Er ballte die Fäuste, holte tief Atem wie ein Schwimmer, der ins Wasser springt, und sagte dann:
»Gebt diesen wahnsinnigen Plan auf, geht nicht da hinunter! Wollt Ihr, daß La Trémoille stirbt? Nun, ich schwöre, daß ich ihn vor dem gesamten Hof, ja vor dem König persönlich in Eurem Namen niederstrecken werde …«
»Ihr würdet nur in Euer Verderben rennen. Der König würde Euch verhaften, ins Gefängnis werfen und ohne Zweifel hinrichten lassen.«
»Was spielt das für eine Rolle?! Lieber renne ich in mein Verderben, als Euch ins Verderben rennen zu sehen! Allein der Gedanke an das, was Ihr tun wollt, macht mich wahnsinnig! Seid barmherzig … gebt es auf!«
»Barmherzig zu wem?« fragte Cathérine leise.
»Zum einen zu Euch selbst … und auch zu mir! Was nützen die Ausflüchte, die großen Worte und das Gerede? Für solche Sachen eigne ich mich nicht, bin vor allem Soldat. Aber ihr wißt bereits, daß ich Euch liebe, ich brauche es Euch nicht noch zu sagen!«
»Und … da Ihr mich liebt, wollt Ihr für mich sterben?«
Er fiel auf die Knie, hob der jungen Frau sein von Leidenschaft gezeichnetes Gesicht entgegen, das sie erschreckte. Dieser Junge war aus schönem und reinem Metall gemacht, er verdiente, geliebt zu werden, und sie wollte nicht, daß er sich in die Sackgasse ihres Schicksals verrannte. Indessen murmelte er:
»Ich wünsche nichts anderes.«
»Und ich will, daß Ihr lebt. Ihr liebt mich, sagt Ihr? Und diese Liebe treibt Euch, für mich sterben zu wollen? Dann müßt Ihr verstehen, was mich bewegt, müßt den Wunsch verstehen, der mich treibt, für das Andenken des Mannes, dessen Namen ich trage, alles zu riskieren … des einzigen Mannes, den ich je geliebt habe und immer lieben werde!«
Er senkte den Kopf, dachte über das Endgültige ihrer Worte nach.
»Ich gebe mich nicht der Illusion hin, eines Tages von Euch geliebt zu werden«, murmelte er. »Ich habe Arnaud de Montsalvy oft gesehen, der damals schon Feldhauptmann war, während ich nur Page oder Knappe war, und niemals, glaube ich, habe ich einen Mann mehr bewundert als ihn. Ich habe ihn auch beneidet. Er war alles, was ich sein wollte: tapfer, stark, selbstsicher! Welche Frau, die die Liebe eines solchen Mannes besitzt, könnte einen anderen lieben? Ihr seht … ich mache mir keine Illusionen.«
»Dennoch«, entgegnete Cathérine, bewegter, als sie sich zeigen wollte, »gehört Ihr zu denen, die eine Frau sehr wohl lieben kann.«
»Aber neben ihm, nicht wahr, werde ich niemals bestehen können? Das wolltet Ihr mir doch zu verstehen geben, Dame Cathérine? So sehr habt Ihr ihn geliebt?«
Ein scharfer Schmerz durchbohrte Cathérines Herz bei der Erinnerung an das, was sie verloren hatte. Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, Tränen traten ihr in die Augen, und sie ließ sie ohne Scham fließen.
»Ich liebe ihn immer noch mehr als alles in der Welt! Ich würde mein Leben hingeben, Messire, und meine ewige Seligkeit, um ihn wiederzufinden … und sei es auch nur für eine Stunde! Ihr seht, ich verschweige Euch nichts. Soeben spracht Ihr mir von den Gefahren, in die ich mich begeben würde. Aber hätte ich keinen Sohn, hätte ich den Tod schon lange gesucht, um wenigstens das Recht zu haben, mich mit ihm zu vereinen.«
»Also Ihr seht, Ihr müßt leben! Oh, laßt mich Euch helfen, laßt mich Euer Freund sein, Euer Verteidiger! Ihr seid zu zart, um in dieser gnadenlosen Zeit ohne Hilfe zu existieren! Ich schwöre, ich werde Euch mit meiner Liebe nicht behelligen, werde nichts anderes verlangen als das Recht, Euer Ritter zu sein. Heiratet mich! Ich habe einen guten Namen, ein Vermögen … und großen Ehrgeiz.«
Verdutzt trocknete Cathérine sich die Tränen und wußte nicht sofort, was sie darauf antworten sollte. Sie erhob sich, während er seine kniende Stellung nicht aufgab.
