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Unter der Faust des Normannen, die auf sie einhämmerte, hallte seine Brust gleich einer Trommel wider, und seine Stimme grollte wie Donnerrollen. Cathérine war jetzt ernüchtert, ihre Gelassenheit war zurückgekehrt, und sie mußte sich offen eingestehen, daß sie nicht begriff, was sie soeben in die Arme des Schotten getrieben hatte. Im tiefsten Innern gab sie Gauthier recht. Sie schämte sich wie noch nie, verstand aber nur zu gut den trüben Glanz, der in den grauen Augen des Normannen aufgeflammt war. Gleich würde er, ohne sich um den Mann zu kümmern, den er eben getötet hatte, sich auf sie werfen. Nach allem, was er gesehen hatte, würde nichts ihn mehr zurückhalten. In seinem »Warum nicht mich?« lag eine Welt von Zorn, von Rachsucht, von enttäuschter Liebe und Verachtung. Cathérine war ihm nicht mehr heilig. Sie war nichts weiter als eine Frau, die man zu lange begehrt hatte.

Das konvulsivische Zittern, das sich ihrer bemächtigte, unterdrückend, richtete die junge Frau ihre veilchenfarbenen Augen fest auf den Riesen.

»Geh«, sagte sie kalt. »Ich werfe dich hinaus!«

Gauthier brach in ein wildes Gelächter aus, das seine kräftigen weißen Zähne entblößte.

»Ihr werft mich hinaus? Vielleicht! Das ist Euer gutes Recht nach allem! Aber vorher …«

Cathérine schob sich bis zur Wand zurück, um dem Ansturm, der kommen würde, besser widerstehen zu können, aber genau in diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und Sara trat herein. Mit einem schnellen Blick umfing sie die ganze Szene, sah Cathérine an die Wand gedrückt, Gauthier sprungbereit und zwischen beiden die blutende Leiche MacLarens, das Bett gleich einem tragischen menschlichen Kreuz versperrend.

»Herr des Himmels!« rief sie aus. »Was ging hier vor?«

Cathérines bedrückter Brust entrang sich ein tiefer Seufzer. Die dralle Gestalt der Zigeunerin hatte die unheilvolle Atmosphäre aus dem Zimmer verjagt. Die Dämonen entflohen und gaben der kalten, nüchternen Wirklichkeit den Weg frei … Mit ruhiger Stimme, ohne jeden Versuch zu bemänteln, was an ihrem Benehmen tadelnswert gewesen sein könnte, erzählte Cathérine, wie Gauthier den Schotten getötet hatte. Währenddessen hatte sich der Normanne, dessen Wut nun auch abgeklungen war, auf das untere Ende des Bettes sinken lassen, den Rücken seinem Opfer zugewandt. Den Kopf in die Hände vergraben, schien er an allem, was folgen mochte, uninteressiert. In schweigender und unbewußter Übereinstimmung überließen er und Cathérine es Sara, die notwendigen Entscheidungen zu treffen.

»Was für eine Patsche!« brummte die Zigeunerin, als die junge Frau ihren Bericht beendet hatte. »Wollt ihr mir vielleicht verraten, wie wir hier herauskommen sollen? Was werden die Schotten sagen, wenn sie den Tod ihres Leutnants entdecken?«

Wie um ihr recht zu geben, erhob sich ein gemeinschaftliches Gebrüll aus dem Erdgeschoß:

»Ian! He, Ian MacLaren! Komm runter, trinken! Zufällig ist der Wein mal nicht zu schlecht! Komm runter!«

»Sie werden heraufkommen«, flüsterte Sara. »Wir müssen die Leiche verschwinden lassen. Wenn sie die Wahrheit erfahren, wird es noch mehr Blutvergießen geben …«

Gauthier rührte sich immer noch nicht, aber Cathérine hatte klar verstanden, was Sara sagen wollte. Die Schotten würden den Kopf Gauthiers fordern. Sie kannten nur das Gesetz der Wiedervergeltung: Auge um Auge, Zahn um Zahn! Ihr Anführer war tot, der Mörder mußte mit seinem Leben bezahlen, und Cathérine wurde sich bewußt, daß sie diese Vorstellung nicht ertragen konnte. Was bedeutete ihr schon MacLaren? Sie liebte ihn nicht. Sie hatte noch nicht einmal eine jener Kapricen für ihn empfunden, die als Entschuldigung herhalten können. Nichts als ein simpler Anflug rasch verfliegender Narretei! Daß Gauthier dafür als Sühneopfer unter den Hieben der Schotten fallen sollte, nein, das ließ sie nicht zu! Ein plötzlicher Impuls ließ sie neben dem Normannen niederknien und seine Hände umklammern, die sein Gesicht verdeckten.

