»Du siehst aus wie eine Teufelin!« murmelte Sara dumpf.
»Das werde ich auch sein, eine Teufelin. Hauptsache, der Mann, den ich hasse, fällt!«
»Hast du an die Männer gedacht, die du anlocken wirst und die alles wagen werden, jetzt, da dein Name und dein Rang dich nicht mehr schützen? Du wirst nichts als eine Zigeunerin sein, die man verletzen oder nach Belieben nehmen kann, wenn man sie nicht als gefährliches und verfluchtes Geschöpf für den Scheiterhaufen bestimmt.«
»Ich weiß. Und ich werde mich mit den Waffen meiner Rolle wehren. Mir wird jedes Mittel recht sein, das zum Erfolg führt.«
»Würdest du dich einem Mann hingeben, wenn es sein müßte?« fragte Sara ernst.
»Sogar dem Henker selbst, wenn nötig, ich bin nicht mehr Cathérine de Montsalvy, ich bin eine Tochter deiner Rasse. Und ich werde heißen … ja, wahrhaftig, wie wirst du mich nennen?«
Sara überlegte einen Augenblick, kniff die Augen zusammen und knabberte an dem goldenen Kreuz, das sie um den Hals trug. Nach einer kurzen Weile entschied sie:
»Ich nenne dich Tchalaï … das bedeutet Stern in unserer Sprache. Aber solange wir noch nicht da sind, wirst du Cathérine bleiben wie zuvor! Nein, das muß ich entschieden sagen: Dieses Abenteuer gefällt mir nicht!«
Cathérine fuhr herum und rief zornig:
»Und ich? Glaubst du vielleicht, mir gefällt's? Aber ich weiß genau, wenn ich meine Aufgabe nicht zu einem guten Ende führen könnte, hätte ich keine Ruhe mehr, weder in dieser noch in der anderen Welt! Ich muß Arnaud rächen, das niedergebrannte Montsalvy, meinen beraubten Sohn rächen! Sonst – was wäre das Leben dann noch wert?«
Am Morgen saß Cathérine gelassen auf einem Schemel, ließ sich von Sara die falschen schwarzen Haare wieder anknüpfen und zu langen Zöpfen flechten, als an die Tür geklopft wurde. Sara ging öffnen. Auf der Schwelle stand Tristan l'Hermite. Er näherte sich, trat in den schwachen Sonnenstrahl, der durch das hohe Fenster hereindrang, und plötzlich fiel den beiden Frauen seine tragische Blässe auf. Sie starrten ihn an.
»Ihr seid ja leichenblaß!« stammelte Cathérine. »Was habt Ihr?«
»Ich habe nichts. Aber der Maler Guillaume ist heute nacht in seinem Haus erwürgt worden. Seine Dienerin hat die Leiche, nachdem sie aufgestanden war, gefunden, und … er ist, bevor er starb, gefoltert worden!«
Eine entsetzte Stille folgte diesen furchtbaren Worten. Cathérine spürte, wie ihr das Blut aus Gesicht und Gliedern wich, um zum Herzen zurückzufließen, fand aber noch die Kraft zu fragen:
»Glaubt Ihr, daß es … wegen uns geschah?«
Tristan hob die Schultern und ließ sich ohne viel Umstände auf eine Fußbank fallen. Der Kummer zeichnete sein sonst so undurchdringliches Gesicht derart, daß er um zehn Jahre gealtert schien. Wortlos holte Sara eine Flasche Malvasierwein, die auf einem Anrichtetisch stand, schenkte einen Becher damit voll und reichte ihn dem Flamen.
»Trinkt das! Ihr habt es dringend nötig!«
Er nahm den Becher dankend an und stürzte den Wein in einem Zug hinunter. Cathérine hatte die Hände fest um die Knie geschlungen, damit sie nicht zitterten, und kämpfte gegen das Entsetzen an, das sie ergriffen hatte.
»Antwortet mir offen und ehrlich«, sagte sie mit einer Stimme, die dank ihrer Willenskraft ruhig klang. »Ist es der Arbeit wegen geschehen, die wir von ihm verlangt haben?«
Tristan l'Hermite breitete die Arme in einer Geste völliger Ahnungslosigkeit aus.
