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Ich zündete eine Zigarette an und reichte sie ihr.

Sie nickte und sagte: »Die Straße nach Amber – ist schwierig.«

»Warum?«

Sie warf mir einen verwirrten Blick zu.

»Wann hast du sie das letztemal zu begehen versucht?«

Ich zuckte die Achseln. »Weiß ich nicht mehr.«

»Bitte sehr, wenn du dich anstellen willst«, sagte sie. »Ich hatte mich nur gefragt, wieviel davon dein Werk war.«

Ich antwortete nicht, denn ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. Aber im nächsten Augenblick fiel mir ein, daß es eine einfachere Methode gab als die Straße, um nach Amber zu kommen. Offensichtlich wußte sie nichts davon.

»Dir fehlen ein paar Trümpfe«, sagte ich plötzlich mit einer Stimme, die der meinen fast nicht mehr ähnlich klang.

Da sprang sie auf, verschüttete den Drink über ihre Hand.

»Gib sie mir zurück!« rief sie und griff nach der Pfeife.

Ich trat vor und packte sie an den Schultern.

»Ich habe sie nicht«, sagte ich. »Ich habe nur eine Feststellung getroffen.«

Sie entspannte sich ein wenig und begann zu weinen; ich drückte sie sanft wieder in den Sessel.

»Ich dachte, du wolltest mir sagen, du hättest mir meine restlichen genommen«, sagte sie. »Und nicht nur eine böse und überflüssige Bemerkung machen.«

Ich entschuldigte mich nicht. Es kam mir nicht recht vor, so etwas zu tun.

»Wie weit bist du denn gekommen?«

»Nicht weit.« Dann lachte sie und betrachtete mich mit einem frischen Funkeln in den Augen.

»Ich begreife jetzt, was du getan hast, Corwin«, sagte sie, und ich zündete mir eine Zigarette an, um einer Antwort aus dem Weg zu gehen.

»Ein paar von den Dingen kamen von dir, nicht wahr? Du hast mir den Weg nach Amber versperrt, ehe du hierherkamst, ja? Du wußtest, daß ich zu Eric gehen würde. Aber das kann ich jetzt nicht mehr. Jetzt muß ich warten, bis er zu mir kommt. Schlau von dir! Du willst ihn zu mir locken, nicht wahr? Aber er wird einen Boten schicken. Er kommt bestimmt nicht selbst.«

Diese Frau, die mir offen eingestand, sie habe gerade versucht, mich an meinen Feind zu verraten – was sie auch jetzt noch tun würde, wenn sie Gelegenheit dazu erhielt – sprach in seltsam bewunderndem Tonfall von etwas, das ich ihrer Meinung nach getan und das ihre Pläne durcheinandergebracht hatte. Wie konnte jemand in Gegenwart eines erklärten Gegners so offen machiavellisch sein? Aus tiefstem Innern stieg die Antwort in mir auf: So sind wir eben. Im Umgang mit unseresgleichen brauchen wir kein Versteck zu spielen. Allerdings meinte ich, daß ihr doch etwas die Raffinesse eines echten Profis fehlte.

»Hältst du mich für dumm, Flora?« fragte ich. »Glaubst du, ich bin hierhergekommen, nur um in aller Ruhe abzuwarten, bis du mich an Eric verrätst? Worauf du auch gestoßen sein magst, es ist dir recht geschehen!«

»Schon gut. Wir spielen eben nicht in derselben Klasse. Aber du bist im Exil, wie ich! Und das beweist, daß du so übermäßig schlau auch wieder nicht bist!«

Irgendwie schmerzten mich ihre Worte, und ich wußte, daß sie nicht stimmten.

»Exil – o nein!« sagte ich.

Wieder lachte sie.

»Ich wußte doch, daß ich dich irgendwie auf die Palme bringen würde«, sagte sie. »Also gut, du treibst dich mit bestimmten Absichten in den Schatten herum. Du bist ja verrückt!«

Ich zuckte die Achseln.

»Was willst du überhaupt?« fragte sie. »Warum bist du wirklich hier?«

»Ich wollte wissen, was du im Schilde führtest«, erwiderte ich. »Das ist alles. Wenn ich nicht bleiben will, kannst du mich nicht halten. Nicht einmal Eric hat das fertiggebracht. Vielleicht wollte ich dich wirklich nur besuchen. Vielleicht werde ich auf meine alten Tage sentimental. Wie dem auch sei; ich werde noch ein Weilchen bleiben und dann wahrscheinlich für immer verschwinden. Wenn du nicht so begierig gewesen wärest, Kapital aus mir zu schlagen, hättest du wahrscheinlich mehr von der Sache gehabt, liebe Schwester. Du hast mich gebeten, dich nicht zu vergessen, wenn ein bestimmter Umstand einträte . . .«

Es dauerte mehrere Sekunden, bis sie begriff, was ich glaubte anzudeuten.

