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»Das werden wir später sehen! Schließ die Tür wieder und paß gut auf!«

Ohne Cathérine noch einen Blick zuzuwerfen, verließ Tristan den Kerker. Die schwere Tür schloß sich wieder. Dunkelheit hüllte die Zelle von neuem ein, aber Cathérines Nerven waren allzu grausam strapaziert worden. Sie brach in Schluchzen aus. Es tat ihr gut. Sie weinte lange und heftig, doch schließlich war sie erschöpft und fühlte ihren Schmerz gelindert … Im Nachbarkerker war kein Geräusch zu vernehmen. Sara mußte ebenso wie sie Angst ausgestanden haben, aber Tristan hatte sie zweifellos beruhigt … Cathérine mühte sich, ihre Fassung wiederzugewinnen. Sie brauchte sie, brauchte innere Ruhe, um in einer Stunde – zweifellos sehr bald – La Trémoille gegenüberzutreten!

Wie um ihr recht zu geben, blitzte ein Lichtschein unter der Tür auf. Schritte, die offenbar nicht verheimlicht wurden, hallten im Gang wider. Die Riegel klapperten in ihren Haltern, die Tür öffnete sich und wurde sofort von der mächtigen Gestalt des Großkämmerers ausgefüllt. Aycelin folgte ihm mit einer Laterne, die das bärtige Profil La Trémoilles auf das Deckengewölbe des Kerkers warf. Als der dicke Mann das aufgelöste Gesicht Cathérines gewahrte und die Blutspuren entdeckte, blieb er jäh stehen.

»Was ist das? Bist du verletzt? Was ist hier geschehen? Ich hatte doch befohlen …«

Erschrocken zog Aycelin den Kopf, soweit es ging, zwischen die Schultern, doch Cathérine kam ihm gleich zu Hilfe.

»Man hat versucht, mich zu ermorden, Monseigneur! Dieser Mann hat mich schreien hören … Er hat mich gerettet.«

»Gut gemacht! Da … fang auf! Und verlaß uns!«

Mit spitzen Fingern warf er dem Folterknecht ein Goldstück zu, das dieser mit der Geschicklichkeit einer Katze auffing, bevor er sich mit einer tiefen Verbeugung und Danksagung zurückzog. La Trémoille blickte sich um, suchte nach einem Sitzplatz, aber es gab keinen außer dem Strohhaufen, auf dem Cathérine kauerte. Er rümpfte verdrossen die Nase und blieb notgedrungen stehen. Dafür zog er unter seinem Mantel einen Beutel hervor und reichte ihn der Gefangenen.

»Da! Du mußt Hunger haben! Iß und trink. Danach unterhalten wir uns! Aber beeil dich!«

Cathérine starb vor Hunger. Sie hatte seit dem Tag zuvor nichts mehr gegessen und ließ es sich nicht zweimal sagen. Sie verschlang das Brot und das Geflügel, die in dem Beutel waren, trank den Wein und warf dem dicken Kämmerer einen funkelnden Dankesblick zu.

»Dank, Seigneur, Ihr seid gütig …«

Eine verrückte Hoffnung stieg in ihrem Herzen auf. Es war das erstemal, daß sie mit ihm allein war, ohne Gefahr. War die Zeit gekommen, ihren Plan zur Ausführung zu bringen? Auf La Trémoilles Gesicht lag ein Lächeln, das es in tausend kleine, fette Fältchen verzog. Seine feiste Hand legte sich auf Cathérines Kopf, und er murmelte mit schmeichelnder Stimme:

»Du weißt genausogut wie ich, daß ich dir nichts antun will, Kleine! Du hast keine Schuld an alldem hier. Du bist nicht aus eigenem Antrieb von mir weggegangen, nicht wahr?«

»Nein. Ein junges Mädchen hat mich geholt«, antwortete Cathérine, sich naiv gebend. »Ein schönes blondes, junges Mädchen.«

»Violaine de Champ chevrier, ich kenne sie nur zu gut. Sie ist die Vertraute meiner Frau; aber du, denke ich, bist meine Freundin. Du erinnerst dich, daß ich immer gut zu dir gewesen bin, nicht wahr?«

»Sehr gut, Seigneur, sehr hilfreich!«

»Dann ist jetzt der Augenblick gekommen, dich dafür dankbar zu erweisen. Was war das für ein Fläschchen, das du vorhin zerbrachst und dessen Scherben du der Gräfin ins Gesicht geworfen hast?«

Cathérine senkte den Kopf, als ob sie mit sich kämpfte, und antwortete nicht sofort. La Trémoille wurde ungeduldig.

»Los, sprich! Du hast kein Interesse zu schweigen, ganz im Gegenteil.«

Sie hob wieder den Kopf, blickte ihm mit dem Anschein großer Freimütigkeit ins Gesicht.

