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Cathérine wäre am liebsten stundenlang in diesem warmen, linden Wasser geblieben, in dem ihre Schmerzen vergingen und die wunden Stellen ihrer Haut heilten. Aber zweifellos hatte Gilles de Rais nicht die Absicht, allzulange von ihr vergessen zu werden. Die Kammerfrauen holten sie endlich aus dem Wasser, kleideten sie in ein feines Seidenhemd, dann in einen dalmatinischen Überhang mit weiten Ärmeln aus schwerer weißer, grüngestreifter Seide.

Doch als die beiden Frauen sich mit ihrem Haar beschäftigen wollten, stieß sie sie zurück und wies ihnen mit so wilder Gebärde die Tür, daß die eingeschüchterten Dienerinnen, fraglos irgendeine Hexerei befürchtend, nicht darauf bestanden und sich beeilten, ihr zu gehorchen. Tatsächlich war Cathérine nicht darauf erpicht, sie feststellen zu lassen, daß ihr üppiges schwarzes Haar nicht völlig ihr eigenes war.

Allein geblieben, löste sie ihre Zöpfe, bürstete und kämmte lange ihr Haar, um es vom Staub zu befreien, und legte dann wieder bedächtig ihre Frisur, die sie befestigte, indem sie weiße Bänder in ihre sowohl echten wie falschen Haare flocht. Darauf zog sie ihre Augenbrauen nach, glättete sie sorgfältig mit dem Finger und frischte ihr Lippenrot auf. Für den bevorstehenden, wenn auch noch so verzweifelten Kampf kam es sehr darauf an, sich gut zu wappnen, und Cathérine wollte weithin sichtbar im Besitz aller ihrer weiblichen Reize sein. Anständig und gut angezogen, ihrer Schönheit gewiß trotz ihrer fremdländischen Erscheinung, fand sie sich als Cathérine de Montsalvy wie vorher wieder. Außerdem gestand sie sich gern ein, daß es ihr schwerfiel, der Persönlichkeit, die sie sich ausgeborgt hatte, zu gleichen. Aber nachdem sie sich nun einmal ins Wasser gestürzt hatte, mußte sie eben schwimmen! Wenn sie bloß die Krämpfe ihres hungrigen Magens beruhigen könnte! …

Entschlossen öffnete sie die Tür des Baderaums und stand den beiden Kammerfrauen und den Wachen gegenüber. Ihre Erscheinung ließ die Augen der Soldaten aufleuchten, aber das kümmerte sie wenig.

»Ich bin fertig«, sagte sie nur und setzte sich mit festem Schritt in Bewegung, als ginge sie in die Schlacht.

Einige Augenblicke später betrat sie wieder das Zimmer Gilles de Rais'. Dabei stellte sie aufatmend fest, daß ein reichgedeckter Tisch schon vor ihr hereingebracht worden war. Mit Befriedigung machte sie sich klar, daß man jemand, den man zu töten beabsichtigte, im allgemeinen nicht vorher beköstigte!

Wie nicht anders zu erwarten, war auch der große Herr selbst da, lässig in einen hohen, geschnitzten Ebenholzsessel gelehnt; aber Cathérine vergaß ihre Angst und hatte nur Augen für das goldbraune, appetitliche Huhn, das auf einer Silberplatte dampfte und köstlichen Duft verbreitete. Pasten, Schalen mit Eingemachtem und Flakons umgaben es. Die Nasenflügel der jungen Frau begannen zu beben … Indessen betrachtete Gilles de Rais seine Gefangene. Eine herrische Bewegung seiner blassen Hand rief sie zu sich.

»Hast du Hunger?«

Ohne zu antworten, nickte sie zustimmend.

»Dann setz dich … und iß!«

Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Sie zog sich einen Hocker heran, setzte sich an den Tisch, bemächtigte sich einer Pastete und schnitt sich ein großes Stück ab, das sie gierig verschlang. Noch nie hatte sie etwas so Gutes gegessen. Nach den ekelhaften dünnen Suppen der Zigeuner war diese Pastete eine wahre Delikatesse. Sie schnitt sich ein weiteres Stück ab, dann ging die Hälfte des Hühnchens denselben Weg, während Gilles ihr einen Becher mit hellrötlichem, dickflüssigem Wein füllte. Cathérine nahm den Wein an wie alles andere und leerte den Becher mit einem Zug. Sie fühlte sich danach um so viel besser, daß sie den scharfen Blick nicht bemerkte, mit dem ihr Gastgeber sie musterte: den Blick der Katze, die die Maus belauert. Mit einem Schlage fühlte sie sich fähig, es mit dem Teufel selbst aufzunehmen. Zweifellos das Feuer des Weins!

