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Sich auf dem Absatz umwendend, kehrte Sara in ihre kleine Kammer zurück und schloß vernehmlich die Tür hinter sich zu. Durch die Heftigkeit ihres Abgangs verblüfft, blickte Cathérine wie stumpfsinnig auf die geschlossene Tür. Irgend etwas schnürte ihr die Kehle zu. Sie verspürte Lust, sich auf diese stumme Pforte zu stürzen, mit den Fäusten daran zu rütteln, um Sara wieder herauszuholen … Sie verspürte eine kindliche Lust zu weinen, einen Augenblick wieder in den Armen ihrer alten Freundin sichere Zuflucht zu suchen. Dieser Zwist, der sie trennte, kam sie schwerer an, als sie es sich eingestehen wollte. Sie hatte sich durch Hochmut verteidigt, und nun schien dieser Hochmut plötzlich sehr zerbrechlich! Zu viele Jahre gegenseitiger Zuneigung, zu viele gemeinsam erlittene Prüfungen, zuviel echte Zärtlichkeit verbanden sie! Sara hatte allmählich den Platz ihrer Mutter eingenommen, und Cathérine hatte das Gefühl, als sei ihr ein Glied amputiert worden.

Sie näherte sich unschlüssig der Tür, hob die Hand, um anzuklopfen. Kein Geräusch war von der anderen Seite zu hören … Doch vor ihrem inneren Auge sah sie wieder den verwundeten Pierre, in der Erinnerung hörte sie seine Stimme, die von Liebe sprach … Wenn sie Sara gewähren ließ, würde die Zigeunerin Mittel und Wege finden, sie von dem jungen Mann zu trennen, und Cathérine wollte dieses zerbrechliche Glück, das sie nicht mehr erwartet hatte, noch nicht verlieren … Langsam glitt ihre Hand an ihrem Kleid herunter. Morgen würde sie Pierre auf seinem Krankenlager besuchen, würde ihn selbst pflegen, und was bedeutete es schon, sollte man in ihrer Haltung das Vorzeichen einer kommenden Verbindung sehen! Schließlich, wer könnte sie eigentlich hindern, Dame de Brézé zu werden? Pierre würde sie darum anflehen, und sie würde am Ende noch Lust dazu haben, und sei es auch nur, um in ihrem Leben etwas Endgültiges, nicht mehr zu Änderndes zu tun. In ihre Dickköpfigkeit verrannt, ging sie zu ihrem Bett zurück und ließ sich darauf fallen. Der letzte Blick, den sie auf die verschlossene Tür warf, war ein Blick des Trotzes und der Herausforderung.

Dreizehntes Kapitel

Der Nachmittag war schon weit vorgeschritten, als Cathérine ihr Zimmer verließ und zum Vieleckturm ging, wo Pierre de Brézé wohnte. Sie hatte eine Migräne vorgetäuscht, um Königin Marie und die anderen nicht in den Obstgarten begleiten zu müssen, wo man einige Stunden die Lieder eines Minnesängers anhören und die Sonne genießen wollte …

Die Sache mit der Migräne war nicht einmal eine Notlüge. Seit dem Morgen preßte ein Eisenring sich um Cathérines Schläfen. Sie hatte entsetzlich schlecht geschlafen, und das Erwachen, spät am Morgen, war höchst unerfreulich gewesen. Sie hatte so oft nach Sara rufen können, wie sie nur wollte – niemand hatte geantwortet. Und als sie sich, beunruhigt, ohne es sich eingestehen zu wollen, endlich entschlossen hatte, die am Abend zuvor so fest verschlossene Tür zu öffnen, hatte sie die kleine Kleiderkammer leer vorgefunden. Niemand war da, nur auf einer Truhe lag, deutlich sichtbar, ein Stück Pergament.

Sie hatte es kaum mit den Fingerspitzen zu berühren gewagt, weil sie sich vor der Botschaft fürchtete, deren Inhalt sie schon erriet. Die wenigen, von Sara in großen, ungelenken Buchstaben hingekritzelten Worte hatten sie kaum überrascht: »Ich kehre nach Montsalvy zurück … Du brauchst mich nicht mehr …«

Der Schmerz, der sie durchzuckt hatte, war so grausam gewesen, daß sie sich mit geschlossenen Augen an die Wand hatte lehnen müssen, um sich zu beruhigen. Aber unter den geschlossenen Lidern waren Tränen hervorgequollen, brennend heiß, drängend … Wie einsam sie sich plötzlich fühlte, wie verlassen … fast mißachtet! Gestern hatte sie den giftigen, von Geringschätzung geladenen Blick des Grafen de Pardiac ertragen müssen. Und nun, an diesem Morgen, war Sara geflohen, als ob mit einem einzigen Schlag das Band, das sie aneinanderkettete, durchschnitten worden wäre … Dieses Band, das seine Wurzeln, wie Cathérine jetzt begriff, tief in ihrem Herzen hatte. Mit diesem Bruch war ein Stück von ihr abgetrennt worden … ein Stück, das sehr wohl die Achtung vor sich selbst sein konnte!

