»Ich nehme ihn nur in Kommission, Cathérine, oder als Darlehen, wenn Euch das lieber ist. Ich werde Euch das Hundertfache zurückzahlen. Ihr werdet Montsalvy wiederaufbauen, und Euer Sohn wird zu den Größten dieser Welt zählen, deren klangvolle Namen zwangsläufig mit einem großen Vermögen verbunden sind. Aber … dieser Wirt läßt uns ja Hungers sterben! Hallo, Meister Amable, wie steht's mit dem Abendessen?«
Aus seinen Träumen gerissen, lief der würdige Gastwirt eilig in seine Küche, um die zuvor angekündigte Kräutersuppe zu holen. Jacques Coeur erhob sich und bot Cathérine die Hand.
»Kommt zum Souper, meine liebe Teilhaberin, und Gott sei gesegnet, daß er Euch mir über den Weg geführt hat. Wir werden es weit bringen, Ihr und ich, oder ich müßte nicht Jacques Coeur heißen.«
Er half ihr, am Tisch Platz zu nehmen, und nachdem er sich vergewissert hatte, daß Amable und seine Bedienstete sich entfernt hatten, flüsterte er: »Es war leichtsinnig von Euch, diesen Stein in einer Herberge vorzuzeigen. Amable ist ein anständiger Mann, aber zweifellos überseht Ihr, daß La Trémoille diesen schwarzen Diamanten haben will. Sein Vetter Gilles de Rais war so unvorsichtig, ihm davon zu erzählen, und er träumt nur davon, ihn sich anzueignen. Ihr werdet sehr vorsichtig sein müssen, meine Teure, wenn Ihr an den Hof kommt.«
»Gut, gut, aber das ist ja ausgezeichnet! Verkauft ihm den Diamanten.«
Jacques Coeur lachte trocken auf und hob die Schultern.
»Seid Ihr noch immer so naiv? Wenn der Kämmerer erführe, daß ich diesen Stein besitze, würde ich nicht mehr viel für meinen Kopf geben. Warum soll er ihn bezahlen, wenn er ihn sich so leicht nehmen … und mich notfalls umbringen lassen kann?«
»Das ist also der Grund, weshalb der Kastilier Villa-Andrado mich mit dem Segen La Trémoilles heiraten will. Die Liegenschaften von Montsalvy würden zweifellos dem Spanier übergeben werden, während der Diamant La Trémoille für seine Hilfe belohnte.«
»Ihr macht Euch zu klein, meine Teure. Der Kastilier ist wirklich in Euch verliebt, glaube ich. Euch will er haben, aber natürlich verschmäht er auch Eure Ländereien nicht. Der König hat sie konfisziert und würde sie ihm ohne Zweifel übereignen.«
»Auf jeden Fall«, mischte Bruder Etienne sich ein, »nehme ich an, daß der Diamant sich schon morgen mit Euch von Dame Cathérine trennen wird.«
»Nachdem der Handel hier abgeschlossen ist, reise ich nach Beaucaire weiter. Die jüdische Gemeinde da unten ist reich und mächtig. Ich kenne einen Rabbiner, Isaac Abrabanel, dessen Bruder einer der Judenältesten von Toledo ist, und die Familie ist ungeheuer reich. Ich werde bei ihm jeden Goldbetrag auf diesen Diamanten bekommen, den ich haben möchte …«
Um ihn zu warnen, daß der Wirt zurückkam, hüstelte Bruder Etienne, kreuzte die Finger, steckte die Nase in seinen Napf und begann dann fromm das Tischgebet, dem jeder andächtig lauschte, worauf man sich daranmachte, die von der Reise so schwer mitgenommenen Kräfte wieder aufzufrischen. Cathérine fühlte sich außerordentlich erleichtert, seitdem sie den schwarzen Diamanten in Jacques Coeurs Geldkatze hatte verschwinden sehen. Es war ein guter Einfall von ihr gewesen, denn dies war ein wichtiger, auf die Zukunft gezogener Wechsel. Auf jeden Fall würde Michel eines Tages reich sein, und selbst wenn seinen Eltern die königliche Begnadigung nie gewährt würde, könnte er außerhalb der Grenzen Frankreichs frei und im Überfluß leben. Aber Cathérine wollte mehr, Cathérine wollte etwas Besseres. Das Vermögen war nur ein Teil ihres Plans. Was sie dem Schicksal abtrotzen wollte, war das Ende des Großkämmerers und ihre und Arnauds Amnestierung durch den König. Der Name Montsalvy mußte wieder in seinem alten Glanz erstrahlen, oder ihr Leben hätte keinen Sinn mehr.
