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Stephanie fragte: »Was hätte er denn getan, wenn der Flug, den er nehmen wollte, in letzter Minute abgesagt worden wäre?«

Dave zuckte mit den Schultern. »Das Gleiche, was er auch bei schlechtem Wetter getan hätte, nehme ich an: Er hätte sein Vorhaben auf einen anderen Tag verschoben.«

Vince hatte Stephanies linken Finger ein bisschen weiter nach rechts gerückt. »Nun ist es bald ein Uhr mittags an der Ostküste«, sagte er, »aber immerhin muss sich unser Freund Cogan keine großen Gedanken über das ganze Sicherheitstrara machen, das gab’s 1980 noch nicht, schon gar nicht bei einem Privatflug. Wir müssen davon ausgehen – wieder nur eine Annahme –, dass sein Flugzeug nicht lange auf die Starterlaubnis wartete, denn das hätte den ganzen Zeitplan durcheinander gebracht, am Ziel wartete ja schließlich schon …«

Er berührte Stephanies rechten Finger. »… die Fähre. Die letzte. Der Flug dauerte drei Stunden. Sagen wir jetzt mal so. Mein werter Kollege hat im Internet recherchiert, er ist ganz verrückt danach, jedenfalls behauptet er, an dem Tag sei gutes Wetter zum Fliegen gewesen, und auf den Karten sieht man, dass der Jetstream ungefähr im richtigen Bereich war …«

»Allerdings habe ich nie herausfinden können, wie stark er war«, unterbrach ihn Dave. Er warf Vince einen Blick zu. »In Anbetracht der dürftigen Ergebnisse in unserem Fall ist das wahrscheinlich nicht so schlimm, Partner, was?«

»Sagen wir also, drei Stunden«, wiederholte Vince und schob Stephanies linken Finger (den sie bei sich nun ›Colorado Kid‹ nannte) bis auf fünf Zentimeter an den rechten heran (der für sie jetzt ›der fast tote James Cogan‹ hieß). »Viel länger kann es nicht gedauert haben.«

»Weil die Fakten das nicht zulassen«, murmelte sie vor sich hin, fasziniert (und auch ein wenig eingeschüchtert) von der Vorstellung. Auf der High School hatte sie mal einen Science-Fiction-Roman gelesen, der hieß Der Mond ist eine herbe Geliebte. Mit dem Mond kannte sie sich nicht so gut aus, aber langsam war sie überzeugt, dass das Urteil auf die Zeit allemal zutraf.

»Genau, weil es nicht anders sein kann«, stimmte Vince zu.

»Um vier Uhr oder vielleicht um fünf nach vier – sagen wir um fünf nach – landet Cogan und geht bei Twin City Civil Air von Bord, damals die einzige FBO am Flughafen Bangor –«

»Wurde seine Ankunft irgendwo registriert?«, wollte Stephanie wissen. »Hast du das geprüft?« Sie wusste, dass Vince das getan hatte, natürlich, und dass es zu nichts geführt hatte. So war es nun mal bei dieser Geschichte. Eine Geschichte, als müsste man niesen und könnte nicht.

Vince lächelte. »Na klar, aber damals, in der sorglosen Zeit vor den Sicherheitsvorkehrungen, bewahrte Twin City lediglich Rechnungsbücher für längere Zeit auf. Die Fluggesellschaft hatte an dem Tag mehrere Barzahlungen, darunter einige ansehnliche Tankquittungen am späten Nachmittag, aber selbst die haben nicht unbedingt etwas zu bedeuten. Soweit wir wissen, kann derjenige, der Colorado Kid herflog, die Nacht in einem Hotel in Bangor verbracht haben und am nächsten Morgen zurückgeflogen sein …«

»Oder das Wochenende über hier geblieben sein«, sagte Dave.

»Andererseits könnte der Pilot auch direkt umgedreht haben, ohne wieder aufzutanken.«

»Wie soll das gehen, wenn er die weite Strecke von Denver hergeflogen ist?«, wollte Stephanie wissen.

»Er könnte einen Zwischenstopp in Portland eingelegt haben«, erklärte Dave, »um da nachzutanken.«

»Warum sollte er?«

Dave grinste. Er sah erstaunlich pfiffig aus, ganz anders als sonst, wenn sein ernster Gesichtsausdruck eher den Eindruck dümmlicher Ehrlichkeit vermittelte. Jetzt kam Stephanie der Gedanke, dass Daves Hirn hinter dem rundlichen Kindergesicht ebenso raffiniert und schnell war wie das von Vince Teague.

