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»Du bist nicht gerade anspruchsvoll! Sag lieber, daß alles so gut geht, wie es nur gehen kann, wenn man mitten im Unglück schwimmt.«

Die Dinge entwickelten sich genauso, wie Cathérine und Sara es vorausgesehen hatten. Einer der Schotten entdeckte im Morgengrauen den Leichnam MacLarens im Schnee neben dem Schafstall, und sofort befanden sich Cathérine, Sara und Bruder Etienne mitten in einem wahren Aufstand. Der Älteste der Bewaffneten, ein Soldat in den Fünfzigern, der sich Alan Scott nannte, hatte ganz natürlicherweise das Kommando über seine Kameraden übernommen, und er war es, der, ihre Wut zum Schweigen bringend, den drei Reisenden den Willen des Trupps zur Kenntnis brachte.

»Ich bin aufs tiefste betrübt, meine Dame«, sagte er zu Cathérine. »Aber den Tod unseres Anführers – den wollen wir rächen.«

»An wem, auf Grund von was? Wie könnt ihr sicher sein, daß der Mörder …«

»… Euer Knappe ist? Der Axthieb ist bezeichnend.«

»Die Männer hier benutzen auch Äxte«, erwiderte Cathérine nervös. »Sara hat euch gesagt, sie habe MacLaren mit einem Mädchen der Herberge zum Schafstall gehen sehen.«

»Dazu müßte man erst einmal wissen, wer dieses Mädchen von der Herberge war. Nein, meine Dame, unnütz, darüber zu diskutieren. Wir sind entschlossen, uns an die Verfolgung dieses Mannes zu machen. Die Spuren sind sauber im Schnee zu erkennen. Im übrigen, wäre er nicht schuldig, wäre er ja hiergeblieben.«

»Hättet ihr ihm eine Möglichkeit gegeben, sich zu verteidigen?«

»Selbstverständlich nicht! Er hat im Grunde recht gehabt zu fliehen. Aber wir, wir müssen ihn wiederfinden. Setzt Eure Reise allein fort.«

»Ist das Eure Art«, sagte Cathérine hoheitsvoll, »die Befehle Hauptmann Kennedys auszuführen?«

»Wenn er wüßte, was sich hier zugetragen hat, würde Kennedy uns recht geben. Und außerdem scheint es, daß Ihr kein Glück bringt, edle Dame … und meine Männer wollen Euch nicht mehr dienen.«

Cathérine fühlte, wie der Zorn in ihr aufstieg. Es war nutzlos, mit diesen beschränkten Flegeln zu streiten. Aber im Innern schauderte ihr vor dem Weg, den sie allein, oder fast allein, zurücklegen sollte. Doch ließ sie sich nicht anmerken, was sie bewegte.

»Gut«, sagte sie schroff. »Geht. Ich halte Euch nicht zurück!«

»Einen Augenblick!« warf Scott ein. »Ich brauche noch Euren Mönch. Die Hälfte meiner Leute bricht sofort auf, die anderen werden mit mir hierbleiben, um sich mit Messire MacLaren zu beschäftigen. Er braucht Leichengebete, und hier gibt es keinen Priester.«

Daß er seinem Leutnant ein christliches Begräbnis geben wollte, war nur zu natürlich, und Cathérine versuchte nicht, sich dem zu widersetzen. Ein Grab würde schnell ausgehoben und die Totenmesse schnell gelesen sein. Das würde sie kaum lange aufhalten. Ohnehin erhob sich in einiger Entfernung am Ufer des Flusses eine kleine Kapelle, um die sich einige Kreuze gruppierten.

»Euer Wunsch ist ganz natürlich«, erwiderte sie. »Wir werden also warten, bis Eure Beerdigungsfeier vorüber ist.«

»Vielleicht wird das länger dauern, als Ihr glaubt!«

In der Tat dauerte es unendlich viel länger, und Cathérine, krank vor Verdruß, erlebte den endlosesten Tag ihres ganzen Daseins.

Als sie bemerkte, daß Scott sich in Richtung der wenigen Häuser des Weilers entfernte, dachte sie, er gehe einen Schreiner suchen, um einen Sarg anfertigen zu lassen, aber sie sah ihn einige Minuten später zurückkommen, vier seiner Leute im Gefolge, die einen riesigen Kochkessel schleppten, wie man ihn zur Kräuterkäsezubereitung benutzt. Diesen Kessel stellten sie am Ufer des Flusses auf, stützten ihn mit Steinen ab, füllten ihn halb mit Wasser und gingen daran, eine große Menge Holz heranzuschaffen. Einige Bauern sahen halb beunruhigt, halb neugierig ihrem Tun zu. Aufrecht unter einem Kastanienbaum zwischen Sara und Bruder Etienne stehend, tat Cathérine dasselbe und versuchte vergebens zu begreifen, was vor sich ging.