»Fliehe!« flehte sie. »Ich beschwöre dich, fliehe! Rette dich, bevor sie die Leiche entdecken!«

Er nahm die Hände vom Gesicht, das verfallen wirkte und in dem die Augen trübe brannten.

»Was kann's mir schon ausmachen, wenn sie entdecken, daß ich ihn getötet habe? Sie werden mich ihrerseits töten! Na und?«

»Ich will nicht, daß du stirbst!« brauste Cathérine leidenschaftlich auf.

»Ihr habt mich davongejagt … Der Tod wird Euch noch sicherer von mir befreien!«

»Ich wußte nicht, was ich sagte. Ich war wahnsinnig! Du hattest mich beleidigt, zutiefst getroffen … aber du hattest recht. Siehst du, ich bitte dich jetzt um Verzeihung.«

»Was für Geschichten!« brummte Sara in ihrer Ecke. »Hört euch lieber den Krach an, den sie da unten machen!«

In der Tat verlangten die Schotten jetzt mit aller Kraft nach ihrem Anführer, indem sie mit Löffeln und Näpfen auf die Tischplatten schlugen. Man hörte das Gepolter einer umstürzenden Bank, dann plötzlich Schritte auf der Treppe, sich nähernde Stimmen. Entsetzt rüttelte Cathérine Gauthier auf.

»Aus Mitleid mit mir, wenn ich dir jemals ein wenig Zärtlichkeit eingeflößt habe, fliehe, rette dich!«

»Wohin sollte ich schon gehen? Wo ich Euch nie mehr wiedersehen könnte?«

»Reite nach Montsalvy zurück, zu Michel, und warte auf meine Rückkehr. Aber schnell, schnell … ich höre sie bereits!«

Schon öffnete Sara das schmale Fenster, das glücklicherweise auf das Dach eines angebauten Schuppens hinausging. Der Winterwind drang mit Wucht in das kleine Gelaß, scharf, schneidend, und Cathérine wickelte sich fröstelnd die Decken um den kalten Leib. Die Schritte kamen näher. Die Männer mußten schon getrunken haben … »Ich werde mit ihnen sprechen«, raunte Sara, »Zeit gewinnen. Aber er muß sich schnell aus dem Staub machen … Die Pferde sind im Schuppen. Wenn wir ihm ein oder zwei Stunden Vorsprung verschaffen können, wird er nichts mehr zu fürchten haben. Beeilt euch, ich werde dafür sorgen, daß sie wieder hinuntergehen!«

Sie öffnete die Tür und glitt flink hinaus. Es war höchste Zeit. Das Licht einer Kerze flackerte einen kurzen Augenblick auf, und die Stimme eines der Männer erklang ganz nahe hinter der Tür.

»Was ist das für ein Krach?« brummte Sara. »Wißt ihr nicht, daß Dame Cathérine entsetzlich müde ist? Sie hat soviel Mühe gehabt einzuschlafen, und da kommt ihr und brüllt vor ihrer Tür herum! Was wollt ihr?«

»Verzeiht!« antwortete die Stimme des Schotten verlegen. »Aber wir suchen den Leutnant.«

»Und ausgerechnet hier sucht ihr ihn? Was für eine merkwürdige Idee!«

»Ist ja nur, weil …« Der Mann hielt plötzlich inne, brach in schallendes Gelächter aus und fügte hinzu: »Er hat uns nämlich gesagt, er wolle der anmutigen Dame einen kleinen Besuch abstatten … um zu sehen, wie's ihr geht!«

»Nun, er ist nicht hier! Sucht woanders. Ich hab' ihn vorhin aus dem Haus gehen sehen. Er ging in Richtung des Schafstalls da hinten … und ich glaube, er stellte einem Mädchen nach.«

Cathérine hörte mit klopfendem Herzen zu. Ihre Hand umklammerte krampfhaft die Gauthiers. Sie fühlte, wie er zitterte; trotzdem wußte sie wohl, daß es nicht aus Furcht war. Hinter der Tür lachten die Männer laut auf, aber die Stimmen entfernten sich bereits, von Saras Geschimpfe begleitet. Kein Zweifel, die Zigeunerin würde mit ihnen hinuntergehen, um sich zu vergewissern, daß sie in der Richtung suchten, die sie ihnen angegeben hatte, und Gauthier nicht zufällig durchs Fenster steigen sahen.

»Sie sind fort!« flüsterte Cathérine schließlich. »Flieh jetzt!«

Diesmal gehorchte er, ging zum Fenster, schwang ein Bein über den Sims, wandte sich jedoch noch einmal zurück, bevor er den Oberkörper nachzog.