Ihre erste Reaktion war es gewesen, aus dem Zimmer zu stürzen. Sie wollte Sara verfolgen und, wenn nötig, mit Gewalt zurückbringen lassen. Sie mußte am frühen Morgen geflohen sein, bei Öffnung der Schloßportale, konnte also noch keine große Wegstrecke hinter sich gebracht haben. Doch dann besann sich Cathérine. Die Soldaten des Königs einer solchen Frau auf die Spur hetzen wie einem Verbrecher? Das konnte sie ihr nicht antun. Saras Stolz würde es ihr nie verzeihen, und nichts würde sich zwischen ihnen wieder einrenken. Die einzige Lösung war, sich selbst nach ihr auf die Suche zu machen … Sie war dazu entschlossen.

Warum hatte nur in dem Augenblick, als sie sich eben fertig angezogen hatte, ein Page an ihre Tür klopfen müssen, der, das Knie beugend, ihr eine neue Botschaft überbrachte … eine Botschaft diesmal von Pierre?

»Wenn Ihr mich ein wenig liebt, meine Vielgeliebte, dann kommt … kommt mich heute nachmittag besuchen. Ich werde alle wegschicken … Aber kommt! Mein Fieber nach Euch verzehrt mich mehr, als meine Wunde schmerzt. Ich erwarte Euch … Schlagt mir die Bitte nicht ab!«

Die Worte entflammten ihre Augen wie am Abend zuvor der Atem des jungen Mannes ihre Lippen. Ein heftiges Verlangen überkam sie, sofort zu ihm zu eilen und in seinen Armen zu weinen. Sie unterdrückte es, aber der Zauber des Briefchens hatte gewirkt. Cathérine hatte nicht mehr den Wunsch, Sara schleunigst nachzujagen, und bot alle möglichen Vernunftgründe zu ihrer Entschuldigung auf … Nach allem floh ihre alte Freundin nicht ans Ende der Welt, wo sie sie niemals wiederfinden würde. Ihr Ziel war lediglich Montsalvy … Ihre Verstimmung würde sich eines Tages schon wieder einrenken. Und wenn sie Sara nachliefe, würde sich die Gute natürlicherweise sehr wichtig vorkommen, während sie selbst sich unnötig kleiner machte. Dasselbe Gefühl, das sie abends zuvor daran gehindert hatte, an die Tür zu klopfen, hielt sie jetzt zurück, ein Pferd satteln zu lassen.

Um die Wahrheit zu sagen, vermied es Cathérine, sich allzu genau zu prüfen. Unbewußt war sie keineswegs stolz auf sich, aber je mehr ihre wahre Natur protestierte, desto mehr versteifte sie sich in ihre Auflehnung. Das Lächeln Pierres hatte ihr eine Binde vor die Augen gelegt. Er repräsentierte etwas, wovon sie glaubte, daß es ihr nie mehr widerfahren könnte: Liebe, Genuß, das süße Gefühl, sich anbeten zu lassen, in einer Welt ohne Leiden angenehm zu leben, kurz und gut, alles, was zum Erbe der frühen Jugend gehörte. Sie war wie die vom glitzernden Spiegel faszinierte Lerche. Ihre Augen wollten, konnten nichts anderes mehr sehen …

Auf der Schwelle des Turms, in dem Brézé logierte, erwartete sie derselbe Page wie am Morgen, um sie zu seinem Herrn zu führen. Er grüßte sie mit einer tiefen Verbeugung und entledigte sich dann schweigend seines Auftrags. Eine Tür öffnete sich unter seiner Hand, und Cathérine fand sich ein wenig geblendet in einem von den Strahlen der untergehenden Sonne durchfluteten Zimmer, in dem Pierre auf seinem Bett ausgestreckt lag.

»Endlich!« rief er, ihr beide Hände entgegenstreckend, während der Page sich diskret zurückzog und die junge Frau aufs Bett zutrat. »Ich habe schon Stunden auf Euch gewartet!«

»Ich zögerte zu kommen«, murmelte sie, bestürzt, ihn im Bett zu finden. Noch nie war er ihr schöner, anziehender vorgekommen als in diesem Augenblick. Sein kräftiger nackter Oberkörper hob sich von der Steppdecke und den Kopfkissen aus roter Seide ab. Ein Verband lag um seine linke Schulter, aber er schien nicht übermäßig zu leiden.