Das Diner, das Meister Amable mit allen Anzeichen tiefen Respekts servierte, verging ganz damit, daß sich die Tafelnden die Zukunftspläne Jacques Coeurs anhörten. Aus Diskretion hatte er Cathérine weder Fragen über ihren Gatten noch über ihr Reiseziel gestellt. Ihrem Entschluß getreu, Arnauds Namen davor zu bewahren, nur mit Entsetzen genannt zu werden, hatte Cathérine Macée seinen Tod mitgeteilt. Zweifellos wollte der Pelzhändler vermeiden, durch eine ungeschickte Frage ihren Schmerz wieder zu wecken, der vielleicht nachgelassen hatte. Und Cathérine war ihm dankbar für seinen Takt. Doch häufig kreuzte sich ihr Blick mit dem des Pelzhändlers, und sie glaubte, eine Art Frage gemischt mit Verwirrung in ihm zu lesen. Er mußte sich fragen, welche Worte er wählen sollte, um sich zu erkundigen, was sie in Zukunft vorhatte, was sie aus ihrem Leben machen wollte, ohne indiskret oder verletzend zu sein. Schließlich hatte er einen guten Einfalclass="underline"
»Ich habe vorhin gesagt, daß der Orient Euch gut bekommen würde, Cathérine. Warum wagt Ihr das Abenteuer nicht mit mir?«
Sie gab ihm sein Lächeln zurück, hob aber ein wenig überdrüssig die Schultern.
»Weil diese Art Abenteuer nichts für mich ist, Jacques. Ich habe für eine Anzahl Menschen zu sorgen und noch viel auf dieser unglücklichen Erde zu tun. Seid gewiß, daß ich den Kampf, der mich erwartet, gern gegen alle Stürme des Mittelmeers tauschen würde, wenn ich mir nicht vorgenommen hätte, bis zum Ende durchzuhalten.«
Eine Bewegung Jacques', gleichermaßen diskret und entschieden, schnitt ihr das Wort ab. Sie schwieg sofort, sah den Pelzhändler an. Die scharfen Augen Jacques Coeurs durchforschten die Schatten im Hintergrund des Saals mit seltsamer Intensität, und zwar speziell dort, wo Meister Amable verschwunden war. Und als er sich Cathérine wieder zuwandte, sprach er nur noch von nebensächlichen Dingen, ließ jedes Thema, das gefährlich sein konnte, fallen. Und sobald die Mahlzeit beendet war, stand er auf, reichte Cathérine die Faust, so um die Ehre bittend, sie auf ihr Zimmer geleiten zu dürfen. Wie durch Zauberei erschien Meister Amable wieder, eine Kerze in der erhobenen Hand, und schritt ihnen zum oberen Stock voraus. Sara und Bruder Etienne bildeten den Schluß des Zuges. Die zum Umfallen müde Zigeunerin hatte die größte Mühe, die Augen offenzuhalten. Doch Cathérines Augen waren noch nicht vom Schlaf befallen. Die junge Frau hielt sie im Gegenteil weit offen, erstaunt, die hohen schwarzen Schatten, die der Widerschein der Wachskerze auf die gelbe Wand warf, beunruhigend zu finden. Warum eigentlich war das Gefühl der Erleichterung, das sie noch vor kurzem empfunden hatte, auf einmal geschwunden? Warum hatte sich eine unerklärliche Furcht in ihr Herz geschlichen? Der verwünschte Diamant hatte den Besitzer gewechselt, ihr Glück hatte mit dieser Geste begonnen, und sie hatte absolutes Vertrauen in ihr Glück. Was war es also?
Vor dem Zimmer, das Cathérine mit Sara teilen mußte, trennte man sich steif! Die beiden Frauen schlossen sich in ihr Zimmer ein, während der Pelzhändler und der Mönch zum nächsten Stock hinaufstiegen. Die Stille der Nacht hüllte bald den Schwarzen Sarazenen ein. Sara hatte sich voll angezogen in ihren Kleidern aufs Bett geworfen und schlief sofort ein. Cathérine begnügte sich, Kleid und Stiefel auszuziehen, und legte sich dann neben sie.
Leises Klopfen an der Tür riß sie aus tiefem Schlaf, in den auch sie gesunken war. Eigentlich eher ein Kratzen, ein Scharren, so daß sie sich einen Augenblick zögernd fragte, ob es nicht eine Maus war. Doch nein, es stimmte schon; jemand klopfte an die Tür …
Es war stockdunkel im Zimmer, die Kerze war bis auf den Stumpf heruntergebrannt, und Cathérine tastete sich zum Türrahmen, wo das Klopfen von neuem zu hören war, besorgt, nicht an ein Möbelstück zu stoßen und womöglich das ganze Haus aufzuwecken. Die Person, die sich so leise und diskret durch Klopfen ankündigte, konnte kein Interesse daran haben, Aufmerksamkeit zu erregen … Die Tür öffnete sich schließlich, und Cathérine sah Jacques Coeur mit einer Kerze bewaffnet auf der Schwelle stehen. Er war völlig angezogen, die Kappe auf dem Kopf und im Mantel. Den Finger eindringlich auf die Lippen legend, gebot er Cathérine Schweigen, schob sie dann sanft zurück, trat eigenmächtig über die Schwelle und schloß die Tür hinter sich. Sein Gesicht trug einen beunruhigend ernsten Ausdruck.