nicht grotesk vor.«

Und dem Wort die Tat folgen lassend, begann auch Sara, sich auszuziehen.

Bei Tagesanbruch hörte Cathérine die Messe in der eiskalten Basilika in Begleitung Saras, kniete vor dem ältesten der Gastgebermönche nieder, um seinen Segen zu empfangen, und ging dann wieder zu ihren Reisegefährten. Als MacLaren die schwarzgekleidete Dame von Carlat unter dem Portal der Basilika im Glanz der roten Strahlen der aufgehenden Sonne erblickte, zuckte er heftig zusammen. Eine ärgerliche Furche grub sich zwischen seine hellen Brauen, während dumpfe Freude in Gauthiers grauen Augen glomm. Seit zwei Tagen hatte der Normanne den Mund nicht aufgetan. Er ritt abseits, als letzter des ganzen Trupps, mit gesenkter Stirn und verschlossenem Gesicht, obwohl Cathérine sich bemühte, ihn in ihre Nähe zu rufen. Die junge Frau hatte es aufgegeben, sich etwas vorzumachen. Der Haß, der zwischen dem Waldmenschen und dem Mann der Hochebene gärte, war fast greifbar.

Aber bevor der Leutnant reagiert hatte, war Gauthier zu Cathérine geeilt.

»Ich bin glücklich, Euch wiederzusehen, Dame Cathérine«, sagte er, als habe er sie schon viel länger als nur eine Nacht nicht gesehen. Dann hatte er ihr mit dem Stolz eines Königs seine geschlossene Faust angeboten, damit sie ihre Hand darauf legte. Seite an Seite waren sie zum Detachement zurückgekehrt. MacLaren sah sie kommen, die Fäuste in den Hüften, eine nichts Gutes verheißende Falte im Mundwinkel. Als sie nahe herangekommen war, maß er Cathérine von Kopf bis Fuß.

»Wollt Ihr in diesem Aufzug zu Pferd steigen?«

»Warum nicht? Reisen die Frauen vielleicht in einem anderen Kostüm? Ich bat um Männerkleidung, weil mir dies praktischer erschien, aber ich habe eingesehen, daß es ein Irrtum war.«

»Irrtum – das ist Euer Schleier! Ein so reizendes Gesicht verbirgt man nicht!«

Nonchalant hob er mit einem Finger das zarte Bollwerk aus Musselin, aber Gauthiers Hand legte sich auf sein Handgelenk und umschloß es wie eine eiserne Klammer.

»Laßt das, Messire«, sagte der Normanne ruhig, »wenn Ihr nicht wollt, daß ich Euch den Arm breche.«

MacLaren ließ nicht los und begann zu lachen.

»Du fängst an, lästig zu werden, Halunke! Hallo! Ihr da …«

Doch ehe die Soldaten sich auf Gauthier stürzen konnten, warf sich Bruder Etienne, der gerade aus dem Gotteshaus trat, zwischen MacLaren und den Normannen. Eine seiner Hände legte sich auf Gauthiers Gelenk, die andere auf die Hand des Schotten, die, welche den Schleier hielt.

»Laßt los, beide! Im Namen des Herrn … und im Namen des Königs!«

So groß war die Autorität, die in der ruhigen Stimme des Mönches schwang, daß die beiden Männer, gebändigt, ihm mechanisch gehorchten.

»Dank, Pater«, sagte Cathérine mit einem Seufzer der Erleichterung. »Brechen wir endlich auf, denn wir haben schon zuviel Zeit verloren. Und was Euch betrifft, Sire MacLaren, so hoffe ich, daß Ihr Euch in Zukunft anständig betragt, wie es einem Chevalier einer Dame gegenüber geziemt.«

Statt einer Antwort beugte sich der Schotte hinunter und bot der jungen Frau seine beiden verschränkten Hände, damit sie ihren Fuß auf sie setze. Dies war das stillschweigende Eingeständnis seiner Niederlage und gleichzeitig eine chevalereske Geste der Unterwerfung. Cathérine lächelte triumphierend, und mit einer Bewegung, deren unbewußte Koketterie sie nicht erwog, warf sie den Schleier über ihre hohe Haube zurück. Ihr Blick tauchte für einen Moment in die hellblauen Augen des jungen Mannes. Was sie in ihnen las, ließ ein schwaches Rot in ihre Wangen steigen. Dann setzte sie ihre Stiefelspitze leicht auf seine verschränkten Hände und schwang sich auf die Kruppe des Pferdes. Der Friede war wiederhergestellt. Jeder tat es ihr nach, und man verließ Mauriac, ohne daß jemand bemerkte, daß Gauthier sich wieder in sich selbst zurückgezogen hatte.