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»Ich werde sie selbst hinführen!« sagte er lebhaft. Und als Cathérine sah, daß Bernard schon den Mund öffnete, begriff sie verzweifelt, daß alles wieder von vorn anfangen würde. Und dabei starb sie vor Verlangen, Pierre auszufragen. Er kam aus Montsalvy zurück, müßte ihr so vieles zu sagen haben! Aber wie konnte sie sich mit ihm unter dem verächtlichen Blick Bernards absondern, der sich zum Verteidiger der Rechte Arnauds aufgeschwungen zu haben schien? Glücklicherweise kündigten genau in diesem Augenblick Hornstöße den Beginn des Soupers an, und gleichzeitig näherte sich der Zeremonienmeister Cathérine.

»Es ist der Wunsch unserer Majestät, daß Ihr an seinem Tisch speist, Madame. Erlaubt mir, Euch hinzuführen.«

Ein Seufzer der Erleichterung drang aus Cathérines Brust. Sie warf dem Grafen von Vendôme ein dankbares Lächeln zu, entbot, die Hand des alten Edelmannes annehmend, den beiden Streithähnen einen kurzen Gruß, schenkte Tristan ein Lächeln und wandte sich dem Bankettsaal zu.

Das königliche Souper war für Cathérine gleichzeitig ein Triumph und eine Prüfung. Ein Triumph, weil sie, zur Rechten der Königin Marie sitzend, das Ziel aller Blicke war. In ihrem strengen schwarzen Flor leuchtete ihre Schönheit inmitten heller Seidenstoffe, milchweißer Dekolletés, blumenbestickter Wämser und kostbaren Schmucks, wie einst der unglückbringende schwarze Diamant unter den Edelsteinen Garins gefunkelt hatte. Wiederholt kehrte der Blick des Königs zu ihr zurück. Er ließ ihr Kostproben von seinem eigenen Teller hinübergeben, und der königliche Mundschenk servierte ihr denselben Wein wie dem Herrscher, den Landwein aus Anjou, den er über alles liebte. Aber es war auch eine Prüfung, denn sie konnte die drohenden Blicke sehen, die Bernard d'Armagnac und Pierre de Brézé über die wenigen sie trennenden Plätze hinweg einander zuwarfen. Und Cathérines Vergnügen wurde gedämpft durch die Furcht, daß nicht einmal die Anwesenheit des Königs die beiden Männer zurückhalten würde, wenn ihr Zorn sich neu entfachte. Sie hatte den unerfreulichen Eindruck, auf einem Pulverfaß zu sitzen. Daher war sie zufrieden, als das Souper ein Ende nahm und man wieder in den Großen Saal zum Tanz ging. Ihre Trauer entband sie leicht von dieser Verpflichtung.

Sie bat Königin Marie und Königin Yolande, sich zurückziehen zu dürfen, was ihr sofort gestattet wurde, während zwei Fackelträger angewiesen wurden, sie in ihr neues Quartier zu geleiten. Erhobenen Hauptes verließ sie den Saal, von vielen bewundernden Blicken verfolgt.

Das ihr zugewiesene Zimmer befand sich im Schatzturm, und Sara erwartete sie bereits. Sie war zur selben Stunde wie das Gepäck angekommen. Die sorgenvolle Miene Cathérines beunruhigte sie.

»Du bist heute abend Königin gewesen. Warum diese bekümmerte Miene?«

Sie sagte es ihr, erklärte ihr ihren natürlichen Wunsch, einen Augenblick mit dem aus Montsalvy Zurückgekehrten zu plaudern, und daß der Graf d'Armagnac sie daran gehindert habe.

»Schließlich wollte ich nur wissen, wie es meinem Sohn geht!« rief sie endlich. »Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, daß es ein Duell herausfordern könnte.«

»Manchmal bist du wirklich recht unüberlegt!« entgegnete Sara. »Oder du hältst den Grafen d'Armagnac für dümmer, als er ist. Wie sollte er nicht überrascht sein, einen Grandseigneur wie Brézé Tag und Nacht, ich weiß nicht wie lange, galoppieren zu sehen, um ein altes, vergilbtes Pergament zu holen, obwohl irgendein königlicher Reiter mit einem entsprechend unterzeichneten Befehl des Kanzlers durchaus dafür genügt hätte? Es war eine Liebeserklärung, dieser Streich, und nichts anderes bedeuten die schwarzweißen Bänder, die der junge Brézé mit einem Hochmut spazierenträgt, als trüge er Unsern Herrn persönlich.«

»Na und?« begehrte Cathérine ärgerlich auf. »Daß Pierre de Brézé sich als mein Ritter erklärt und öffentlich seine Liebe bekennt, geht Messire Bernard d'Armagnac gar nichts an. Die Tatsache, daß er ein Vetter des Königs ist, gibt ihm nicht das Recht, sich in die Angelegenheiten anderer Leute einzumischen, möchte ich annehmen!«

Saras Augen verengten sich, während sie Cathérine scharf ansah.

