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»Jetzt kannst du weinen, nachdem du dir dein Todesurteil gesprochen hast, arme Idiotin! Welche Mücke hat dich gestochen, diese fürchterliche Frau anzugreifen?«

Und als Cathérine nicht antwortete, senkte er den dicken Kopf, der ohne Hals direkt in die massigen Schultern überzugehen schien.

»Es wird mir Schmerz bereiten, dich zu foltern, weil es schade ist, ein schönes Mädchen wie dich zugrunde zu richten! Aber wahrscheinlich wirst du für das, was du ihr angetan hast, grausam bezahlen müssen.«

»Was kann sie schon anderes tun als mich töten!« sagte Cathérine verächtlich.

»Es gibt töten und töten! Mir wär's am liebsten, wenn ich dich nur hängen müßte, aber damit wird sie sich garantiert nicht zufriedengeben! Nun … ich werde versuchen, mich unbeholfen zu stellen, damit es nicht zu lange dauert!«

Die Absichten des Mannes waren gut, aber die Vorstellung, die seine Worte beschworen, war entsetzlich, und Cathérine preßte die Zähne zusammen, um nicht zu schaudern.

»Danke!« sagte sie nur.

Beim Verlassen des niedrigen Raums waren der Folterknecht und seine Gefangene auf einen schmalen Gang getreten, auf den sich drei eisenbeschlagene Türen öffneten. Eine davon war offen. Der Mann stieß Cathérine in ein enges, feuchtes Verlies. Ein modriggrüner Wasserkrug, ein Haufen faules Stroh und ein Paar eiserner Handschellen, die mit rostigen Ketten an der Mauer befestigt waren, bildeten seine ganze Einrichtung.

Durch ein winziges Kellerfenster, kaum größer als eine Hand und zu hoch angebracht, als daß man es hätte erreichen können, drang dürftiges Tageslicht herein. Schmutziges Wasser rieselte unter ihm an der Wand herunter.

»So, da bist du fürs erste zu Hause«, sagte der Folterknecht. »Gib deine Hände her!«

Sie reichte sie ihm widerstandslos, und die dicken Handschellen klappten über den zerbrechlichen Gelenken zu. Der Mann zögerte einen Augenblick.

»Du hast hübsche Hände«, sagte er, »Damenhände … Schade! Es gibt Tage, wo mein Beruf reichlich traurig ist.«

»Warum übt Ihr ihn dann aus?«

Über das stumpfe Gesicht des Folterknechts glitt flüchtig ein Ausdruck naiver Überraschung, während eine Art Lächeln seine gelben Zähne entblößte.

»Aber … weil ich keinen anderen kenne! Mein Vater hat dasselbe vor mir gemacht und sein Vater vor ihm! Es ist ein schöner Beruf, weißt du, der einen weit bringen kann, wenn man tüchtig ist! Es gibt da Finessen, die einem viel Lob eintragen können. Vielleicht werd' ich eines Tages vereidigter Oberhenker einer großen Stadt! Ah, wenn nur der König nach Paris zurückkehrte, das wäre zu schön!«

Mit einem Entsetzen, das sie nicht beherrschen konnte, starrte Cathérine auf die noch frischen Blutflecken, die den groben Oberkörper des Mannes beschmutzten. Er bemerkte ihren Blick und deutete ein verlegenes Grinsen an.

»Nun, ich will dir keine Angst einjagen! Du würdest mich für ein brutales Tier halten! Versuch zu schlafen, wenn du kannst.«

Sie fürchtete, ihn gekränkt zu haben, und in dem Wunsch, ihn sich nicht zum Feind zu machen, fragte sie:

»Wie heißt Ihr?«

»Es ist nett von dir, mich danach zu fragen. Das passiert mir nicht oft, mußt du wissen. Ich weiße Aycelin der Rote … ja, Aycelin. Meine Mutter sagte, es sei ein hübscher Name …«

»Sie hatte recht«, sagte Cathérine ernst. »Es ist ein hübscher Name.«

Cathérines Augen gewöhnten sich ziemlich schnell an die Dunkelheit ihres Verlieses. So winzig das Kellerfenster war, erlaubte es wenigstens, Tag und Nacht und die Dinge zu unterscheiden, die sie umgaben. Die Gefangene dankte dem Himmel, daß sie nicht in eins jener Löcher geworfen worden war, tief unter der Erdoberfläche, in die nie ein Lichtstrahl drang, wie das, welches sie in Rouen kennengelernt hatte.

Auf dem verfaulten Stroh ihrer Zelle sitzend, ließ sie die Stunden an sich vorüberrinnen. Trotz ihrer Schwere erlaubten die Fesseln ihren Händen jede Bewegung, und bald merkte sie, daß sie sie mit ein wenig gewaltsamer Nachhilfe vielleicht von ihren Gelenken streifen könnte. Ihre Hände waren so schmal, so zart … Doch besser wär's, es im Augenblick nicht zu versuchen, denn es mußte Schmerzen mit sich bringen, die es ihr nicht gestatten würden, sich die Eisen wieder anzulegen.

