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»Jahrelange Übung.«

»Auch das ist ziemlich schockierend.«

Als Belinda wiederkam, gingen wir auf die Tribüne, um uns das Rennen anzuschauen, und zu jedermanns bassem Erstaunen kam die Acht als erster ein. Die verblüffte Menge nahm den Sieg des Blindgängers mit Schweigen auf, und Belinda ließ Kens breites Grinsen gefrieren, indem sie etwas trotzig verkündete, sie habe seinen Fünfer nicht auf die Acht, sondern auf den Favoriten gesetzt.

»Es hat schon Scheidungen aus geringerem Anlaß gegeben«, sagte Ken in gerade noch höflichem Ton.

»Die Acht war nichts«, beharrte Belinda. »Ich wollte, daß du gewinnst.«

Die Acht erzielte ein Vermögen am Totalisator, was für einen neuerlichen Kälteeinbruch zwischen den Verlobten sorgte. Ich ließ sie diesen Kampf alleine ausfechten und machte mich auf den Weg zu Annabel, die mit ihrem Anhang zurück zum Führring kam.

Nach zwanzig Minuten der Trennung begrüßten wir einander bereits wie alte Bekannte. Der Ausflug an die vorderste Linie hatte Herzklopfen gebracht, wie es schien, und ganz offensichtlich auch die Stimmung gehoben. Die beiden Japaner erörterten lebhaft, welches Pferd für das nächste Rennen am fitesten aussah, und Annabel und ich blickten uns an, die Augen voller unausgesprochener Fragen.

Als sie schließlich das Schweigen brach, wollte sie nur eine Auskunft.

»Wer war das«, sagte sie, »mit dem Sie gesprochen haben, als wir zurückgekommen sind? Ein langer dünner Mann mit blonden Haaren und ein reizbares Mädchen.«

»Reizbar?«

Sie zuckte die Achseln. »Was weiß ich.«

»Ken McClure und Belinda Larch. Die Hochzeit ist heute in drei Wochen.«

Sie runzelte die Stirn, aber nicht wegen dieser Neuigkeit.

»Ist er Tierarzt?«

»Ja.«

»Ein Bekannter von Ihnen?«

»Ich habe ihn vorgestern kennengelernt, und insofern ist er ein Bekannter, ja.«

Ich wartete ein Weilchen, und sie sagte: »Ich schulde Ihnen was für Ihre Hilfe. Es wäre mir nicht recht, wenn Sie den Fehler begehen würden, sich zu sehr mit diesem Tierarzt anzufreunden. Man hat oben über ihn geredet.«

»Wer denn?«

»Der Vereinsvorstand und die Stewards. Jedenfalls einer von ihnen. Er hat ihn den anderen gezeigt, als sie während des Aperitifs am Fenster standen. Er sagte, Ihr Bekannter würde demnächst Praxisverbot bekommen oder etwas in der Richtung, da er ein Pferd nach dem anderen abmurkse, und er sei unehrlich, heimtückisch und eine Schande für seinen Berufsstand.«

»So harte Worte?«

»Noch härtere eigentlich. Da war viel Haß dabei.«

»Wirklich?« Das interessierte mich. »Wer war denn das?«

»Ich bin sehr schnell mit ungefähr acht Personen bekannt gemacht worden und habe dabei noch versucht, unsere Freunde hier vorzustellen« - sie deutete auf ihre Schützlinge -, »daher weiß ich seinen Namen nicht mehr, aber ich meine, es wäre einer von den Stewards gewesen.«

»Mal sehen«, sagte ich und blätterte zur Titelseite meines Rennprogramms zurück, wo ich zu meiner Verwirrung im Verzeichnis der Stewards den Namen fand, den ich im ganzen Innenteil vergebens gesucht hatte.

R. D. Upjohn, Esq.

»Ronnie!« rief Annabel aus. »Sein Nachname fällt mir immer noch nicht ein, aber er wurde Ronnie genannt.« Sie musterte mein Gesicht. »Sagt Ihnen das was?«

Ich erklärte ihr, warum Ronnie Upjohn Ken McClure haßte.

»Ken hat ihn dumm aussehen lassen. Das können manche Leute nicht ertragen.«

Sie lauschte mit geschürzten Lippen der Geschichte von dem abgeschriebenen und am Leben erhaltenen Pferd, das wieder siegen konnte, und sagte: »Ich verstehe den Groll und den Neid wegen des geretteten Tieres, aber was ist mit denen, die gestorben sind? Davon hatte nicht nur Ronnie gehört, ein paar von den anderen haben genickt.«

»Wie sieht dieser Ronnie aus?« fragte ich.

