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Da lachte ich – doch nur um auf ihre Stimmung einzugehen.

»Sei doch kein Dummkopf«, sagte ich, als ich fertig war. »Ich?«

Aber schon als ihr die Worte über die Lippen kamen, wußte ich, daß sie eine besondere Saite berührt hatte, etwas in mir Vergrabenes, das mit einem kräftigen »Warum nicht?« antwortete.

Plötzlich hatte ich Angst.

Sie schien allerdings erleichtert zu sein über meine Ablehnung der Sache, über die ich nichts Näheres wußte. Sie lächelte plötzlich und deutete auf eine eingebaute Bar zu meiner Linken.

»Ich möchte gern einen Irischen Nebel«, sagte sie.

»Ich eigentlich auch«, erwiderte ich, stand auf und machte zwei Drinks.

»Weißt du«, fuhr ich fort, als ich mich wieder gesetzt hatte, »es ist angenehm, so mit dir zusammen zu sein, auch wenn es nur für eine kurze Zeit ist. Es weckt Erinnerungen.«

Und sie lächelte und bot einen lieblichen Anblick.

»Du hast recht«, sagte sie und trank aus ihrem Glas. »In deiner Gesellschaft habe ich fast das Gefühl, in Amber zu sein.« Ich ließ fast mein Getränk fallen.

Amber! Das Wort ließ einen kribbelnden Schauder über meinen Rücken laufen.

Im nächsten Augenblick begann sie zu weinen, und ich stand auf und legte ihr tröstend den Arm um die Schultern.

»Du darfst nicht weinen, Mädchen. Bitte nicht. Das macht mich auch traurig.« Amber! Dieser Ort hatte etwas Besonderes, er war elektrisierend, machtvoll. »Es wird wieder gute Zeiten geben wie früher«, sagte ich leise.

»Glaubst du wirklich?« fragte sie.

»Ja!« sagte ich laut. »Ja, das glaube ich.«

»Du bist ja verrückt. Ich glaube dir fast alles, auch wenn ich weiß, daß du verrückt bist.«

Dann weinte sie noch ein Weilchen und beruhigte sich schließlich.

»Corwin«, sagte sie, »wenn du es schaffst – wenn dir eine unglaubliche, unvorstellbare Chance aus den Schatten den Weg ebnet – wirst du dich dann deiner kleinen Schwester Florimel erinnern?«

»Ja«, sagte ich und erkannte zugleich, daß sie so hieß. »Ja, ich werde an dich denken.«

»Danke. Ich werde Eric nur das Wesentliche mitteilen und Bleys überhaupt nicht erwähnen – und auch nicht meine neuesten Vermutungen.«

»Vielen Dank, Flora.«

»Aber ich traue dir kein bißchen«, fügte sie hinzu. »Daran solltest du auch denken.«

»Das ist selbstverständlich.«

Dann rief sie das Mädchen, das mir ein Zimmer zeigen sollte, und ich zog mich mühsam aus, sank ins Bett und schlief elf Stunden lang.

3

Am nächsten Morgen war sie fort, ohne eine Nachricht hinterlassen zu haben. Das Mädchen setzte mir das Frühstück in der Küche vor und zog sich zurück, um ihren Hausmädchenpflichten nachzukommen. Ich hatte den Impuls unterdrückt, die Frau auszuhorchen, da sie die Dinge, die ich wissen wollte, entweder nicht verraten würde oder vielleicht gar nicht über sie informiert war. Außerdem hätte sie den Versuch sicher Flora gemeldet. Da ich mich anscheinend im Haus frei bewegen konnte, beschloß ich statt dessen in die Bibliothek zurückzukehren. Vielleicht konnte ich dort etwas in Erfahrung bringen. Außerdem mag ich Bibliotheken. Wände aus schönen und weisen Worten ringsum geben mir ein Gefühl der Behaglichkeit und Sicherheit. Mir ist immer viel wohler, wenn ich sehe, daß es etwas gibt, mit dem sich die Schatten zurückdrängen lassen.

Donner und Blitz – oder einer ihrer Verwandten – erschien von irgendwoher und folgte mir mit steifen Beinen durch den Flur und beschnüffelte meine Fährte. Ich versuchte mich mit ihm anzufreunden, aber dabei war mir, als spräche ich mit einem Motorradpolizisten, der mich eben angehalten hatte. Unterwegs warf ich einen Blick in einige andere Zimmer, die einfach nur Zimmer waren, ganz normal.

Ich betrat also die Bibliothek, wo mir noch immer Afrika entgegenblickte. Ich schloß hinter mir die Tür, um die Hunde draußenzuhalten, und schlenderte durch den Raum, während ich die Titel auf den Regalen las.

