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»Kannst du mir also sagen, was Odeco ist?«

»Odeco ist eine internationale Gruppe von Risikokapitalisten, die in verschiedenen Steueroasen ansässig sind. Sie spezialisieren sich auf visionäre Technologie und das, was manche für graue Wirtschaft halten könnten, also Industriezweige, die streng genommen nicht illegal sind, aber einen zwielichtigen Ruf haben, wie zum Beispiel Darwinware. Sie haben in die Siliziumdschungel der Cyberabads aller Entwicklungsländer investiert, einschließlich eines Sundarban hier in Varanasi.«

»Und sie haben das Geld für den Teilchenbeschleuniger im Forschungszentrum zugeschossen. Ich habe Chakraborty getroffen, das heißt, eigentlich hat er mich getroffen.«

»Ich weiß. Mr. Chakraborty ist mein Kontaktmann hier in Varanasi. Ob du es glaubst oder nicht, aber Odeco möchte, dass das Nullpunktprojekt ein Erfolg wird.«

»Er hat mir gesagt, dass es ihn freuen würde, wenn ich eine vollmaßstäbliche Demonstration durchführe. Die einzigen Leute, denen ich davon erzählt habe, waren unsere Freunde von EnGen.«

»EnGen ist nicht Odeco.«

»Woher wusste Chakraborty dann von den Verhandlungen?«

Marianna Fusco kaut auf der Oberlippe. »Da musst du Chakraborty fragen. Ich bin nicht befugt, es dir zu sagen. Aber glaub mir, alles, was EnGen dir angeboten hat, um das Experiment abzubrechen, wird Odeco überbieten, um es fortzusetzen.«

»Gut«, sagt Vishram Ray und setzt sich auf. »Weil ich nämlich gesonnen bin, ihr Geld anzunehmen. Kannst du ein Treffen mit deinem Kontaktmann arrangieren? Vorausgesetzt, er weiß es nicht längst, durch Telepathie oder etwas in der Art. Und können wir das noch einmal machen, aber möglichst bald?«

Marianna Fusco wirft ihr immer noch feuchtes und mit Chlor parfümiertes Haar zurück. »Kann ich mir einen Bademantel von dir borgen? Ich glaube, so, wie ich bin, sollte ich nicht in den Lift steigen.«

Vierzig Minuten später ist Vishram Ray geduscht, rasiert und angekleidet und summt vor sich hin, während er durch das Glasdach ins Atrium des Hotels hinunterfährt. Die Limousine wartet zwischen den Übertragungswagen mit den Satellitenschüsseln. Der Seidenschal liegt nass im Jacuzzi, immer noch verknotet, damit sich das neugierige Hotelpersonal umso mehr darüber empören kann.

Tagetes auf schwarzem Wasser. In dem offenen Boot empfindet Vishram die Wolkenwand wie den Hammer Gottes, der über ihm erhoben ist. Der Wind vom Fuß des Monsuns wühlt den Fluss auf. Büffel drängen sich am Ufer, die Nüstern über das Wasser gestreckt, weil sie die Wetterveränderung spüren. An den Ghats bemühen sich die badenden Frauen, ihre Saris anständig zusammenzuhalten. Das ist einer der beharrlichen Widersprüche dieses Landes, dass die Kultur, die das Kamasutra verfasste und illustrierte, von derart unterkühlter Prüderie geprägt ist. Die Menschen im frostigen, kalten christlichen Glasgow entwickeln eine viel heißere Leidenschaft. Er vermutet, dass das, was er soeben mit Marianna Fusco getan hat, ihm im hinterwäldlerischen Bihar zwanzig Jahre Kittchen einbringen würde.

Der Bootskapitän ist ein fünfzehnjähriger Junge mit erstarrtem breitem Grinsen, der sich mit den Wellen und Strömungen abmüht. Vishram fühlt sich nackt und ungeschützt vor den Blitzen. Die Fabriken auf der anderen Flussseite haben bereits die Lichter eingeschaltet.

»Ich sage es nur ungern, aber EnGen hatte mir einen Senkrechtstarter zur Verfügung gestellt. Um damit zu einem Tigerschutzgebiet zu fliegen. Mit bewaffneten Wachmännern und einem wirklich guten Essen. Und das Bordpersonal sah wesentlich besser aus als er hier.«

»Hm?«, macht Chakraborty. Er steht mitten im Boot und beobachtet gedankenverloren das vorbeiziehende Flussuferpanorama. Vishram wünschte, er würde das nicht tun. Er muss an eine alte Nummer aus Guys and Dolls denken, das die Theatergruppe an seinem College aufgeführt hatte. Setz dich, du bringst das Boot zum Schwanken. Und der Teufel wird dich unter Wasser ziehen ... Vishram hat es heute mit christlicher Sünde und Verdammnis, denkt er.

