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Wir gingen zu Seezunge über, und ich fragte sie, ob es im Jockey-Club jemanden gab, der sich mit Versicherungsbetrug bei toten Pferden auskannte.

Sie sah mich ernst an. »Glauben Sie, daß es sich darum handelt?«

»Fast mit Sicherheit, wenn da nicht ein fixierter Psychopath frei herumläuft.«

Sie dachte darüber nach. »Ich kenne den stellvertretenden Direktor des Sicherheitsdienstes ganz gut«, sagte sie. »Ich könnte ihn bitten, sich mit Ihnen zu treffen.«

»Ja? Wann?«

»Wenn Sie gerade noch warten, bis ich mit Essen fertig bin, rufe ich ihn an.«

Mein detektivischer Eifer trat einen Schritt beiseite, während Annabel Nutbourne sorgsam jeden Krümel von den Gräten schälte und ein Skelett zurückließ, so blank wie in der Anatomiestunde.

»Haben Sie Verehrer in hellen Scharen?« fragte ich.

Sie warf mir einen amüsierten Blick zu. »Immer nur einen.«

»Und jetzt im Moment?«

»Bringt man Ihnen beim Auswärtigen Amt keine Diplomatie bei?«

Der Rüffel war verdient, nahm ich an. Wo waren die Kunstgriffe, die ich so oft geübt hatte? Ein kühler Honigtopf konnte eine gesunde Drohne sehr schnell dumm aussehen lassen.

»Irgendwelche guten Predigten gehört in letzter Zeit?« fragte ich.

»Ein Clown zu sein ist wahrscheinlich immer noch besser, als ein Flegel zu sein.«

»Sage ich jetzt danke schön?«

»Wenn Sie vernünftig sind.« Sie machte sich ohne Bosheit über mich lustig. Hinter diesem selbstbewußten Äußeren, dachte ich, lagen weniger Unsicherheiten, als man normalerweise antraf. Ich war es eher gewohnt, Augen zu trocknen, als von ihnen gefoppt zu werden.

Ich dachte an Russet Eaglewood, deren Unsicherheiten sich nicht erraten ließen und deren Ruf zur Legende geworden war. Als Liebhaberin war sie abwechselnd selbstsüchtig, großzügig, leidenschaftlich, passiv, gierig und zum Lachen aufgelegt gewesen, und Annabel würde das alles vielleicht auch sein, wenn die Zeit kam, aber ich glaubte nicht, daß ich mich an diesem Abend in meinem Sessel zurücklehnen und »Na, wie ist es, gehn wir pudern?« zu Miss Nutbourne sagen würde.

Sie wählte Cappuccino mit Muskat obendrauf für uns beide, und während ich danach die Rechnung zahlte, führte sie das Telefongespräch.

»Er sagt«, berichtete sie, »die beste Zeit sei jetzt.«

»Wirklich?« Ich war ebenso überrascht wie froh. »Was für ein Glück, daß er zu Hause ist.«

»Zu Hause?« Sie lachte. »Er ist nie zu Hause. Er hat bloß einen Telefonknopf im Ohr. Ich habe ein Taxi bestellt.«

Gut organisierter Transport, sagte sie, gehöre zu ihrem Job.

Der stellvertretende Direktor vom Sicherheitsdienst des Jockey-Clubs empfing uns in der Eingangshalle eines Spielsalons und trug uns als Gäste ein. Er war eine stattliche Erscheinung - breitschultrig, muskulös, flacher Bauch, lange Beine. Die wachsamen Augen ließen mich vermuten, daß er bei der Polizei gewesen war, im gehobenen Dienst.

»Brose«, sagte Annabel und streichelte ihm den Arm zur Begrüßung, »das ist Peter Darwin. Fragen Sie ihn nicht, die Antwort ist nein.« Dann stellte sie ihn mir vor: »John Ambrose. Sagen Sie Brose zu ihm.«

Er schüttelte mir die Hand; auch daran war nichts Unentschlossenes.

»Kennen Sie Blackjack?« fragte er mich.

»Siebzehnundvier? Mehr oder weniger.«

»Annabel?«

»Ebenso.«

Brose nickte und führte uns durch Schwingtüren in einen weitläufigen Spielsaal, wo das Leben auf grünem Filz unter hellen, niedrig hängenden Lampen stattfand. Zu meiner nicht gelinden Überraschung ging es laut zu, und die Einsätze waren zu meiner Erleichterung nicht so hoch, daß sie einen sofort ruinierten. Brose lotste uns zu einem verlassenen Blackjacktisch ohne Croupier und erklärte uns, daß dem, der wartet, alles zufällt.

»Bestellen Sie Limonade«, sagte er. »Ich bin gleich wieder da.«

Er stürzte sich in das Gedränge der Spieler, die zielbewußt kleine Plastikblättchen dorthin setzten, wo sie ihr Glück vermuteten, und ab und zu sahen wir, wie er sich Leuten über die Schulter beugte und ihnen etwas ins Ohr sagte.

