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»Ihr habt recht«, erwiderte Cathérine nach einer kleinen Pause. »Ich weiß nicht, warum mich nichts mehr interessiert, ausgenommen vielleicht das Wort, das Ihr ausgesprochen habt: Rache … obgleich es im Munde eines Gottesmannes ziemlich seltsam klingt. Doch ich verstehe nicht, weshalb die Königin den Wunsch haben sollte, die Rache einer Geächteten zu unterstützen.«

»Ihr werdet in dem Augenblick nicht mehr geächtet sein, Madame, in dem die Königin Euch zu sich ruft, dann seid Ihr in Sicherheit. Und was Eure Rache betrifft, so fügt es sich, daß sie mit den Wünschen Madame Yolandes übereinstimmt. Ihr überseht, daß die Unverschämtheit La Trémoilles keine Grenzen mehr kennt; daß die Truppen des Spaniers Villa-Andrado, der in seinem Sold steht, letzten Sommer Maine und Anjou, die persönlichen Ländereien der Königin, geplündert, gebrandschatzt und verwüstet haben. Die Stunde ist gekommen, mit dem Günstling Schluß zu machen, Madame. Reist Ihr ab? Ich darf hinzufügen, daß Messire Hugh Kennedy, der ebenfalls von der Königin zurückberufen wurde, Euch zusammen mit Eurem untertänigsten Diener das Geleit geben wird.«

Zum erstenmal sah Bruder Etienne die Augen Cathérines blitzen, während ihr das Blut in die blassen Wangen stieg.

»Wer wird dann Carlat bewachen? Und meinen Sohn und meine Mutter?«

Der Mönch wandte sich zu Isabelle de Montsalvy, die immer noch reglos in ihrem Sessel saß.

»Madame de Montsalvy soll sich mit dem Kind in die Abtei von Montsalvy begeben, wo der neue Abt, der jung und energisch ist, sie erwartet. Dort werden sie in Sicherheit sein, während sie darauf warten, daß Ihr beim König die Rehabilitierung Eures Gatten und die Freigabe seines Vermögens durchsetzt. Ein neuer, vom Grafen d'Armagnac entsandter Gouverneur wird von Carlat Besitz ergreifen. Überdies war Messire Kennedy nur vorübergehend hier. Werdet Ihr kommen?«

Cathérine wandte sich ihrer Schwiegermutter zu, kniete mit einer Geste, die ihr inzwischen vertraut geworden war, vor ihr nieder und nahm die schönen, runzligen Hände in die ihren. Die Trennung von Arnaud hatte sie einander nähergebracht, wie Cathérine es nie für möglich gehalten hätte. Die anfänglich hochmütige Haltung der großen Dame gehörte der Vergangenheit an, war nur noch eine Erinnerung, und eine tiefe Zärtlichkeit, die keiner Worte bedurfte, um sich auszudrücken, vereinte die beiden Frauen.

»Was soll ich tun, Mutter?«

»Gehorchen, meine Tochter! Man sagt nicht nein, wenn die Königin Yolande ruft, und unser Haus kann durch Euren Aufenthalt da unten nur gewinnen.«

»Ich weiß. Aber es fällt mir so schwer, Euch zu verlassen, Euch und Michel, und fern zu sein von …«

Sie drehte sich von neuem zum Fenster, aber Isabelle zwang sie sanft, sich ihr wieder zuzuwenden.

»Ihr liebt ihn zu sehr, als daß die Entfernung etwas bedeutete! Geht und habt keine Furcht. Ich werde doppelt über Michel wachen.«

Cathérine küßte der alten Dame schnell die Finger und erhob sich.

»Gut also, ich werde reisen.« Ihr Blick fiel plötzlich auf den Haufen kostbarer Steine auf dem Tisch. »Einen Teil davon nehme ich mit«, sagte sie, »denn ich werde Gold brauchen. Ihr hütet den Rest, Mutter, und macht nach Belieben davon Gebrauch. Ihr könnt leicht einige Steine gegen Taler tauschen.«

Sie nahm den schwarzen Diamanten wieder in die Hand, preßte ihn zwischen den Fingern, als wollte sie ihn zermalmen.

