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Clavigo.

Du beleidigst mich. Ich bitte, spare deinen Humor auf meine Hochzeit! Ich bin entschlossen, Marien zu heiraten. Freiwillig, aus innerm Trieb. Meine ganze Hoffnung, meine ganze Glückseligkeit ruht auf dem Gedanken, ihre Vergebung zu erhalten. Und dann fahr hin, Stolz! An der Brust dieser Lieben liegt noch der Himmel wie vormals; aller Ruhm, den ich erwerbe, alle Größe, zu der ich mich erhebe, wird mich mit doppeltem Gefühl ausfüllen: denn das Mädchen teilt's mit mir, die mich zum doppelten Menschen macht. Leb wohl! ich muß hin! ich muß die Guilbert wenigstens sprechen.

Carlos.

Warte nur bis nach Tisch!

Clavigo.

Keinen Augenblick.

Carlos ihm nachsehend und eine Weile schweigend.

Da macht wieder jemand einmal einen dummen Streich.

Ab.

Dritter Akt

Guilberts Wohnung

Sophie Guilbert. Marie Beaumarchais.

Marie.

Du hast ihn gesehen? Mir zittern alle Glieder! Du hast ihn gesehen? ich war nah an einer Ohnmacht, als ich hörte, er käme, und du hast ihn gesehn? Nein, ich kann, ich werde, nein, ich kann ihn nie wieder sehn.

Sophie.

Ich war außer mir, als er hereintrat; denn ach! liebt ich ihn nicht, wie du, mit der vollsten, reinsten, schwesterlichsten Liebe? Hat mich nicht seine Entfernung gekränkt, gemartert? — Und nun, den Rückkehrenden, den Reuigen zu meinen Füßen — Schwester! es ist so was Bezauberndes in seinem Anblick, in dem Ton seiner Stimme. Er —

Marie.

Nimmer, nimmermehr!

Sophie.

Er ist noch der alte, noch ebendas gute, sanfte, fühlbare Herz, noch ebendie Heftigkeit der Leidenschaft. Es ist noch ebendie Begier, geliebt zu werden, und das ängstliche, marternde Gefühl, wenn ihm Neigung versagt wird. Alles! alles! Und von dir spricht er, Marie! wie in jenen glücklichen Tagen der feurigsten Leidenschaft; es ist, als wenn dein guter Geist diesen Zwischenraum von Untreu und Entfernung selbst veranlaßt habe, um das Einförmige, Schleppende einer langen Bekanntschaft zu unterbrechen und dem Gefühl eine neue Lebhaftigkeit zu geben.

Marie.

Du redst ihm das Wort?

Sophie.

Nein, Schwester, auch versprach ich's ihm nicht. Nur, meine Beste, seh ich die Sachen, wie sie sind. Du und der Bruder, ihr seht sie in einem allzu romantischen Lichte. Du hast das mit gar manchem guten Kinde gemein, daß dein Liebhaber treulos ward und dich verließ! Und daß er wiederkommt, reuig seinen Fehler verbessern, alle alte Hoffnungen erneuern will — das ist ein Glück, das eine andere nicht leicht von sich stoßen würde.

Marie.

Mein Herz würde reißen!

Sophie.

Ich glaube dir. Der erste Anblick muß auf dich eine empfindliche Wirkung machen — und dann, meine Beste, ich bitte dich, halt diese Bangigkeit, diese Verlegenheit, die dir alle Sinne zu übermeistern scheint, nicht für eine Wirkung des Hasses, für keinen Widerwillen. Dein Herz spricht mehr für ihn, als du es glaubst, und eben darum traust du dich nicht, ihn wiederzusehen, weil du seine Rückkehr so sehnlich wünschest.

Marie.

Sei barmherzig!

Sophie.