»Es ist nicht der Vetter des Königs, der sich in deine Angelegenheiten eingemischt hat. Es ist der Jugendfreund deines Gatten, Cathérine! … Ich hab' dich schon einmal vor deiner Neigung für den jungen Brézé gewarnt. Schon verführt sie dich zur Undankbarkeit. Als Bernard dich in Montsalvy vorm Scheiterhaufen rettete, als er dir Carlat als Zufluchtsort bot, hast du ihm nicht vorgeworfen, daß er sich in deine Angelegenheiten mische. Erinnere dich an die echte, tiefe Liebe, die ihn an Messire Arnaud bindet. Dieser Mann wird es nie überwinden, dich einem anderen zugehörig zu sehen. Er hat den Instinkt eines Wachhundes, der in Abwesenheit seines Herrn dessen Gut behütet. Du gehörst seinem Freund, und nichts wird ihn das vergessen machen.«

»Wenn es mein Wunsch wäre, hätte niemand etwas dazu zu sagen!« erwiderte Cathérine trocken. Sie fühlte sich unbehaglich, innerlich und äußerlich, denn die Juninacht war warm, und sie glaubte in dem schwarzen Flor, der ihr Gesicht umschloß, zu ersticken. Gereizt wollte sie einen der Schleier lösen, aber ihre nervösen Finger waren ungeschickt; sie stach sich, riß ein Stück aus dem zarten Stoff.

»Hilf mir doch!« sagte sie ärgerlich. »Du siehst doch, daß es mir nicht gelingt.«

Sara lächelte und machte sich ruhig daran, die Stecknadeln eine nach der anderen herauszuziehen. Sie hatte Cathérine auf einen Schemel gesetzt und verhielt sich für ein Weilchen still. Wenn der Zorn sich dieses überempfindlichen Wesens bemächtigte, war es besser zu schweigen, bis es sich wieder beruhigte. Nachdem sie sie von ihrem zarten Schleierkopfputz befreit hatte, schnürte sie ihr das Kleid auf und zog es ihr aus. Als Cathérine nichts mehr auf dem Leib hatte als ein dünnes Batisthemd, begann sie, das kurze Haar zu bürsten, das sich bereits auf dem Kopf der jungen Frau lockte und ihr das fremde, zauberhafte Antlitz eines griechischen Hirten verlieh. Erst als sie merkte, daß Cathérine sich allmählich entspannte, erkundigte sie sich vorsichtig:

»Darf ich dir eine Frage stellen?«

»Aber … natürlich!«

»Wie, glaubst du wohl, hätte sich Messire de Xaintrailles gegenüber Brézé verhalten … oder auch der Hauptmann La Hire?«

Cathérine antwortete nicht, und Sara gab sich mit diesem Schweigen zufrieden, das ihrer Meinung nach die beste Antwort war. Gewiß hätte der jähzornige La Hire an Ort und Stelle, König hin, König her, den Unvorsichtigen gefordert, der es wagte, eine von ihm sicher als ungehörig betrachtete Liebe für die Frau seines Freundes zur Schau zu tragen. Was Xaintrailles betraf, konnte Cathérine sich mühelos seine zornblitzenden braunen Augen und das drohende Lächeln vorstellen, das seine Lippen wie die Lefzen eines Wolfs zurückzog. Und sie war zu ehrlich, um sich nicht einzugestehen, daß das Recht auf ihrer Seite gewesen wäre, aber sie wollte es nicht zulassen, daß man sie wie ein verantwortungsloses kleines Mädchen behandelte, das sich nicht zu benehmen wußte und auf das man aufpassen mußte. Das Bedürfnis, sich ihre Unabhängigkeit zu bewahren, bemächtigte sich ihrer gebieterisch und trieb sie zur Herausforderung. Nachdem sie frisiert war, ließ sie sich ein leichtes, knisternd frisches weißes Hauskleid geben, das ein breiter Silbergürtel unter der Brust zusammenhielt, legte etwas Rot auf die Lippen, drehte sich dann zu Sara um und warf ihr einen herrischen Blick zu.

»Hol mir Messire de Brézé!« befahl sie.

Vor Verblüffung blieb Sara stumm. Dann wurde sie puterrot und wiederholte:

»Ich soll …«

»Ihn mir holen, jawohl!« sagte Cathérine lächelnd. »Ich möchte ihn augenblicklich sprechen. Und sorge dafür, daß Bernard ihm nicht wie ein Spürhund folgt. Beruhige dich, du wirst bei unserer Unterhaltung dabeisein!«