»Du willst es versuchen!« sagte sie. »Du willst es tatsächlich versuchen!«

»Und ob!« sagte ich in dem Bewußtsein, daß ich es wirklich versuchen würde, worum es sich auch handeln mochte. »Und meinetwegen kannst du das Eric ausrichten – aber denk daran, daß ich es vielleicht sogar schaffe. Und wenn ich es schaffe, könnte es vorteilhaft sein, mein Freund zu sein, vergiß das nicht.«

Ich hätte zu gern gewußt, worüber ich hier eigentlich redete; immerhin hatte ich schon einige Schlüsselworte aufgeschnappt und erspürte ihren Stellenwert, so daß ich sie richtig benutzen konnte, ohne wirklich zu wissen, was sie bedeuteten. Jedenfalls kamen sie mir passend vor, hundertprozentig passend . . .

Plötzlich warf sie sich in meine Arme und küßte mich.

»Ich sag’s ihm nicht! Auf mein Wort, Corwin! Ich glaube, du kannst es schaffen. Bleys wird Schwierigkeiten machen, aber Gérard hilft dir vielleicht, und vielleicht auch Benedict. Und wenn er das sieht, würde auch Caine zu dir umschwenken . . .«

»Ich kann meine Pläne allein schmieden«, sagte ich.

Sie löste sich von mir, schenkte Wein ein und reichte mir ein Glas.

»Auf die Zukunft«, sagte sie.

»Darauf trinke ich immer.«

Und das taten wir.

Dann füllte sie mein Glas wieder und blickte mir ins Gesicht.

»Eric, Bleys oder du – einer von euch mußte dahinterstecken«, sagte sie. »Ihr seid die einzigen, die überhaupt Mut oder Köpfchen haben. Aber du hattest dich so lange vom Schauplatz empfohlen, daß ich dich schon gar nicht mehr mitgezählt hatte.«

»Da zeigt sich mal wieder, daß man einer Sache niemals gewiß ist.«

Ich trank aus meinem Glas und hoffte, daß sie mal ein Weilchen den Mund halten würde. Für meinen Geschmack war sie ein wenig zu offenkundig bemüht, auf allen Hochzeiten mitzutanzen. Irgend etwas machte mir zu schaffen, und ich wollte darüber nachdenken.

Wie alt war ich eigentlich?

Diese Frage, das spürte ich, gehörte zu der Erklärung für die schreckliche Losgelöstheit, die ich gegenüber den Personen auf den Spielkarten empfand. Ich war älter, als es den Anschein hatte. (Mitte Dreißig, hatte ich geschätzt, als ich mich im Spiegel betrachtete – aber jetzt wußte ich, daß die Schatten hier ein Lügenwort für mich einlegten.) Ich war erheblich älter und hatte meine Brüder und Schwestern schon seit langer Zeit nicht mehr zusammen gesehen, in friedlicher Koexistenz wie auf den Karten, ohne Spannungen und Reibereien.

Plötzlich schlug eine Glocke an. Wir hörten Carmella zur Tür gehen.

»Das ist sicher Bruder Random«, sagte ich und wußte, daß ich recht hatte. »Er steht unter meinem Schutz.«

Ihre Augen weiteten sich. Dann lächelte sie, als wisse sie zu schätzen, was für einen raffinierten Schachzug ich da wieder gemacht hatte.

Natürlich hatte ich nichts dergleichen getan, aber ich war zufrieden, sie in dem Glauben zu lassen.

Ich fühlte mich sicherer so.

4

Dieses Gefühl der Sicherheit hielt nur etwa drei Minuten lang an.

Ich war dicht vor Carmella an der Tür und riß sie auf.

Er taumelte herein, knallte die Tür sofort wieder hinter sich zu und schob den Riegel vor. Er hatte sich lange nicht rasiert. Schatten lagen unter seinen hellen Augen, und er trug kein schimmerndes Wams und keine enge Hose, sondern einen braunen Wollanzug und dunkle Wildlederschuhe. Aber er war Random – der Random, den ich auf der Karte gesehen hatte – nur wirkte der lachende Mund erschöpft, und seine Fingernägel waren schmutzig.

»Corwin!« sagte er und umarmte mich.

Ich drückte ihm die Schultern. »Du siehst aus, als könntest du einen Drink gebrauchen.«

»Ja. Ja. Ja . . .« sagte er, und ich führte ihn zur Bibliothek.