»Ihr habt recht. Ihr habt mir nichts Böses getan! Dieses Fläschchen … es enthielt einen Liebestrank, den die Dame von mir verlangt hatte.«

Ein grausamer Zug verzerrte die dicken Lippen La Trémoilles, während seine Augen sich zusammenzuziehen schienen.

»Einen Liebestrank, so? Weißt du, für wen?«

Diesmal zögerte Cathérine nicht. Ohne jede Frage durfte sie für den jungen Grafen von Maine nicht die geringste Gefahr heraufbeschwören. Sie schüttelte energisch den Kopf.

»Nein, Seigneur, ich weiß es nicht!«

Die Stirn des Großkämmerers verdüsterte sich. Nervös spielten seine Finger mit dem dicken vergoldeten Gürtel, den er trug; einen Augenblick verharrte er in Schweigen.

»Einen Liebestrank!« murmelte er schließlich. »Wozu? Meine Frau sucht nicht die Liebe, sie sucht nur das Vergnügen …«

Cathérine holte tief Atem und preßte die gefesselten Hände ineinander, um gegen die Erregung anzukämpfen, die sich ihrer bemächtigte. Der Augenblick war gekommen, alles aufs Spiel zu setzen, die Worte zu sagen, die diesem Mann zu sagen sie von Angers hierhergekommen war, ihn zu überreden, das sichere Amboise zu verlassen …

»Es ist ein sehr stark wirkender Trank, Monseigneur. Er macht den, der ihn trinkt, so schwach wie ein Kind in den Händen dessen, der ihn einflößt. Und die Dame wollte damit einem Mann ein großes Geheimnis entreißen … das Geheimnis eines Schatzes!«

Sosehr sie damit auch gerechnet hatte, verblüffte sie doch die magische Wirkung ihrer Worte. Das fette Gesicht verfärbte sich, während die Augen des Kämmerers Funken sprühten. Er packte Cathérine an der Schulter und schüttelte sie wild:

»Eines Schatzes? Was weißt du davon? Sprich, sprich endlich! Welches Geheimnis? Welcher Schatz?«

Sie spielte die Angst bis zur Perfektion, zog sich in sich selbst zurück, indem sie dem dicken Mann furchtsame Blicke zuwarf.

»Ich bin nur ein armes Mädchen, Seigneur! Woher sollte ich solche Geheimnisse kennen? Aber ich habe Ohren zu hören, und ich verstehe sehr wohl, was ich höre. In meinem fernen orientalischen Land spricht man immer noch von Mönchssoldaten, die einst kamen, um das Grab des Erlösers zu verteidigen, und die mit großen Reichtümern wieder aufbrachen. Als sie ins Land der Franken zurückkehrten, rottete der König sie damals alle aus …«

Mit dem Ärmel wischte sich La Trémoille den Schweiß vom Gesicht. Seine Augen brannten wie Kohlen.

»Die Tempelritter …«, stammelte er mit trockener Kehle. »Weiter!«

Sie spreizte ihre gefesselten Hände in einer Geste der Ohnmacht.

»Man sagt noch, daß sie, bevor sie starben, Zeit gehabt hätten, den größten Teil ihrer Reichtümer zu verstecken, und daß ihre Verstecke mit unverständlichen Zeichen versehen wurden. Der Mann, der die edle Dame interessierte, soll diese Zeichen entziffern können …«

Enttäuschung malte sich auf den feucht glänzenden Zügen des dicken Mannes. Er war sichtlich verstimmt und zögerte auch nicht, es zu zeigen. Die Schultern hebend, brummte er:

»Also müßte man wissen, wo diese Bezeichnungen sich befinden.«

Ein engelhaftes Lächeln huschte über Cathérines Gesicht. Ihr auf den dicken Mann gerichteter Blick war reine, offene Liebenswürdigkeit.

»Vielleicht sollte ich's nicht sagen, Seigneur, aber Ihr seid so gut zu mir gewesen … und die Dame so grausam! Sie hatte mir die Begnadigung Feros versprochen und hat ihn unter der Peitsche sterben lassen. Ich glaube, sie weiß, wo diese Zeichen sind … Neulich, in der Nacht, habe ich sie gehört. Sie glaubte, ich schliefe. Sie sprach von einem Schloß, in dem die Führer der Mönchssoldaten gefangengehalten wurden, bevor sie auf dem Scheiterhaufen starben, aber ich erinnere mich nicht mehr an den Namen!«

Dies war so raffiniert gesagt, daß La Trémoille alles Mißtrauen verlor und sogar vergaß, daß er je mißtrauisch gewesen war. Wieder packte er Cathérine: