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»Werde mich bemühen«, versprach ich. »Mit wem hat er

sich geprügelt?«

»Was? Ach du meine Güte ... ich weiß nicht mehr. Er war noch nicht lange aus der Haft entlassen, als er nach Cheltenham kam. Auf der Rennbahn konnte man nicht arbeiten, ohne andauernd von ihm zu hören. Warte mal ... Ach ja!« Sie kicherte plötzlich in sich hinein. »Es war nicht nur wegen einer Prügelei. Er war auf irgendwen mit einer Heftmaschine losgegangen und hatte ihm Klammern in die Jeans gejagt. Die Jeans an den Mann geheftet. Jetzt hört sich das lustig an, aber ich glaube, er hatte dem Mann vorgeworfen, heimlich mit seiner Freundin zu schlafen, und er wollte dafür sorgen, daß er nicht noch mal die Hosen runterkriegte.«

»Um Himmels willen!«

»Mhm. Jetzt fällt’ s mir wieder ein. Der Mann mußte ins Krankenhaus, um sich die Klammern rausnehmen zu lassen, und die steckten vorwiegend an den empfindlichsten Stellen - es war fraglich, ob er überhaupt noch mal mit jemand schlafen würde, von Wynn Lees’ Freundin ganz zu schweigen.«

»Wieso habe ich nie etwas davon gehört?«

»Nun, Peter, vielleicht hast du es sogar gehört, aber nicht von mir. Du warst ein Baby, als die Verklammerung stattfand. Ich kann dir aber sagen, daß du Wynn Lees überhaupt nicht leiden mochtest. Du hast dich immer versteckt, wenn er ins Büro kam, während du da warst. Ganz instinktiv. Du konntest ihn nicht riechen. Deshalb habe ich ihn als Buhmann benutzt, ohne dir angst zu machen mit dem, was er eigentlich getan hatte. Ich dachte, von den rausgeschnittenen Pferdezungen bekämst du Alpträume. Kindern würde ich so etwas auch jetzt noch nicht erzählen, obwohl heutzutage keinem Kind verborgen bleibt, wieviel Greuel es auf der Welt gibt.«

»Danke, daß du es mir nicht erzählt hast«, sagte ich. »Ich hätte schwer daran zu knabbern gehabt.«

»Ab und zu bist du ein recht liebenswerter Sohn.«

Streicheleinheiten. Und warum auch nicht? Wir hatten uns immer gut verstanden.

»Okay«, sagte ich, »gehen wir noch ein paar Namen durch. Was ist mit Ronnie Upjohn?«

»Upjohn ...« Ihr Ton war negativ, ohne ein Zeichen des Erkennens.

»Upjohn und Travers«, sagte ich. »Wer waren Upjohn und Travers?«

»Peter, ich habe keine Ahnung. Du bist mit einem Jungen namens Travers zur Schule gegangen. So hast du ihn genannt - Travers, das war sein Nachname. Er kam manchmal zum Spielen zu dir. Seine Mutter hat Siamkatzen gezüchtet.«

»Ich erinnere mich nicht an ihn.«

»Es ist auch ewig lange her, Welten entfernt.«

»Ich bin da jetzt drin, in dieser Welt.«

»Genau. Ist das nicht seltsam?«

»Doch«, stimmte ich zögernd zu.

»Wen hast du noch getroffen? Sonst noch jemand?«

»J. Rolls Eaglewood. Der nämliche, aber alt und mit Gehstock.«

»J. Rolls!« Sie lachte. »An Russet wirst du dich wohl nicht erinnern.«

»Kein Schlüpfer«, sagte ich.

»Sieht dir ähnlich, daß du das behalten hast.«

»Ich weiß auch noch, daß Jimmy tödlich verunglückt ist.«

»Der Arme. Ein nettes Kind.«

»J. Rolls hat was von einem Tyrannen«, sagte ich.

»Schon immer gehabt. Er hat mit eiserner Hand seinen Hof regiert und auch unser Dorf. Das alte Ungeheuer trainiert also immer noch ... Gegen Russet durfte keiner etwas sagen. Einmal hat er seinen Jockey gefeuert, bloß weil der lachte, als jemand einen Witz über sie gerissen hat. Da war die Hölle los. Was ist aus Russet geworden?«

»Weiß ich noch nicht. Es gibt jetzt eine Enkeltochter, die Izzy heißt. Sie war eine Zeitlang mit Ken McClure befreundet.« Ich hielt inne. »Mama, weißt du eigentlich, warum Kenny McClure sich umgebracht hat?«

Nach kurzem Schweigen sagte sie: »Depressionen, nehme ich an. Es war ein furchtbarer Schlag damals. Er war bei allen beliebt. Dich hat er oft in seinem Jeep mitgenommen, wenn er die Bahn abgefahren ist. Ich habe die Gerüchte nie geglaubt.«

»Was für Gerüchte?«

»Es hatte etwas mit Arzneimitteln zu tun. Er soll die falschen Medikamente verordnet haben. Irgendein verheerend wirkendes Mittel. Das war ein Gerücht, weiter nichts. Die Leute suchten eine Erklärung dafür, daß er sich umgebracht hatte, obwohl er so beliebt war und ein guter Tierarzt. Es war wirklich unfaßbar.«

»Wie hat er sich umgebracht?«

»Jagdgewehr. Hat sich den Kopf weggeschossen. Erinnere mich nicht dran, Peter, es hat mich damals über Tage hinaus krank gemacht. Wenn ich bloß daran denke, kommt alles wieder hoch.«

»Entschuldige.«

Ich wunderte mich über den Gefühlsausbruch. Ich hatte nie Mutmaßungen über ihr Liebesleben angestellt, denn soviel ich wußte, hatte es zwischen dem ersten und dem zweiten Mann keines gegeben.

Aber jetzt ging mir auf, daß sie mit zweiundzwanzig, als Witwe und als so eindrucksvolle Erscheinung, wie die Fotos bezeugten, zumindest für die Liebe bereit und empfänglich gewesen sein mußte.

Sie hatte nicht untätig auf einen John Darwin gewartet, dachte ich.

Meine Mutter hatte seit jeher einen sechsten Sinn, um mein Schweigen zu deuten, und so sagte sie scharfsinnig: »Kenny war verheiratet. Es wäre nicht recht von ihm gewesen, Frau und Kinder zu verlassen, darin waren wir uns einig, und deshalb dauerte es auch nicht sehr lange. Es hörte schon Jahre vor seinem Selbstmord auf. Ich sah ihn oft, aber wir waren bloß Freunde. Ist es das, was du wissen wolltest?«

»Ich glaube schon.«

»Es wäre mir lieb, du würdest es deinem Freund Ken nicht erzählen.«

Ich lächelte in den Apparat. »Okay.«

»Er war ein netter Mann, Peter.«

»Ich verlasse mich auf dein Urteil.«

»Also weißt du«, sagte sie zögernd, »wenn du Ken in seiner schwierigen Lage helfen könntest, dann wäre das irgendwie angebracht. Laß ihn nicht tun, was sein Vater getan hat. Ich hätte alles darum gegeben, zu erfahren, was Kenny bedrückte ... und ihn davor zu bewahren. Aber er hat mir nichts gesagt ... wir waren uns nicht mehr so nah ... darum hilf seinem Sohn für mich und Kenny, ja?«

Ich war außerordentlich bewegt. Eltern steckten voll der erstaunlichsten Überraschungen.

»Ich werde ihm helfen«, versprach ich, »wenn ich kann.«

Am nächsten Tag um acht fuhr ich zur Klinik, entschlossen, soviel wie möglich aus Ken herauszuholen, doch statt eines ruhigen Sonntagmorgengesprächs unter vier Augen fand ich die ganze Stätte von brodelnder Aktivität erfüllt.

Eine große Absperrung blockierte den Zugang zum hinteren Parkplatz, der voller Polizeiautos stand, mit und ohne Blaulicht.

Ein Arm des Gesetzes verwehrte mir auch den Zugang zu Fuß. Auf der anderen Seite des Parkplatzes erblickte ich Carey Hewett in seinem mittlerweile schon vertrauten Zustand der Verzweiflung. Ich hatte ihn noch nie anders gesehen. Ken, in der gleichen Gruppe, war am ganzen Körper angespannt.

»Sie können nicht rein, Sir«, sagte das Gesetz.

Ich rief: »Ken!« Der hörte es, hob den Kopf, winkte und kam herüber.

»Gott weiß, was hier vorgeht«, sagte er. »Anscheinend hat die Feuerwehr mit den Leuten von der Versicherung gestern den ganzen Tag hier den Schutt durchgesiebt, auf der Suche nach stichhaltigen Beweisen für Brandstiftung.«

»Und haben sie welche gefunden?«

»Haben sie nicht gesagt. Aber sie haben eine Leiche gefunden.«

Kapitel 6

»Wessen Leiche?« fragte ich automatisch.

»Das weiß niemand«, sagte Ken. »Carey ist auch erst kurz nach mir gekommen.«

Wir unterhielten uns über die Absperrung hinweg, da der Polizist erklärte, mich als Unbefugten dürfe er nicht hineinlassen.

»Ich gebe ihm die Befugnis«, sagte Ken überredend. »Ich arbeite hier und brauche ihn.«