Geschichtsbücher waren besonders zahlreich vertreten. Sie schienen in ihrer Sammlung zu überwiegen. Daneben entdeckte ich zahlreiche Kunstbücher der großformatigen, teuren Sorte und blätterte einige durch. Ich kann am besten nachdenken, wenn ich mich mit etwas anderem beschäftige.

Ich fragte mich, woher Floras Reichtum stammte. Wenn wir verwandt waren, bedeutete das, daß ich irgendwo auch über ausreichende Mittel verfügte? Ich dachte über meinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Status, über meinen Beruf und meine Herkunft nach. Ich hatte das Gefühl, daß ich mir um Geld keine Sorgen machte und daß es immer genug Vermögen oder Verdienstmöglichkeiten gegeben hatte, um mich zufriedenzustellen. Besaß ich ein großes Haus wie dieses? Ich wußte es nicht mehr.

Welchen Beruf übte ich aus?

Ich saß hinter ihrem Tisch und durchforschte mein Gehirn nach besonderen Kenntnissen. Es ist schwierig, sich selbst auf diese Weise zu erkunden, als Fremden. Vielleicht ist das der Grund, warum ich nichts zu finden vermochte. Was zu einem Menschen gehört, gehört eben ihm, ist ein Teil von ihm und scheint einfach dorthin zu gehören, ins Innere. Das ist alles.

Arzt? Der Gedanke kam mir, während ich einige anatomische Zeichnungen Leonardos betrachtete. Fast automatisch war ich im Geiste die Etappen verschiedener chirurgischer Operationen durchgegangen. Ich erkannte, daß ich schon Operationen an Menschen durchgeführt hatte.

Aber das Bild stimmte noch nicht ganz. Mir war klar, daß ich eine medizinische Ausbildung hatte, die aber zu etwas anderem gehörte. Irgendwie war mir bewußt, daß ich kein praktizierender Chirurg war. Aber was dann? Was spielte da noch hinein?

Etwas lenkte meinen Blick auf sich.

Vom Tisch aus vermochte ich die gegenüberliegende Wand zu überschauen, an der unter anderem ein antiker Kavalleriesäbel hing, den ich bei meinem ersten Rundgang durch den Raum übersehen hatte. Ich stand auf, ging hinüber und nahm die Waffe von den Haken.

Im Geiste schüttelte ich den Kopf über den Zustand des Säbels. Ich wünschte mir Öllappen und Wetzstein, um die Waffe so aufzubereiten, wie es sich gehörte. Ich kannte mich mit antiken Waffen aus, besonders mit Hiebwaffen.

Der Säbel fühlte sich leicht und nützlich an, ich hatte das Gefühl, daß ich damit einiges anstellen konnte. Ich schlug en garde, parierte und hieb ein paarmal zu. Ja, ich konnte mit dem Ding umgehen.

Was für eine Basis war das? Ich sah mich nach weiteren Gedächtnishilfen um.

Da mir jedoch nichts anderes auffiel, hängte ich die Klinge wieder an die Wand und kehrte zum Tisch zurück. Als ich mich gesetzt hatte, beschloß ich, die Schubladen durchzusehen.

Ich begann in der Mitte, arbeitete mich auf der linken Seite schubladenweise hoch und auf der anderen wieder hinab.

Briefpapier, Umschläge, Briefmarken, Büroklammern, Bleistiftstümpfe, Gummibänder – die üblichen Sachen.

Allerdings zog ich jede Schublade ganz heraus und nahm sie auf den Schoß, während ich den Inhalt untersuchte. Dahinter stand keine bewußte Absicht.

Dieses Vorgehen gehörte vielmehr zu einer Ausbildung, die ich früher einmal erhalten hatte, eine Ausbildung, die mich veranlaßte, auch die Außenkanten und Unterseiten der Schubladen zu untersuchen.

Eine Kleinigkeit entging mir fast, fiel mir dann aber doch noch im letzten Augenblick auf. Die Rückwand der rechten unteren Schublade war nicht so hoch wie die der anderen.

Dies deutete auf etwas hin, und als ich mich niederkniete und in den Schreibtisch blickte, entdeckte ich ein kleines kastenähnliches Gebilde, das an der Oberseite festgemacht war.

Es war eine weitere kleine Lade, ganz hinten befestigt, und sie war verschlossen.

Ich mußte etwa eine Minute lang mit Büroklammern, Stecknadeln und einem Schuhanzieher aus Metall herumfummeln, den ich in einer anderen Schublade entdeckt hatte. Der Schuhanzieher brachte mich schließlich zum Ziel.

Die kleine Schublade enthielt einen Packen Spielkarten.

Der Karton trug eine Zeichnung, die mich auf den Knien erstarren und meinen Atem schneller gehen ließ, während mir der Schweiß auf die Stirn trat.