Und es gab noch einen weiteren Grund, zufrieden zu sein: Man hatte sie nicht durchsucht, und der Dolch war immer noch da, ermutigend und hart zwischen ihren Brüsten. Gelobt sei Gott, daß er sie gehindert hatte, ihn vorhin zu ziehen! Man hätte ihn ihr entrissen, und sie hätte ihn nie mehr zurückbekommen. Ihm würde sie es zu verdanken haben, daß sie den Folterungen mit Gewißheit entginge, die die Gräfin ihr zugedacht haben mußte. Ein schneller Stoß, und alles wäre vorüber. Sie würde unter dem höhnischen Blick ihrer Feindin nicht vor Schmerzen schreien … Trotzdem konnte sie die Bangigkeit nicht verscheuchen, die ihr die Kehle zudrückte; was würde wirklich mit ihr geschehen? Die Geräusche des Schlosses drangen kaum zu ihr herunter, gedämpft durch die Tiefe und Dicke der Mauern, und trotzdem schien es ihr, als höre sie in einem bestimmten Augenblick von fern eine Art Wehklage, schauerlich und abgerissen. Sie vermutete, daß es das Geheul des Stammes angesichts des gemarterten Leichnams seines Anführers sein müsse. Sie stellte sich die Schreie der Frauen vor, ihr gelöstes, mit Staub bedecktes Haar, ihre Finger, die blutende Spuren über die tränenüberströmten Gesichter zogen, die monotonen Gesänge eines vom Schmerz gebeugten Volkes, vielleicht die Verwünschungen auch gegen diejenige, für die Fero gestorben war!

»Mein Gott!« betete sie stumm. »Gib, daß sie mich verstehen, daß sie mir verzeihen! Besonders Tereina! Es wird ihr solchen Schmerz bereiten! … Hab Mitleid mit ihr …«

Würde ihnen wenigstens Zeit bleiben, den Leichnam mit dem Zeremoniell, das sie neulich nachts gesehen hatte, dem Fluß anzuvertrauen? Die Dame hatte befohlen, sie zu verjagen, und La Trémoille hatte keinen Einspruch erhoben. Es schien ihr, als hörte sie die Sergeanten des Königs Befehle brüllen, als hörte sie das Klatschen der Peitschen der Soldaten, die mit der Austreibung der Vaganten beauftragt waren … Doch eine Stimme sang, eine Frauenstimme, tief und schön. Und Cathérine hatte dieses geheimnisvolle, herzzerreißende Lied schon gehört …

Plötzlich wurde sie sich bewußt, daß die Stimme nicht in ihrer Phantasie, sondern in Wirklichkeit sang … und sehr nahe! Genau gesagt, auf der anderen Seite der Mauer. Sie verstand sofort, und von einem Freudentaumel mitgerissen, wollte sie zu der Mauer stürzen, durch die der Gesang drang. Aber die Ketten, die sie vergessen hatte, spannten sich brutal und warfen sie mit schmerzenden Handgelenken auf den Boden zurück, während ihr Tränen in die Augen schossen. Doch die Fesseln konnten ihre Stimme nicht unterdrücken:

»Sara! Sara! Bist du da? Ich bin's …« Sie biß sich auf die Zunge. In ihrer überschwenglichen Freude hätte sie fast gerufen: »Ich bin's, Cathérine!« Sie hatte gerade noch genug Geistesgegenwart, um sich zu fangen: »Ich! Tchalaï …« Dann lauschte sie mit gespitzten Ohren. Der Gesang in der benachbarten Zelle war verstummt. Noch einmal rief sie: »Sara, ich bin hier!« Wieder ein Augenblick der Stille … und endlich, mit unaussprechlicher Erleichterung, hörte sie:

»Gott sei gelobt!«

Die Stimme klang schwächer als im Lied, und Cathérine begriff, daß es nicht leicht sein würde zu sprechen. Da man schreien mußte, um gehört zu werden, konnte es sogar gefährlich werden. Nun, um so schlimmer! Es war schon eine große Freude zu wissen, daß Sara in ihrer Nähe war! Und hatte Tristan nicht gesagt, daß er über Sara wachen werde? Vor kurzem erst war er Cathérine mit den Augen gefolgt, als sie die Dame de La Trémoille ins Gefängnis begleitet hatte. Er mußte erstaunt gewesen sein, sie ohne Cathérine wieder zum Vorschein kommen zu sehen, und daraus seine Schlüsse gezogen haben. Ein wenig beruhigt, rappelte sich Cathérine wieder auf und kehrte zu ihrem Strohhaufen zurück. Wenn die Gräfin sie nicht schon in den folgenden Stunden umbringen ließ, hatte sie eine Chance, zu überleben. Ins Herz der finstersten Gefängnisse dringt die Hoffnung am leichtesten ein, und Cathérines Hoffnung erwachte wieder.