»Was soll denn das bedeuten?« fragte sie den Mönch. »Wollen sie vor der Beerdigung eine Art Leichenschmaus vorbereiten? Offenbar ein riesiges Mahl.«

Doch Bruder Etienne schüttelte den Kopf. Er verfolgte die Vorbereitungen, ohne sonderlich überrascht zu sein.

»Das soll bedeuten, mein liebes Kind, daß dieser Scott nicht die Absicht hat, die Gebeine seines Leutnants der Erde der Auvergne zu überlassen.«

»Ich verstehe noch immer nicht.«

»Oh, das ist ganz einfach! Dieser große Kessel wird die Leiche des Leutnants aufnehmen. Man wird sie darin so lange kochen, bis sich die Gebeine ablösen lassen, die unser Schotte dann in einem Kasten oder einer Truhe leicht in sein Land transportieren kann. Das Fleisch wird hier an Ort und Stelle christlich beerdigt.«

In schöner Einmütigkeit wurden Cathérine und Sara grün im Gesicht. Die junge Frau fuhr sich mit der zitternden Hand an die Kehle, die ihr jeden Dienst zu verweigern schien, doch schließlich gelang es ihr zu stammeln:

»Das ist ja ekelhaft! Kennen diese Leute denn nicht weniger barbarische Bräuche? Warum verbrennen sie die Leiche nicht?«

»Es ist ein durchaus ehrenhafter Brauch«, erwiderte Bruder Etienne friedlich. »Man wendet ihn an, wenn die Einbalsamierung unmöglich ist oder wenn die Leiche über eine zu weite Strecke transportiert werden muß. Und ich bedauere, Euch belehren zu müssen, daß dieser Brauch keineswegs nur auf Schottland beschränkt ist. Der Großkonnetabel Du Guesclin erlitt das gleiche Schicksal, als er vor Châteauneuf-de-Randon fiel. Man hatte ihn zwar einbalsamiert, doch als der Sarg in Puy eintraf, entdeckte man, daß die Einbalsamierung ungenügend war. Man ließ ihn also kochen, wie Scott es heute tun wird. Es ist eine große Ehre, die er seinem Leutnant erweist … aber an Eurer Stelle würde ich nicht hierbleiben.«

In der Tat loderte das Feuer unter dem Kessel, und zwei der Männer waren fortgegangen, um die Leiche zu holen, die sie nun auf einer aus quer übereinandergelegten Ästen gefertigten Bahre feierlich anbrachten. Entsetzt über das, was folgen würde, nahm Cathérine Sara bei der Hand und zog sie eilends zur Herberge zurück, während Bruder Etienne, die Hände in die Ärmel schiebend, sich ruhig dem Kessel näherte. Während der ganzen Dauer dieser scheußlichen Verrichtung sprach er, am Ufer der Dordogne kniend, das Totengebet.

Die schreckliche Kocherei dauerte den ganzen Tag, und diesen Tag verbrachte Cathérine, vor dem Kamin in der Gaststube der Herberge kauernd, zu, abwesenden Blicks ins Feuer starrend, unfähig, etwas zu essen. Tiefe Stille lag über dem Weiler. Die verschreckten Bauern hatten sich in ihren Häusern verbarrikadiert, klapperten mit den Zähnen und flehten zweifellos den Himmel an, er möge sie vor dem Furor dieser Wilden verschonen. Die Gastwirtin wagte nicht, das Haus zu verlassen. Cathérine hatte ihr die Worte Bruder Etiennes berichtet, und sie wußte nun, daß es sich bei dem Treiben am Flußufer nicht um irgendein höllisches Hexenwerk handelte, und doch hatte sie viel zuviel Angst, um die Nase nach draußen zu stecken. Alles, was man hörte, waren dann und wann ein Befehl Scotts oder die Hammerschläge des Schreiners, der, in seinem Haus eingeschlossen, einen kleinen Kasten für die Gebeine zimmerte. Sara, die sich ebenso fürchtete wie Cathérine, murmelte mit tiefer Stimme Gebete, doch die junge Frau konnte nicht beten. Der Eindruck, einen Alptraum zu durchleben, war schärfer denn je.

Es war dunkle Nacht, als schließlich alles vorbei war. Bei Fackelschein legte man die sterblichen Überreste MacLarens neben der kleinen Kapelle zu Grabe. Cathérine überwand sich, daran teilzunehmen, ebenso wie die Bauern, die aus sicherer Entfernung zusahen. Es lag so viel Furcht in ihren Augen, daß die junge Frau fröstelte. Wenn der Mönch nicht gewesen wäre, hätten sie Scott dieses fremdartige Ritual zweifellos nicht praktizieren lassen, und die fünf Schotten wären mit Mistgabeln und Beilen bedroht worden.