»Sie würden nicht drauf kommen«, sagte Annabel, »aber er bringt hier einem Haufen schräger Rennbahntypen das Fürchten bei. Er zieht durch die Klubs und behält sie im Auge, und die hassen das. Er sagt, wer Verluste nicht wegstecken kann, bringt sich leicht in Schwierigkeiten, und davon abgesehen läßt sich mit den vertraulichen Informationen, die man ihm gibt, Gaunern das Handwerk legen und der Rennsport wenigstens halbwegs sauberhalten.«

»Hat er im wörtlichen Sinn Limonade gemeint?«

»Oh, ich nehme es an. Er trinkt keinen Alkohol, und er muß für alles, was er hier ausgibt, Rechenschaft ablegen. Champagner wären wir nicht wert.«

Wir begnügten uns statt dessen mit Sprudelwasser, und nach und nach setzten sich noch ein paar Leute an unseren Tisch, bis schließlich auch ein Croupier erschien, neue Blätter anbrach, eine Ewigkeit mischte, die Karten von einem dicken, asthmatischen Mann abheben ließ und sie in einen Schlitten steckte.

Die meisten Hinzugekommenen hatten Chips mitgebracht. Annabel und ich kauften jeder zwanzig und spielten vorsichtig, und nach kurzer Zeit hatte sie ihre verdoppelt, und ich besaß nur noch zwei.

»Sie können nicht gewinnen, wenn Sie bei 15 noch eine Karte nehmen«, sagte Brose mir ins Ohr. »Die Chancen stehen dagegen. Wenn der Geber nicht gerade eine 10 oder ein Bild vorlegt, bleiben Sie ab 12, und wetten Sie, daß die Bank sich übernimmt.«

»Das ist doch nicht aufregend«, sagte ich.

»Verlieren auch nicht.«

Ich hielt mich an seinen Rat, und die Bank übernahm sich dreimal hintereinander.

»Ich habe Zeit für einen Drink«, sagte er. »Möchten Sie reden?«

Er führte uns in eine durch ein Geländer abgeteilte Ecke, wo an kleinen Tischen hohläugige Unglücksraben saßen und ihre Hypothekenvaluta vertranken. Eine Kellnerin brachte Brose unaufgefordert ein Glas Zitronensaft, das er langsam und stetig in einem Zug hinunterkippte.

»Hier hält man die Luft trocken«, sagte er. »Haben Sie’s bemerkt? Da kriegen alle Durst. Sehr gut fürs Geschäft. Was genau möchten Sie wissen?«

Ich erzählte, welche Sorgen Hewett und Partner mit Pferden hatten, wobei ich ausführlich nur auf die Stute einging.

»Sie trug ein Fohlen von Rainbow Quest«, sagte ich. »Ihr Besitzer ist ein komischer Vogel ...«

»Name?« unterbrach Brose.

»Des Besitzers? Wynn Lees.«

Brose stieß einen Brummton aus, und seine Aufmerksamkeit erhöhte sich. »Zwei davon gibt’s ja wohl nicht.«

»Es ist derselbe«, versicherte ich ihm.

»Was ist an ihm komisch?« fragte Annabel.

Brose sagte: »Er ist pervers. Nicht in sexueller Hinsicht, das meine ich nicht. Grausam ist er. Man dürfte ihn niemals an Pferde heranlassen. Pech für uns, daß Australien ihn abgeschoben hat.«

Ich ging auf die Kolikoperation ein und erzählte ihm von der Nadel, dann schilderte ich die Umstände des Todes der Stute an diesem Nachmittag.

»Und die Ärzte da wissen nicht, woran sie gestorben ist?«

»Noch nicht, nein. Aber weshalb wurde sie umgebracht? Das Fohlen war wertvoll, sie selber auch.«

Er sah mich ernüchtert an. »Meinen Sie, Wynn Lees hat es getan?«

»Er war heute morgen da, aber sie lebte noch, als er wegfuhr.«

Er orderte mit erhobenem Finger und einem unerwartet netten Lächeln noch einen Zitronensaft. Die Kellnerin brachte ihm strahlend das Getränk.

»Ich sage Ihnen was«, meinte er schließlich. »Jede Wette, daß das Fohlen nicht von Rainbow Quest war.«

»Laut dem Gestüt Vernonside schon.«

»Das Gestüt glaubt doch, was man ihm sagt. Die bekommen eine Stute geschickt, auf deren Halfter ein Name steht. Das ist der Name, an den sie sich halten. Sie hat zweifellos auch Papiere bei sich, die ganz in Ordnung sind. Trächtig von Rainbow Quest. Weshalb daran zweifeln?«