»Ich sagte, wir haben heute recht kabbelige See.«

Der Ruderjunge grinst. Er hat ein sauberes blaues Hemd und sehr weiße Zähne.

»Ach ja, der Fluss ist etwas turbulent, Mr. Ray.« Chakraborty legt einen Finger an die Lippen, dann zeigt er damit auf die leuchtenden Ghats. »Finden Sie es nicht tröstlich zu wissen, wo Sie enden werden, auf diesen Stufen, an diesem Ufer, vor den Augen all dieser Menschen?«

»Kann nicht behaupten, dass ich schon oft drüber nachgedacht habe.« Vishram greift nach den Bordwänden, als das Boot schaukelt.

»Wirklich? Aber das sollten Sie tun, Mr. Ray. Ich denke jeden Tag ein wenig über den Tod nach. Es hilft sehr, sich zu konzentrieren. Es ist äußerst beruhigend, dass wir das Spezielle verlassen und uns wieder mit dem Universellen vereinen werden. Ich glaube, das ist Gangas Moskha. Wir kehren wie ein Regentropfen in den Fluss der Geschichte zurück, und unser Leben wird erzählt und in den Strom der Zeit gewoben. Sie haben doch im Westen gelebt, nicht wahr? Stimmt es, dass die Menschen dort im Geheimen ihre Toten verbrennen, verborgen vor allen anderen, als wäre es etwas, dessen sie sich schämen?«

Vishram erinnert sich an die Beerdigung in einem schmutzigen Sandsteinviertel von Glasgow. Er hatte die Frau nicht besonders gut gekannt — sie war die Mitbewohnerin eines Mädchens gewesen, mit dem er Sex hatte, weil sie sich einen Namen als vielversprechende Regisseurin der Theatergruppe gemacht hatte. Aber er erinnert sich gut an den Schock, als er erfuhr, dass sie beim Bergsteigen in Glencoe zu Tode gekommen war. Und er erinnert sich an die gruselige Atmosphäre im Krematorium, die gedämpfte Trauer, die Grabrede eines Fremden, der die Namen ihrer Freunde durcheinanderbrachte, den Bach vom Band, während der versiegelte Sarg auf dem Podest ruckelte und dann langsam in Richtung Feuerofen versank.

»Es stimmt«, sagt er zu Chakraboty. »Sie wollen es nicht sehen, weil es ihnen Angst macht. Für sie ist es das Ende von allem.«

Auf den aschebestreuten Stufen dreht sich das Rad aus Tod und Moksha weiter. Direkt am Ufer ist ein Scheiterhaufen in sich zusammengefallen, der Kopf und die Schulter des Toten hängen heraus und wirken seltsam unberührt von den Flammen. Das ist ein brennender Mensch, denkt Vishram. Der Wind wirbelt Rauch und Asche über das Verbrennungsghat. Vishram Ray beobachtet, wie der Tote auf seinem Scheiterhaufen zusammensackt und in Funken und Kohle kollabiert, und er denkt, dass Chakraboty recht hat. Es ist wesentlich besser, hier zu enden, wo der Tod mitten im Leben ist, um das Spezielle zu verlassen und wieder mit dem Universellen vereint zu werden.

»Mr. Chakraboty, ich hätte gern eine sehr große Summe Geld von Ihnen«, sagt Vishram Ray.

»Wie viel brauchen Sie?«

»Genug, um Ramesh seinen Anteil an der Firma abzukaufen.«

»Dazu wäre eine Summe im Bereich von dreihundert Milliarden Rupien nötig. Ich kann Sie Ihnen in US-Dollar geben, wenn Sie sie brauchen.«

»Ich muss nur wissen, dass für mich so viel Geld verfügbar wäre.«

Mr. Chakraboty zögert keine Sekunde lang. »Es ist verfügbar.«

»Noch etwas anderes. Marianna erzählt mir, dass es etwas gibt, das ich Sie fragen soll, weil nur Sie darauf antworten können.«

»Wie lautet diese Frage, Mr. Ray?«

»Was ist Odeco, Mr. Chakraboty?«

Der Junge hört auf zu rudern und lässt das Boot von der Strömung an den Verbrennungsplätzen vorbei zum schiefen Tempel am Scindia Ghat treiben, der sich über den rissigen Schlamm beugt.

»Odeco ist eine der Mantelgesellschaften für die Künstliche Intelligenz der Generation Drei, die inoffiziell als Brahma bezeichnet wird.«

»Ich werde Ihnen diese Frage noch einmal stellen«, sagt Vishram.

»Und Sie werden dieselbe Antwort erhalten.«

»Was soll das?« Der Bengali hätte genauso gut von Jesus oder James Bond oder Lal Darfan sprechen können.