»Wer kann das wissen? Sicher hatte Guillaume Feinde, denn seine Tätigkeiten waren nicht immer ganz sauber. Manch ein schwangeres Mädchen ist durch die gewandten Hände, die Ihr gestern bewundert habt, von den Folgen ihres Leichtsinns befreit worden. Es kann sein, daß es sich nur um ein zufälliges Zusammentreffen handelt.«
»Aber Ihr glaubt es nicht!«
»Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was ich glauben soll, ich wollte Euch nur ins Bild setzen und warnen, um zu erfahren, wofür Ihr Euch entscheidet. Ihr könnt Eure Meinung ändern, und in diesem Fall würde ich den Rat von neuem einberufen.«
Er erhob sich schon, aber Cathérine hielt ihn mit einer flinken Bewegung zurück.
»Nein, bleibt! Ich hatte eben einen Augenblick Angst, das gebe ich zu. Ihr wart so bleich! Jetzt aber geht's schon wieder besser. Ich habe keine Lust, die Sache aufzuschieben. Dafür ist es zu spät. Der Plan ist gut, ich werde ihn bis zum Ziel verfolgen. Es steht Euch frei, ihn aufzugeben …«
Das massige Gesicht des Flamen verzog sich zu einer scheußlichen Grimasse.
»Haltet Ihr mich für einen Feigling, Dame Cathérine? Wenn ich etwas unternehme, dann halte ich durch, gehe bis zum Ende, ganz gleich, welcher Art die Konsequenzen sein mögen. Und ich halte nicht das geringste davon, auf Befehl Monseigneurs des Konnetabels in ein Burgverlies geworfen zu werden. Wenn Ihr einverstanden seid, brechen wir heute nacht auf. Ein Geleitbrief, den ich bereits habe, wird uns die Stadttore öffnen. Es wäre besser, wenn man uns bei unserem Aufbruch nicht sähe. Ebenfalls wäre anzuraten, daß Ihr heute Euer Zimmer nicht verlaßt. Ruht Euch aus, Ihr werdet es nötig haben. Die Königin wird heute abend nach der Vesper kommen, um Euch hier zu sehen …«
»Einverstanden. Ich hatte ohnehin nicht die Absicht, anders zu handeln.«
»In diesem Fall … kann ich Messire de Brézé sagen, Ihr seid kränklich und wolltet niemand sehen?« Der umgedrehte Daumen Tristans wies auf die Tür. Er fügte hinzu: »Er ist da, spaziert im Wandelgang auf und ab.«
»Sagt, was Ihr wollt … zum Beispiel, daß ich ihn morgen empfangen werde.«
Das dünne Lächeln des Flamen war wie ein Echo dessen, das sie ihm zuwarf, und wie durch ein Wunder entspannte sich die Atmosphäre. Nur Sara behielt ihre düstere Miene bei.
»Wir werden in ein scheußliches Wespennest stechen, Cathérine«, sagte sie. »Ich hoffe, du bist dir darüber klar.«
Aber die junge Frau zuckte ungeduldig die Schultern und nahm wieder den Spiegel, den sie hingelegt hatte.
»Na und?« entgegnete sie schroff.
Siebentes Kapitel
»Das ist die Höhle, aus der wir das Raubtier aufstöbern müssen!« sagte Tristan l'Hermite, mit seiner Reitpeitsche auf das auf der anderen Seite des Flusses aufragende Schloß deutend.
Am rechten Ufer der Loire hatten die drei Reiter angehalten, neben der alten römischen Brücke, und prüften nun den Ort ihrer künftigen Tätigkeit. In einen Knabenanzug aus braunem Tuch gekleidet, dessen an die Pelerine angeschnittene Kappe nur ihr gebräuntes Gesicht sehen ließ, maß Cathérine das felsige Außenwerk, das sich wie ein schlafender Löwe ans Flußufer schmiegte, und die Festung, die es krönte, mit den Augen: die abweisenden schwärzlichen Mauern, an die zehn massive Türme, die einen dicken Schloßturm umgaben, vorspringende Wehrgänge und Pecherker, denen man ansah, daß sie häufig gebraucht wurden. All dies stand in krassem Gegensatz zu der Anmut dieser Flußlandschaft, die der Frühling in zärtliches Grün hüllte. Einzig ein Wald von auf den Wällen flatternden, vom königlichen Emblem beherrschten Fahnen gab dem rohen Bauwerk einen freundlicheren Akzent.
Sara schob die Kapuze ihrer Mönchskutte zurück und betrachtete das Schloß mit Mißtrauen.
»Wenn wir da einmal hineingehen, kommen wir lebend nicht mehr heraus.«