»Wo soll ich zur Königin stoßen?«

»In Angers, Madame … Die Beziehungen zwischen dem König und seiner Schwiegermutter sind immer noch ziemlich gespannt. Die Königin Yolande ist auf ihren Ländereien sicherer als in Bourges oder in Chinon.«

»Dann nach Angers. Wenn es Euch jedoch nichts ausmacht, reisen wir über Bourges. Ich möchte Maître Jacques Coeur bitten, mir einen Käufer für diesen verfluchten Stein zu finden.«

Die Nachricht von der bevorstehenden Abreise erfüllte drei Personen mit großer Freude: Hugh Kennedy vor allem. Der Schotte fühlte sich in den Bergen der Auvergne nicht wohl, die ihn zwar an sein eigenes Land erinnerten, die er aber sehr schlecht kannte. Außerdem war ihm die Gefängnisluft der Festung, die von Cathérines Schmerz bis zum Ersticken geladene Atmosphäre unerträglich geworden. Er wurde zwischen der heftigen Neigung, die er für die junge Frau empfand, dem tiefen Wunsch, sie ihr Unglück vergessen zu machen, und dem Verlangen nach dem früheren guten Leben, den Schlachten, den Handstreichen, dem ungestümen Lagerleben und der herzhaften Männerkameradschaft von einst hin und her gerissen. Die reizenden, freundlichen Städte des Loiretals zu sehen und die Reise in Begleitung Cathérines zu machen, das war doppelte Freude! Er verlor keine Minute, um seine Vorbereitungen für die Abreise zu treffen.

Auch für Gauthier war es eine gute Nachricht, aber aus einem anderen Grunde. Der riesige Normanne, der ehemalige Holzfäller, war von einer blinden, fanatischen, aber stummen Leidenschaft für die junge Frau durchdrungen. Er kniete im geistigen Sinne vor ihr wie der Gläubige vor einem Heiligenbild, und dieser Mann, der nicht an Gott glaubte, sondern seinen Glauben aus den uralten abergläubischen Bräuchen des Nordens nährte, aus antiken, mit den Drachenschiffen ins Land gebrachten Legenden, hatte aus seiner heidnischen Liebe für Cathérine eine Art Religion gemacht. Seit Arnaud de Montsalvy in die Leprastation gesperrt worden war und Cathérine ihn beweinte, hatte auch Gauthier aufgehört zu leben. Er fand keinen Geschmack an der Jagd und verließ die Festung überhaupt nicht mehr. Es war ihm unerträglich, sich auch nur einen Augenblick von Cathérine zu entfernen, und er hatte den seltsamen Eindruck, daß es um ihr Leben geschehen sei, wenn er aufhörte, über sie zu wachen. Aber wie lang einem die Zeit dabei wurde! Er sah mit an, wie sich die Tage aneinanderreihten, immer dasselbe, ohne daß man damit rechnen konnte, daß der Augenblick einträte, in dem Cathérine bereit wäre, ihren Kummer abzuschütteln. Und nun, wunderbarerweise, war dieser Augenblick gekommen! Man würde abreisen, dieses verfluchte Schloß verlassen, endlich etwas unternehmen! Und Gauthier in seiner simplen Seele war nicht weit davon entfernt, den kleinen Mönch vom Mont Beuvray für einen Wundermann zu halten.

Die dritte Person war Sara, die treue, ins Abendland verschlagene Zigeunerin, die Cathérine aufgezogen hatte und ihr durch alle Stadien ihres bewegten Lebens gefolgt war. Mit mehr als fünfundvierzig Jahren hatte Sara, die Schwarze, sich ihre Jugend und Vitalität bewahrt. Ihr dichtes schwarzes Haar wies kaum graue Fäden auf. Ihre braune Haut, glatt und zart, zeigte kein einziges Fältchen. Nur eine behagliche Körperfülle hatte sie sich angegessen, die sie für lange Ritte untauglich machte; aber die ererbte Liebe für die Landstraßen überwand die Sorge um das eigene Wohlbefinden, und wie Gauthier litt sie Qualen, wenn sie sah, wie Cathérine sich lebendig in der Auvergne begrub und nur noch für den dünnen Faden existierte, der sie mit dem Klausner von Calves verband. Die Ankunft Bruder Etiennes war ein wahrer Segen. Der Ruf der Königin würde die junge Frau aus ihrem Schmerz reißen, würde sie nolens volens zwingen, sich wieder dieser Welt zuzuwenden, die sie ablehnte. Und Sara wünschte im Grunde ihres liebenden Herzens, daß Cathérine sich finge und das Leben wieder liebte. Dabei ging sie nicht so weit, ihr eine neue Liebschaft zu wünschen: Cathérine war eine Frau, die nur eine einzige Leidenschaft kannte. Trotzdem, das Leben renkt die Dinge ein! Oft, in der Stille der Nacht, hatte Sara, die Zigeunerin, das Feuer und das Wasser befragt, um ihnen das Geheimnis der Zukunft zu entlocken. Aber das Feuer verlosch, das Wasser blieb klar, und alle Visionen, die sie bisweilen hatte, bewahrheiteten sich nicht. Das Buch des Schicksals blieb für Sara seit dem Aufbruch Arnauds verschlossen.