Du sollst glücklich werden. Fühlt ich, daß du ihn verachtetest, daß er dir gleichgültig wäre, so wollt ich kein Wort weiter reden, so sollt er mein Angesicht nicht mehr sehen. Doch so, meine Liebe — Du wirst mir danken, daß ich dir geholfen habe, diese ängstliche Unbestimmtheit zu überwinden, die ein Zeichen der innigsten Liebe ist.

Die Vorigen. Guilbert. Buenko.

Sophie.

Kommen Sie, Buenco! Guilbert, kommen Sie! Helft mir dieser Kleinen Mut einsprechen, Entschlossenheit, jetzt, da es gilt.

Buenco.

Ich wollte, daß ich sagen dürfte: Nehmt ihn nicht wieder an!

Sophie.

Buenco!

Buenco.

Mein Herz wirft sich mir im Leib herum bei dem Gedanken: Er soll diesen Engel noch besitzen, den er so schändlich beleidigt, den er an das Grab geschleppt hat. Und besitzen? — warum? — wodurch macht er das all wieder gut, was er verbrochen hat? — Daß er wiederkehrt, daß ihm auf einmal beliebt, wiederzukehren und zu sagen:»Jetzt mag ich sie, jetzt will ich sie!«— Just als wäre diese treffliche Seele eine verdächtige Ware, die man am Ende dem Käufer doch noch nachwirft, wenn er auch schon durch die niedrigsten Gebote und jüdisches Ab- und Zulaufen bis aufs Mark gequält hat. Nein, meine Stimme kriegt er nicht, und wenn Mariens Herz selbst für ihn spräche. — Wiederzukommen, und warum denn jetzt? — jetzt? — Mußte er warten, bis ein tapferer Bruder käme, dessen Rache er fürchten muß, um wie ein Schulknabe zu kommen und Abbitte zu tun? — Ha! er ist so feig, als er nichtswürdig ist!

Guilbert.

Ihr redet wie ein Spanier, und als wenn Ihr die Spanier nicht kenntet. Wir schweben diesen Augenblick in einer größern Gefahr, als ihr alle nicht seht.

Marie.

Bester Guilbert!

Guilbert.

Ich ehre die unternehmende Seele unsers Bruders, ich habe im stillen seinem Heldengange zugesehn und wünsche, daß alles gut ausschlagen möge, wünsche, daß Marie sich entschließen könnte, Clavigo ihre Hand zu geben, denn —

lächelnd

ihr Herz hat er doch. —

Marie.

Ihr seid grausam.

Sophie.

Hör ihn! ich bitte dich, hör ihn!

Guilbert.

Dein Bruder hat ihm eine Erklärung abgedrungen, die dich vor den Augen aller Welt rechtfertigen soll, und die wird uns verderben.

Buenco.

Wie?

Marie.

O Gott!

Guilbert.

Er stellte sie aus in der Hoffnung, dich zu bewegen. Bewegt er dich nicht, so muß er alles anwenden, um das Papier zu vernichten; er kann's, er wird's. Dein Bruder will es gleich nach seiner Rückkehr von Aranjuez drucken und ausstreuen. Ich fürchte, wenn du beharrest, er wird nicht zurückkehren.

Sophie.

Lieber Guilbert!

Marie.

Ich vergehe!

Guilbert.

Clavigo kann das Papier nicht auskommen lassen. Verwirfst du seinen Antrag und er ist ein Mann von Ehre, so geht er deinem Bruder entgegen, und einer von beiden bleibt; und dein Bruder sterbe oder siege, er ist verloren. Ein Fremder in Spanien! Mörder dieses geliebten Höflings! — Schwester, es ist ganz gut, daß man edel denkt und fühlt; nur, sich und die Seinigen zugrunde zu richten —

Marie.

Rate mir, Sophie, hilf mir!

Guilbert.

Und, Buenco, widerlegen Sie mich!

Buenco.

Er wagt's nicht, er fürchtet für sein Leben; sonst hätt er gar nicht geschrieben, sonst böt er Marien seine Hand nicht an.

Guilbert.