»Sie wechseln das Thema!«

»Ich weiß nicht, wieso die Pferde gestorben sind, noch weiß es Ken. Soweit sind wir noch nicht. Könnten Sie mir Ronnie Upjohn denn mal zeigen?«

Sie schüttelte den Wuschelkopf. »Die Stewards bei so einem Pferderennen sehen alle gleich aus.«

»Das sagt man auch den Japanern nach.«

»Aber nein«, widersprach sie sofort, »meine drei würde ich überall rauskennen.« Sie sah auf die Uhr. »Ich sollte mit den beiden hier wirklich wieder nach oben gehen, wo alle braven kleinen VIPs hingehören. Könnten Sie das mal antippen?«

Sie gingen, so schien es mir, mit höflicher Resignation: Im Gedränge unten mit ihrer reizenden Begleiterin machte es ihnen mehr Spaß. Auch für mich war mit ihrem Abgang unerwartet erst einmal die Luft raus, und ich sagte mir: »Na, na, na, Peter, mein Junge, immer mit der Ruhe, sie wird halb London im Schlepptau haben, und außerdem weißt du überhaupt nichts von ihr, bloß wie sie aussieht und wie sie redet ...«, doch wer brauchte eigentlich mehr? Alles mußte schließlich irgendwo anfangen.

Ich stieß auf der Tribüne wieder zu Greg und Vicky und erfuhr, daß sie zu guter Letzt zwei Stühle in der Bar ergattert, dort eine ganze Stunde bei einem einzigen Glas Tonic verbracht und sich die Rennen auf dem Monitor angeschaut hatten. Bei raschen Vorstößen zum Wettschalter hatten sie auf zwei Sieger gesetzt und einen Batzen auf die Acht gewonnen. »Mein Geburtstag ist am achten Achten«, sagte Vicky. »Die Acht war schon immer meine Glückszahl.« Sie hätten sich doch noch gut amüsiert, meinten sie.

Belinda kam mit bedrückter Miene an, um pflichtbewußt zu fragen, ob sie zurechtkämen, und wurde wütend, als sie von ihrem Gewinn auf die Acht hörte.

»Das blöde Vieh taugt nichts«, fuhr sie auf, »und Ken macht ein geradezu idiotisches Theater.«

»Weshalb denn, Liebes?« fragte Vicky verdutzt.

»Er hat mir Geld gegeben, damit ich für ihn auf die Acht setze, aber ich hab’s auf den Favoriten gesetzt, und so wie er sich anstellt, könnte man meinen, ich hätte ihn um einen Topf voll Gold gebracht.«

»Er steht sehr unter Druck«, sagte Greg sanft. »Das sieht man ihm doch an.«

»Er ist dickköpfig und stolz«, sagte Belinda, »und er redet kein Wort mehr mit mir.« Ein dünner Kranz von Tränen glitzerte plötzlich an ihren unteren Augenlidern. Sie warf den Kopf zurück, als könnte sie sie so ungeschehen machen, und blinzelte angestrengt, während sie einmal kurz schniefte.

Vicky sah aus, als sei sie erleichtert über dieses Anzeichen von Gefühl bei ihrer herrischen Tochter, und sagte nüchtern: »Er kommt schon drüber weg.«

Belinda sagte: »Ich habe angeboten, ihm das verflixte Geld zu zahlen, das er gewonnen hätte. Er sagte, darum ginge es nicht. Ja, um was denn dann?«

»Um sein Ego, Liebes«, sagte Vicky. »Du hast seine Entscheidung in Frage gestellt. Schlimmer noch, du hast dich darüber hinweggesetzt. Das fuchst ihn, nicht das verlorene Geld.«

Belinda sah ihre Mutter mit großäugiger stummer Verwunderung an, und ich dachte bei mir, daß sie jetzt vielleicht zum erstenmal, seit sie erwachsen war, ihrer Mutter richtig zugehört hatte. Nach einer langen Pause glitt ihr Blick von Vicky zu mir, und ihr Gesichtsausdruck wurde wieder hart und streng.

»Und Sie«, fragte sie feindselig, »was meinen Sie dazu?«

»Ich denke«, sagte ich ohne Nachdruck, »daß er von der Arbeit in der Praxis her zu sehr daran gewöhnt ist, daß Sie ihm aufs Wort gehorchen.«

Sie warf mir einen ähnlich erstaunten Blick zu wie ihrer Mutter.

»Ich wollte nur sein Bestes«, sagte sie.

Und ihm beweisen, daß Sie alles besser beurteilen können als er, dachte ich, hütete mich aber, das zu sagen.

Sie wechselte das Thema, wie um ihre Selbstachtung vor weiterer Analyse zu bewahren, und sagte: »Wir alle wüßten halt zu gern, wer diese verwegen aufgemachte Frau ist, mit der Sie sich den ganzen Nachmittag unterhalten haben.«

Da »wir alle« Belindas Umschreibung für »ich platze vor Neugier« war, schauten Greg und Vicky verwirrt drein. Sie hatten Annabel offensichtlich nicht bemerkt.