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Cathérine sah die Königin Yolande flink die Stufen der Freitreppe hinuntersteigen und, beide Hände ausgestreckt und ein strahlendes Lächeln auf den Lippen, dem Ankömmling entgegeneilen. Sie sah, wie Richemonts hartes Gesicht sich glättete, während er niederkniete, um die ihm dargebotene schöne Hand zu küssen. Von ihrem Platz aus konnte Cathérine nicht hören, was gesprochen wurde, bemerkte jedoch, daß zwischen der Herzogin-Königin und dem Oberkommandierenden des Krieges völliges und absolutes Einvernehmen zu herrschen schien, woraus sie einen tiefen Trost zog. Sie erinnerte sich an die Sympathie, die Richemont Arnaud stets bezeigt hatte, und an die Zähigkeit, mit der dieser Mann aus Eisen seine Angelegenheiten verfolgte. Yolande, Richemont – das waren die beiden unzerstörbaren Pfeiler, auf die sie die Zukunft ihres kleinen Michel bauen wollte.

Eine halbe Stunde später hatte sie, in einer Wanne voll heißen, parfümierten Wassers liegend, sowohl das Elend der letzten Tage als auch ihre Müdigkeit fast vergessen. Die Augen geschlossen, den Nacken auf den mit Tüchern belegten Rand der Wanne gestützt, ließ Cathérine sich gehen, entspannte Körper, Muskeln und Nerven. Das heiße Wasser drang durch jede Fiber ihres Wesens und bewirkte eine wohltuende Erschlaffung. Sie hatte das tröstliche Gefühl, auf dem Grunde dieses von balsamischen Kräutern duftenden Bades mit dem Schmutz auch alles andere hinter sich zu lassen, die Angst, ihre Leiden und selbst zehn Jahre ihres Lebens. Ihr Kopf war wieder klar, ihr Blut zirkulierte besser. Von neuem wußte sie, daß sie jung und stark war und daß ihre weiblichen Waffen intakt geblieben waren. Dies hatte sie in den bewundernden Augen der beiden Dienerinnen gelesen, die ihr beim Einsteigen ins Bad geholfen hatten und jetzt damit beschäftigt waren, Truhen und Laden zu öffnen, Linnen und Tücher herauszunehmen und ihr Nachtlager zu bereiten, während sie ausruhte. Jawohl, sie war immer noch schön, und es war gut, es zu wissen!

Sara schlief in dem Verschlag, in den man sie mehr getragen als geführt hatte. Sie hatte auf dem Weg dorthin kaum einmal die Augen geöffnet, aber dies eine Mal konnte Cathérine auf sie verzichten.

Jetzt war das Bett gemacht, das Badewasser war mit gräulichen Lachen bedeckt, die deutlich machten, wieviel Schmutz Cathérine aus der Auvergne mitgebracht hatte, und eine der Kammerfrauen hielt schon ein am Feuer gewärmtes Badetuch bereit, um die Badende einzuhüllen. Diese erhob sich, blieb einen Augenblick aufrecht in der Wanne stehen und streifte mit beiden Handflächen die über ihre Schenkel rollenden Tröpfchen ab. Im selben Augenblick hallten die Fliesen des schmalen Ganges draußen von dem schnellen Schritt von Eisenschuhen wider, die Tür öffnete sich unter dem Druck einer herrischen Hand, und ein Mann trat ins Zimmer.

Sein Ausruf der Verblüffung mischte sich mit dem Schreckensschrei Cathérines. Von dem so plötzlich erschienenen Mann konnten ihre aufgerissenen Augen keine Einzelheiten sehen. Sie sahen nur, daß er fast ein Riese und blond war. Mit schroffer Bewegung riß sie der Dienerin das Badetuch aus den Händen und wickelte sich darin ein, ohne sich darum zu kümmern, daß es halb ins Wasser tauchte.

»Wie könnt Ihr es wagen? Hinaus! Sofort hinaus!« rief sie.

Das Bild, das sich ihm geboten hatte, und die wütende Anrede Cathérines hatten den Eindringling in völlige Verblüffung gestürzt. Er machte große Augen und öffnete den Mund, ohne ein Wort herauszubringen, während Cathérine aufgebracht schrie:

»Nun, worauf wartet Ihr noch? Ich habe Euch gesagt, Ihr sollt gehen! Seid Ihr noch nicht draußen?«

Offenbar hatte er sich in Stein verwandelt, und als er endlich Worte fand, reichte es nur zu einem verdatterten Gestammeclass="underline"

»Wer … wer seid Ihr?«

»Das geht Euch nichts an! Und was Euch betrifft, kann ich Euch sagen, was Ihr seid: ein Flegel! Verschwindet!«

»Aber …«, begann der Unglückliche.