»Cogan könnte dem Piloten aus Denver Geld gegeben haben, damit er dort tankt, weil Cogan befürchtete, Spuren zu hinterlassen«, erklärte Dave. »Und wenn der Pilot aus Denver entsprechend bezahlt wurde, war er sicherlich mit diesem Ansinnen einverstanden.«

»Colorado Kid«, fuhr Vince fort, »blieben noch zwei Stunden, um nach Tinnock zu gelangen, bei Jan’s Wharfside einen Teller mit Fish and Chips zu holen, sich an den Tisch zu setzen, beim Essen aufs Wasser zu schauen und dann die letzte Fähre nach Moose-Lookit Island zu nehmen.« Während der Aufzählung bewegte er Stephanies linken Zeigefinger auf den rechten zu, bis sie sich berührten.

Fasziniert schaute Stephanie zu. »Ist das möglich?«

»Schon, aber es ist verdammt knapp«, erwiderte Dave seufzend. »Ich hätte es nicht für möglich gehalten, wenn er nicht tot am Hammock Beach gelegen hätte. Du, Vince?«

»Nie«, sagte Vince wie aus der Pistole geschossen.

»Im Umkreis von zwölf Meilen von Tinnock gibt es vier Behelfsrollbahnen, die nur in der Hochsaison benutzt werden«, erklärte Dave. »Meistens starten dort im Sommer Touristen zu Besichtigungsflügen oder um sich im Herbst das bunte Laub anzusehen, wenn die Farben explodieren. Wir haben alle vier Rollbahnen auf die Möglichkeit überprüft, ob Cogan vielleicht ein zweites Flugzeug charterte, eine kleine Propellermaschine wie eine Piper Cub, und von Bangor zur Küste flog.«

»Ebenfalls ohne Erfolg, nehme ich an.«

»Da liegst du richtig«, gab Vince zurück, und er grinste eher trübsinnig als gerissen. »Von dem Moment an, wo sich die Fahrstuhltüren in Denver hinter Cogan schließen, besteht die Geschichte nur noch aus Schatten, die man nicht zu fassen bekommt … plus einer Leiche.

Drei der vier Landeplätze waren im April gar nicht in Betrieb, dort hätte also jemand landen können, ohne dass es einer bemerkt hätte. Beim vierten wohnte eine Frau namens Maisie Harrington mit ihrem Vater und rund sechzig Kötern. Sie behauptete, von Oktober 1979 bis Mai 1980 sei niemand bei ihnen gelandet, aber sie roch wie eine ganze Schnapsbrennerei, so dass ich meine Zweifel hatte, ob sie noch wusste, was eine Woche zuvor passiert war, von anderthalb Jahren ganz zu schweigen.«

»Und der Vater von dieser Frau?«, fragte Stephanie.

»Blind wie ein Maulwurf und nur noch ein Bein«, erklärte

Dave. »Zucker.«

»Oje«, gab sie zurück.

»Ah jo.«

»Legen wir Jack und Maisie Harrington zu den Akten«, sagte Vince ungeduldig. »Ich habe nie an die Theorie mit dem zweiten Flugzeug geglaubt, genauso wenig wie an die Theorie mit dem zweiten Schützen bei Kennedy. Wenn in Denver ein Auto auf Cogan gewartet hat – und das kann ich mir nicht anders vorstellen –, dann kann auch eins am General Aviation Terminal auf ihn gewartet haben. Davon gehe ich aus.«

»Das ist sehr weit hergeholt«, sagte Dave, allerdings nicht spöttisch, sondern traurig.

»Kann sein«, erwiderte Vince unbeirrt, »aber wenn man das Unmögliche ausschaltet, ist das, was übrig bleibt … der kleine Hund, der an der Tür kratzt und reinwill.«

»Cogan könnte auch selbst gefahren sein«, sagte Stephanie nachdenklich.

»Mit einem Mietwagen?« Dave schüttelte den Kopf.

»Das glaube ich nicht, mein Mädchen. Autovermietungen nehmen nur Kreditkarten, das hätte eine Spur hinterlassen.«

»Außerdem«, fügte Vince hinzu, »kannte sich Cogan im Osten und an der Küste von Maine nicht aus. Soweit wir herausgefunden haben, war er nie zuvor hier gewesen. Du kennst die Straßen inzwischen, Steffi: Es gibt nur eine Hauptstraße, die von Bangor nach Ellsworth führt, aber wenn man in Ellsworth ist, gibt es drei oder vier Möglichkeiten. Da ist ein Auswärtiger, selbst wenn er eine Karte hat, schnell überfordert. Nein, ich glaube, Dave hat Recht. Wenn Colorado Kid mit dem Auto fahren wollte und vorher wusste, wie klein sein Zeitfenster sein würde, wird er dafür gesorgt haben, dass ein Fahrer auf ihn wartete. Jemand, der Bargeld brauchte, schnell fahren konnte und sich nicht verirrte.«

Stephanie dachte kurz nach. Die beiden Männer warteten.

»Das macht insgesamt drei Personen«, sagte sie schließlich.