Gilles stützte sich mit den Ellbogen auf das Tischtuch aus besticktem Linnen, um besser zusehen zu können, wie sie eingelegte Pflaumen naschte.

Nachdem ihr Hunger gestillt war, warf Cathérine ihm einen schnellen Blick zu, darauf wartend, daß er spräche. Doch offenbar hielt er den Moment dafür noch nicht gekommen, und das Schweigen wurde allmählich unerträglich. Also würde sie beginnen. Mund und Hände mit einer Seidenserviette abwischend, stieß sie einen befriedigten Seufzer aus, und es gelang ihr, ihrem beunruhigenden Gegenüber ein Lächeln zuzuwerfen. Sie wußte, wenn sie Furcht zeigte, würde sie das ganz sicher verraten.

»Vielen Dank für die Mahlzeit, edler Herr! Ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie solche guten Sachen gegessen!«

»Nie? … Wirklich?«

»Wirklich! Unsere Feuer unter freiem Himmel bringen solche Wunder nicht zustande! Wir sind arme Leute, Herr, und …«

»Ich sprach nicht von den miserablen Kochkesseln der Zigeuner«, unterbrach Gilles de Rais kalt, »sondern von den Küchen Philippes von Burgund, der sich Großherzog des Abendlandes nennen läßt. Ich hätte sie für noch raffinierter gehalten!«

Und als Cathérine, die wie versteinert dasaß, nichts zu erwidern fand, stand er auf und trat zu der jungen Frau, beugte sich über sie.

»Ihr spieltet die Komödie wie eine große Künstlerin, meine liebe Cathérine, und ich habe als Kenner Eure … Kreation genossen, besonders in dieser Zweikampfszene! Ich hätte nie geglaubt, daß die Dame de Brazey wie ein Mädchen von der Straße raufen könnte! Aber glaubt Ihr nicht, daß es besser wäre, bei mir mit offenen Karten zu spielen?«

Ein bitteres Lächeln verzog Cathérines Lippen.

»Ihr habt mich also erkannt?«

»Das war gar nicht so schwierig! Ich wußte, daß Ihr hier wart, in der Verkleidung einer Zigeunerin!«

»Wie habt Ihr das herausgebracht?«

»Ich habe meine Spione überall, und es ist mir nützlich, sie zu haben. Unter anderem habe ich welche im Schloß von Angers. Einer von ihnen erkannte Euch wieder, nachdem er Euch in Champtocé gesehen hatte. Er ist Euch gefolgt, als Ihr zu Guillaume, dem Maler, gegangen seid. Ich muß sagen, daß dieser scheußliche Biedermann uns allerlei Schwierigkeiten machte, bevor er von Euch und Eurer Maskierung erzählte, obgleich wir alle möglichen Überredungskünste anwandten …«

»Ihr habt ihn also gefoltert … getötet?« rief die junge Frau entsetzt. »Ich hätte Eure Hand gleich erkennen sollen!«

»Ich war's in der Tat. Leider hat er uns den Grund für diese Maskerade nicht anvertraut, trotz unserer Bemühungen.«

»Aus dem einfachen Grunde, weil er ihn nicht kannte!«

»Diesen Schluß hatte auch ich schon gezogen. Ich rechne also damit, daß Ihr ihn mir mitteilt. Nehmt inzwischen davon Kenntnis, daß ich eine Vermutung habe …«

Die über sie gebeugte dunkle Gestalt flößte ihr unerträgliches Unbehagen ein.

Um sich davon zu befreien, stand sie auf, ging auf das geöffnete Fenster zu und lehnte sich daran. Ihr Blick kreuzte den Gilles' und hielt ihn fest.

»Und wozu bin ich Eurer Meinung nach hierhergekommen?«

»Um Euer Vermögen zurückzugewinnen! Das ist ganz legitim und ein Unternehmen, das ich verstehen kann.«

»Mein Vermögen?«

Gilles de Rais blieb keine Zeit zu antworten. Man hatte an die Tür geklopft, die sich sofort öffnete, ohne daß der Besucher auf die Eintrittserlaubnis wartete. Zwei mit Hellebarden bewaffnete Wachen traten ein und nahmen zu beiden Seiten des niedrigen Spitzbogens Aufstellung. Auf der Schwelle erschien sodann eine Persönlichkeit, so dick wie lang, eine wahre Masse von Fett, mit Ellen goldeingefaßten Samts behängt, mit rotem, gedunsenem und arrogantem Gesicht, das ein kurzer brauner Bart zierte.