»Nichts ›aber‹! Seid Ihr immer noch da?«

Wahnsinnig vor Wut, packte Cathérine in der Wanne einen großen Schwamm und schleuderte ihn, vollgesogen mit Wasser, nach dem Feind. Sie hatte gut gezielt. Der Schwamm landete mitten im Gesicht des Eindringlings, und das Waffenhemd aus blauer Seide, das er über seinem Panzer trug, wurde klatschnaß. Diesmal ergriff er die Flucht. Vage Entschuldigungen stotternd, entfloh der Chevalier eiligst mit klirrendem Panzer. Cathérine stieg nun mit der Würde einer beleidigten Königin aus dem Bad, aber die beiden sprachlosen Dienerinnen rührten keinen Finger, um ihr dabei behilflich zu sein.

»Nun?« fragte sie trocken.

»Weiß die edle Dame, wen sie soeben derart behandelt hat?« brachte die eine von ihnen schließlich heraus. »Das war Monseigneur Pierre de Brézé, ein treuer Anhänger der Königin, bei der er viel zu sagen hat. Außerdem …«

»Das genügt!« unterbrach Cathérine. »Wenn es der König in Person gewesen wäre, hätte ich nicht anders gehandelt. Trocknet mich ab, ich friere!«

Cathérine hatte mit einigem Humor jeden Gedanken an den indiskreten Besucher verjagt und wünschte vor allem, ihm nicht mehr zu begegnen, denn die lächerliche Lage, in die er sie gebracht hatte, war ihr durchaus bewußt. Trotzdem war er es, den sie zuerst bemerkte, als sie am anderen Morgen in den großen Schloßsaal trat, in den die Herzogin-Königin sie hatte rufen lassen; doch machte es ihr seltsamerweise weit weniger aus, als sie ursprünglich geglaubt hatte. Eine gute Nacht, ein reichhaltiges Frühstück und gepflegte Kleidung hatten Wunder bei ihr gewirkt. Sie fühlte sich als eine ganz andere Frau, bereit zu jedem Kampf.

Yolande hatte ihr wegen ihrer offensichtlichen Bedürftigkeit einige Kleider zur Auswahl geschickt. Was Cathérine schließlich angezogen hatte, war eine Robe aus schwerem schwarzem Brokat unter einem Umhang aus Silberstoff mit Zobelrand. Die hohe, spitze Haube bestand aus dem gleichen Material. Eine Woge schwarzen, silberdurchwirkten Musselins flutete von ihr herab und vervollständigte den Eindruck einer Art Trauerkleidung, die die Schönheit Cathérines gebührend unterstrich. Wenn ihr Spiegel ihr im übrigen Zweifel gelassen hätte, wäre das bewundernde Murmeln, das sie beim Eintritt in den Saal empfing, geeignet gewesen, ihr auch den letzten zu nehmen. In tiefer Stille schritt sie sodann dem Throne zu, auf dem Königin Yolande Platz genommen hatte.

Außer der Königin und ihr war nur eine kleine Anzahl von Männern anwesend, etwa sieben oder acht, deren größter Pierre de Brézé und deren imposantester der Konnetabel de Richemont waren, die aufrecht auf den Stufen des Thrones standen. Seitlich des hohen Sessels Yolandes, doch tiefer, saß in einem Kirchenstuhl ein sehr alter Mann im Priestergewand, gerade aufgerichtet trotz seiner sechsundachtzig Jahre, dessen schwache Augen eine Brille zierte: Hardouin de Bueil, Bischof von Angers.

Der Saal war riesig, und Cathérine mußte ein jäh aufwallendes Gefühl der Furcht niederkämpfen, um ihn ruhigen Schritts durchmessen zu können. Vielfarbige Banner bauschten sich sanft gegen die Steingewölbe, und die Wände verschwanden unter kolossalen, prunkvollen Gobelins, deren beherrschende Farbtöne Blau und Rot waren und die die phantastischen Szenen der Offenbarung des heiligen Johannes schilderten. Die Stille war so tief, daß das seidene Rauschen ihres Kleides Cathérine wie ein Gewittersturm in den Ohren klang, doch als sie ungefähr die Hälfte des Saals hinter sich gebracht hatte, hallte ein schneller Schritt auf den Fliesen wider: Der Konnetabel kam ihr entgegen.