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„Vielleicht liegen wir falsch“, sagte Lunatscharski. „Vielleicht wollten sie sich nur an die Erde anschließen.“ Ellie stellte sich nächtliche Ausgrabungen unter den Toren Trojas vor.

Mit gespreizten Fingern machte Eda eine beruhigende Handbewegung. „Abwarten“, sagte er. „Das ist ein anderer Tunnel. Woher wißt ihr, daß er zur Erde zurückführt?“

„War die Wega etwa nicht unser Ziel?“ fragte Devi. „Machen wir die Probe. Laßt uns abwarten, wo wir als nächstes herauskommen.“

In diesem Tunnel stießen sie seltener an die Wände, und es gab weniger Wellenbewegungen. Eda und Waygay diskutierten über ein Raum-Zeit-Diagramm, daß sie in ein Kruskal-Szekeres-Koordinatenkreuz gezeichnet hatten. Ellie hatte keine Ahnung, wovon sie redeten. Das Stadium der Verzögerung, also der Teil ihrer Vorwärtsbewegung, der einem das Gefühl gab, als ob es bergauf ginge, verursachte ihr immer noch ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Dieses Mal war das Licht am Ende des Tunnels orangefarben. Sie erschienen mit beträchtlicher Geschwindigkeit im System eines Kontaktdoppelsterns, zweier sich berührender Sonnen. Die äußeren Schichten eines aufgedunsenen, älteren roten Riesensterns ergossen sich in den Lichtkreis eines kraftvollen Zwerges mittleren Alters, der der Sonne ziemlich ähnlich war. Die Kontaktzone zwischen den beiden Sternen war strahlend hell. Ellie suchte nach Ringen aus Schutt, Planeten oder kreisenden Radioobservatorien, konnte aber nichts finden. Das hatte nichts zu bedeuten, sagte sie sich. Es konnte sein, daß solche Systeme eine ganze Menge Planeten hatten, sie aber wegen ihres kleinen Teleobjektivs nie davon erfahren würde. Sie projizierte den Doppelstern auf das Stück Papier und photographierte das Abbild mit einem Objektiv kurzer Brennweite.

Weil keine Ringe vorhanden waren, gab es in diesem System weniger gestreutes Licht als im Bereich der Wega. Mit dem Weitwinkelobjektiv konnte sie nach einigem Suchen ein Sternbild erkennen, das dem Großen Wagen einigermaßen ähnlich sah. Aber es bereitete ihr Schwierigkeiten, die anderen Sternbilder zu erkennen. Weil die hellen Sterne im Großen Wagen mehrere hundert Lichtjahre von der Erde entfernt waren, schloß sie daraus, daß sie nur wenige hundert Lichtjahre weit gesprungen waren.

Sie teilte ihren Schluß Eda mit und fragte ihn, was er dazu meine.

„Was ich dazu meine? Ich glaube, wir sitzen in einer U- Bahn.“

„Eine U-Bahn?“

Sie erinnerte sich an das Gefühl zu stürzen, wie in die Tiefen der Hölle. So war es ihr einen Moment lang vorgekommen, unmittelbar nachdem die Maschine in Betrieb gesetzt worden war.

„Eine Metro. Eine Untergrundbahn. Das sind die Stationen. Die Haitestellen. Die Wega, dieses System hier und noch andere. An den Haltestellen steigen Passagiere ein und aus. Man steigt hier um.“

Er wies zu dem Kontaktdoppelstern hinüber, und sie bemerkte, daß seine Hand zwei Schatten warf, einen antigelben und einen antiroten. Ihr fiel nur ein Bild dazu ein: wie in einer Diskothek.

„Aber wir, wir können nicht aussteigen“, fuhr Eda fort. „Wir sitzen in einem verschlossenen Waggon. Wir fahren bis zur Endstation.“

Drumlin hatte derartige Spekulationen ins Reich der Phantasie verwiesen. Es war das erste Mal — so weit sie wußte —, daß Eda dieser Versuchung erlegen war.

Sie war die einzige an einem Observatorium angestellte Astronomin der Fünfergruppe, wenn auch die Optik nicht ihr Spezialgebiet war. Sie fühlte sich dafür verantwortlich, so viele Daten wie möglich zu sammeln — in den Tunneln und den gewöhnlichen vierdimensionalen Raum-Zeit-Gefügen, in denen sie in regelmäßigen Abständen auftauchten. Die mutmaßlichen Schwarzen Löcher, aus denen sie herauskamen, befanden sich immer in der Umlaufbahn um einen Stern oder ein Sternsystem. Die Löcher kamen immer paarweise vor, jeweils zwei von ihnen hatten eine ähnliche Umlaufbahn: dasjenige, aus dem sie herausgeschleudert wurden, und ein anderes, in das sie hineinfielen. Nicht zwei der Systeme ähnelten einander. Keines war dem Sonnensystem besonders ähnlich. Alle hielten aufschlußreiche astronomische Erkenntnisse bereit. In keinem einzigen gab es so etwas wie einen künstlich hergestellten Gegenstand zu sehen, kein zweites Dodekaeder und kein technisches Großprojekt, bei dem Welten auseinandergenommen und wieder zu etwas zusammengesetzt wurden, das Xi Produkt technischer Intelligenz nennen würde.

