»Wie hochmütig du bist, mein Mädchen! Aber das wird sich gleich geben, wenn dieser wackere Aycelin seine raffinierten Künste an dir praktiziert. Weißt du, was er mit dir machen wird?«
»Unwichtig! … Das einzige, was zählt, ist, daß ich keinen Priester hier sehe!«
»Einen Priester? Für eine Hexe wie dich! Die Helfershelfer des Satans brauchen keinen Priester, um sich mit ihrem Herrn und Meister zu vereinigen! Was würde dir ein priesterlicher Segen auf dem Weg zur Hölle nützen? Mich interessiert nur zu erfahren, wie eine Hexe die Folter erträgt. Hast du einen Zauber, Zigeunerin, der dich vor Schmerz behütet? Wirst du fest bleiben, wenn der Folterknecht dir die Nägel ausreißt, dir Nase und Ohren abschneidet, dir bei lebendigem Leib die Haut abzieht und die Augen aussticht?«
Cathérines Blick blieb fest, während sie der sadistischen Ankündigung der Dinge lauschte, die man ihr zugedacht hatte. Nur noch einen Augenblick, und sie würde nichts weiter als ein Stück lebloses Fleisch sein …
»Ich weiß es nicht! Aber wenn Ihr eine wahre Christin seid, werdet Ihr mir Zeit für ein letztes Gebet geben. Danach …«
Die Gräfin zögerte. Offensichtlich hatte sie große Lust, Cathérines Bitte abzuschlagen. Aber ihr Blick glitt zu den Bewaffneten hinüber, die sich im Hintergrund zusammengedrängt hatten. Sie hatte nicht das Recht, die Bitte einer Verurteilten abzuschlagen, sonst lief sie Gefahr, selbst der Gottlosigkeit geziehen zu werden. Und das war immer gefährlich.
»Es sei!« stimmte sie widerwillig zu. »Aber mach schnell! Nehmt ihr die Fesseln ab.«
Der Folterknecht trat vor und knüpfte die Stricke auf. Cathérine kniete am Fuß einer der Säulen nieder, den Rücken ihrer Feindin zugekehrt. Sie kreuzte die Hände auf der Brust, senkte den Kopf, krümmte den Rücken und zog sachte den Dolch heraus. Ihr Herz klopfte wie rasend. Sie war sich bewußt, daß die anderen Folterknechte sich in den hinteren Teil der Kammer zurückgezogen hatten. Zweifellos wollten sie das Spektakel ihres letzten Gebetes genießen. Sie umspannte fest die Waffe und richtete die Spitze gegen ihr Herz, wollte zustoßen, tief …
Ein Verzweiflungsschrei entfuhr ihr. Aycelin hatte sie brutal herumgedreht und ihr die Waffe entrissen. Sie glaubte sich verloren. Doch in der Folterkammer geschahen jetzt einige merkwürdige Dinge. Ihrem Schrei hatten Schreckensrufe der Gräfin und ihrer Ehrendame geantwortet … Wie im Traum sah Cathérine sie kreischend aneinandergeklammert, während die drei Folterknechte sich mit den Bewaffneten herumschlugen.
Verblüfft stellte die Verurteilte fest, daß sie gute Arbeit leisteten. Aycelin hatte den Cathérine entrissenen Dolch schon in die Kehle eines der Soldaten gestoßen. Seine beiden Gehilfen fochten bereits mit Degen, die sie, man wußte nicht, woher, zum Vorschein gebracht hatten. Der Kampf war kurz, die Folterknechte handhabten ihre Waffen mit diabolischer Fertigkeit. Bald lagen vier Leichen auf den abgewetzten Fliesen, und zwei der Angreifer richteten ihre Degenspitzen auf die bloßen Kehlen der beiden Frauen.
»Banditen!« brüllte die Gräfin. »Kanaillen! Was wollt ihr?«
»Nichts Besonderes von Euch, edle Dame«, sagte Aycelin unter seiner Kapuze mit der gedehnten Stimme Tristan l'Hermites. »Nur Euch daran hindern, ein weiteres Verbrechen zu begehen.«
»Wer seid Ihr?«
»Gestattet mir, Euch zu sagen, daß Euch das nichts angeht … Fertig, ihr andern?«
Der eine der Folterknechte hatte Cathérine aufgehoben, während ein anderer, der einen Augenblick verschwunden war, mit Sara wiederkehrte. Die beiden Frauen fielen sich wortlos in die Arme. Sie waren unfähig zu sprechen, so sehr schnürte ihnen die Erregung die Kehle zu.