»Ihr habt's aber eilig!« sagte sie artig. »Wie alt seid Ihr eigentlich?«
»Dreiundzwanzig Jahre.«
»Ich bin fast zehn Jahre älter!«
»Was macht das schon! Ihr seht wie ein junges Mädchen aus und seid die schönste Dame, die je den Fuß auf die Erde setzte! Ob Ihr wollt oder nicht, Ihr werdet meine Dame sein, und ich werde nur Eure Farben tragen!«
»Meine Farben, Messire, sind die der Trauer, Schwarz und Silber. Hattet Ihr denn keine Dame, ehe Ihr mich kennenlerntet?«
Zum großen Erstaunen Cathérines schnitt Pierre de Brézé eine fürchterliche Grimasse und gestand höchst ungern:
»Eine Dame, nein! Ich habe eine Verlobte, Jeanne du Bec-Crespin … aber sie ist von einer Häßlichkeit, an die ich mich nie gewöhnen werde!«
Plötzlich brach Cathérine in Gelächter aus, und die Atmosphäre entspannte sich merklich. Ihr Lachen klang so hell, so jung, daß Pierre, gegen seinen Willen davon fortgerissen, einstimmen mußte. Mit einer spontanen Bewegung streckte sie ihm beide Hände entgegen, und er vergrub sein Gesicht darin.
»Behaltet Eure Verlobte, Messire Pierre!« sagte sie wieder in ernstem Ton. »Und was mich betrifft, so schenkt mir nur Eure Freundschaft. Ihrer bedarf ich nämlich am allermeisten.«
Er warf ihr einen hoffnungsvollen Blick zu.
»Ich dürfte über Euch wachen, Eure Farben tragen, Euch verteidigen?«
»Aber ja! Doch immer unter der Bedingung, daß Ihr nichts tut, was der Ausführung meiner Pläne hinderlich wäre. Versprecht Ihr das?«
»Ich verspreche es«, erwiderte er ohne Begeisterung. »Aber ich werde während der ganzen Zeit, die Ihr in Amboise seid, auch dort sein, Dame Cathérine, und wenn Euch etwas zustoßen sollte …«
Das Gesicht Cathérines wurde plötzlich ernst. Sie zog ihre Hände zurück, die der junge Mann festgehalten hatte, und schob sie in ihre weiten Ärmel. Ein Schatten verdüsterte ihre Augen, und ihre Lippen wurden entschlossen und hart.
»Wenn ich bei dieser Aufgabe ums Leben kommen sollte, Messire, und Ihr mich wirklich liebt, gut, dann würde ich akzeptieren, was Ihr mir eben törichterweise angeboten habt. Wenn ich sterbe, tötet zu meinem Gedächtnis den Großkämmerer! Werdet Ihr das tun?«
Pierre de Brézé zog seinen Degen, pflanzte ihn vor ihr auf und legte die Hand auf den Knauf.
»Bei den heiligen Reliquien, die dieser Degen umschließt, schwöre ich's.«
Cathérine lächelte und entfernte sich im seidenen Rauschen ihrer langen schwarzen Schleppe mit einer letzten Handbewegung des Abschieds. Immer noch auf den Knien, sah Pierre de Brézé ihr nach, bis sie verschwunden war.
Sechstes Kapitel
Als sie ihr Zimmer betrat, traf Cathérine zu ihrer Überraschung Sara in heftigem Wortwechsel mit Tristan l'Hermite an. Die laute Stimme der Zigeunerin war bis auf die Treppe hinaus zu hören, während der Flame sich bemühte, ihr in viel gemäßigterem Ton zu antworten. Erst der Eintritt der jungen Frau beruhigte die Streithähne, über Saras zornrotem Gesicht war die Haube verrutscht, und Tristan lehnte mit verschränkten Armen und einem aufreizenden halben Lächeln um die Lippen am Kamin.
»Darf ich erfahren, was hier vorgeht?« erkundigte sich Cathérine ruhig. »Man hört euch bis zur Galerie brüllen!«
»Man hört Madame brüllen!« berichtigte Tristan friedfertig. »Was mich betrifft, dürfte ich die Stimme kaum gehoben haben.«
»Das erklärt mir noch nicht, weshalb ihr euch streitet, übrigens, ich wußte gar nicht, daß ihr euch kennt.«
»Wir haben soeben Bekanntschaft geschlossen«, entgegnete der Flame säuerlich. »Um es Euch gleich zu sagen, gnädige Dame, Eure treue Dienerin billigt unsere Pläne nicht.«
Die wenigen Worte genügten, um Saras Zorn von neuem anzufachen, der sich diesmal allerdings gegen Cathérine richtete.
»Bist du wahnsinnig? Du willst dich als Zigeunerin verkleiden und dich so diesem miserablen Kämmerer nähern? Wozu, wenn ich fragen darf? Um vor ihm zu tanzen wie Salome vor König Herodes?«