Gerade tauchten sie in der Nähe eines Sterns auf, der seine Helligkeit sichtbar veränderte (sie konnte das an der Veränderung der erforderlichen Belichtungseinstellung erkennen). Vielleicht handelte es sich um einen der Sterne aus dem Sternbild der Leier. Als nächstes kamen sie in ein Fünffachsystem. Dann zu einem schwach leuchtenden Braunen Zwerg. Manche Sterne befanden sich frei im Weltraum, andere waren von Nebelhüllen und glühenden Molekülwolken umgeben.

Sie erinnerte sich an die Warnung: „Das wird Ihnen im Paradies abgezogen.“ Von ihrem Anteil im Paradies gab es bisher noch nichts abzuziehen. Trotz ihrer bewußten Anstrengung, professionell die Ruhe zu bewahren, begann ihr Herz angesichts dieser Fülle von Sonnen schneller zu schlagen. Sie hoffte, daß jede einzelne davon die Heimat irgendwelcher Wesen war oder eines Tages sein würde. Aber nach dem vierten Sprung begann sie sich Sorgen zu machen. Ihrem Gefühl und ihrer Armbanduhr nach zu schließen, war etwa eine Stunde vergangen, seit sie Hokkaido verlassen hatten. Wenn ihre Reise noch viel länger dauerte, würde sich das Fehlen gewisser Annehmlichkeiten bemerkbar machen. Es gab wohl Aspekte der menschlichen Physiologie, die auch die fortgeschrittenste Zivilisation durch aufmerksames Fernsehen nicht erschließen konnte. Und Wenn die Außerirdischen so klug waren, warum ließen sie die Menschen dann so kleine Sprünge vollführen? Zugegeben, vielleicht mußte man für den Sprung von der Erde weg ein primitives Gerät benutzen, weil auf der der Erde zugewandten Seite des Tunnels die primitiven Bewohner der Erde arbeiteten. Aber hinter der Wega? Warum konnten sie das Dodekaeder nicht direkt dorthin springen lassen, wohin es unterwegs war?

Jedesmal, wenn sie aus einem Tunnel herausrasten, war sie voller Erwartung. Welches Wunder wartete als nächstes auf sie? Sie fühlte sich an einen raffinierten Vergnügungspark erinnert und stellte sich unwillkürlich vor, wie Hadden in dem Augenblick, in dem die Maschine gestartet war, mit seinem Teleskop auf Hokkaido heruntergeschaut hatte. So großartig die Panoramen auch waren, die ihnen die Absender der BOTSCHAFT boten, und so sehr sie es auch genoß, den anderen im Hochgefühl ihrer Kompetenz Aspekte der stellaren Entwicklung zu erklären, nach einiger Zeit war sie doch enttäuscht. Bald hatte sie den Grund für ihr Gefühl gefunden: Die Außerirdischen protzten. Das gehörte sich nicht. Es verriet Charakterschwäche. Als sie in einen weiteren Tunnel eintauchten, der diesmal breiter und gewundener als die anderen war, fragte Luna-tscharski Eda, warum seiner Meinung nach die U-Bahn-Haltestellen in so wenig vielversprechende Sternsysteme gelegt worden waren. „Warum nicht in die Nähe eines einzelnen Sterns, eines jungen, gesunden Sterns ohne Schuttringe?“

„Weil“, erwiderte Eda, „— aber ich rate jetzt nur, weil du mich danach fragst — weil all diese Systeme bewohnt sind.“

„Und sie nicht wollen, daß Touristen die Eingeborenen verschrecken“, vollendete Sukhavati den Satz lachend. Auch Eda mußte lachen. „Oder andersherum.“

„Aber das ist es doch, was du glaubst, oder? Daß es eine Art Ethik der Nichteinmischung gibt, was primitive Planeten betrifft. Sie wissen, daß manche der Primitiven hin und wieder die U-Bahn benützen könnten.“

„Und sie sind sich der Primitiven ziemlich sicher“, spann Ellie den Gedanken weiter. „Aber sie können nicht absolut sicher sein. Schließlich sind Primitive primitiv. Deshalb läßt man sie nur auf Strecken fahren, die in die hinterste Provinz führen. Die Erbauer müssen ein sehr vorsichtiges Volk sein. Aber warum haben sie uns dann einen Bummelzug geschickt und keinen Schnellzug?“