Ohne seine Gefangenen aus den Augen zu lassen, befahl Tristan:
»Knebelt diese edlen Damen, und zwar fest! Dann sperrt jede in eine Einzelzelle!«
Der Befehl wurde mit bewundernswerter Schnelligkeit ausgeführt. Die wutschnaubende Dame de La Trémoille und Violaine verschwanden in ihre Kerker.
»Ich würde ihnen gern die Kehle durchschneiden«, meinte Tristan, »aber sie haben noch ihre Rolle zu spielen. Ohne seine Frau ginge La Trémoille zweifellos nicht nach Chinon!«
Während er noch sprach, nahm er die Kapuze Aycelins ab, die er sich geborgt hatte, und ging mit einem breiten Lächeln auf Cathérine zu.
»Ihr habt gut gearbeitet, Dame Cathérine. Jetzt ist es an uns, Euch hier herauszubringen!«
»Was habt Ihr mit Aycelin gemacht?«
»Der schläft augenblicklich seinen Rausch aus, den er sich mit dem mit einem Schlafmittel versetzten Wein angetrunken hat, um sich Mut für Eure Folterung zu machen.«
»Aber die anderen Folterknechte? Wer sind sie?«
»Ihr werdet sehen!«
Eben kamen die beiden Knechte zurück und nahmen wie auf Befehl gleichzeitig die Kapuzen ab. Plötzlich feuerrot geworden, erkannte Cathérine Pierre de Brézé, aber der andere – ein brauner, stämmiger, vierschrötiger Mann mit intelligentem Gesicht – war ihr unbekannt. Der junge Seigneur kniete, als sei es die natürlichste Stunde und der natürlichste Ort der Welt, vor Cathérine nieder und küßte ihr die Hand.
»Wenn ich Euch nicht hätte retten können, wäre ich jetzt tot, Cathérine.«
Mit einer spontanen Bewegung streckte sie ihre Hände nach ihm aus und umschloß sein Gesicht mit einer leidenschaftlichen Gebärde.
»Wie ich Euch Dank schulde, Pierre … Wenn ich bedenke, daß ich eben noch an Gott und den Menschen verzweifelte!«
»Ich wußte, daß Ihr Euch mit dem Dolch vor der Folter töten würdet«, sagte Tristan, damit beschäftigt, den toten Soldaten die Uniformen auszuziehen. »Ich habe Euch überwacht und fürchtete, daß Ihr den Todesstoß zu früh ausführen würdet.«
Sara war vor Freude in Schluchzen ausgebrochen, als sie Cathérine wiedergefunden hatte, aber nun faßte sie sich allmählich. Mit dem Ärmel über ihre Augen wischend, fragte sie:
»Wir sind noch nicht draußen. Was machen wir jetzt?«
»Ihr und Cathérine, desgleichen Tristan, werdet die Uniformen der Soldaten anziehen. Ich und Jean Armenga, den ich Euch hiermit als Stallmeister Ambroise de Lores vorstelle, wir werden wieder unsere übliche Kleidung anlegen«, sagte Brézé. »Darauf gehen wir in den Hof hinaus. Neben dem Tor stehen schon die gesattelten Pferde. Wir steigen auf, und ich setze mich an die Spitze des Trupps, um Euch aus dem Schloß herauszuführen. Ich habe einen Passierschein.«
»Wer hat Euch den gegeben? La Trémoille?« fragte Cathérine lächelnd.
»Nein. Die Königin Marie. Sie ist eine der Unsrigen … und viel weniger langweilig, als man glaubt. Ich führe Euch bis zur Grenze des Gebiets von Amboise, dann kehren wir, Armenga und ich, ins Schloß zurück, während Ihr Euren Weg fortsetzt. Die Dame wird sich mit ihrem Los inzwischen abgefunden haben, aber wir müssen uns jetzt beeilen! Man weiß nicht, was noch alles passieren kann. Ich darf Euch bitten, Euch umzukleiden, Cathérine, und auch Euch, gute Dame!«
Schon schnürte Cathérine ihr Kleid auf und drängte Sara zur Eile, die schon bei dem Gedanken, sich in Männerhosen zwängen zu müssen, knurrte, denn das verabscheute sie über alles. Aus einer Truhe förderten die drei Männer die Kleidungsstücke zutage, die Brézé und der Stallmeister dort versteckt hatten, während Cathérine und Sara sich in den Schatten zurückzogen, um ihre Kleidung zu wechseln. Es ging sehr schnell. Sie begnügten sich mit dem enganliegenden Lederwams und ließen die schweren Kettenhemden zurück. Die mit dem königlichen Wappen versehenen Überhänge würden genügen, um die Illusion zu vervollständigen. Die Helme, die Hals- und Schulterpanzerung und die festen Schuhe, viel zu groß natürlich, waren schon unförmig genug …