»Weil diese Kinder nicht menschlich sind!«, errregt sich Mr. Nandha. »Haben Sie solche Kinder gesehen? Ich habe sie gesehen! Ich sehe sie jeden Tag in den Straßen und den Büros. Sie sehen so jung aus, aber es gibt so viel, was wir nicht wissen. Die Kaihs und die Brahmanen sind unser Untergang. Wir werden überflüssig. Wir landen in der Sackgasse. Ich kämpfe gegen unmenschliche Monster, also werde ich keines in der Gebärmutter meiner Frau dulden!« Seine Hände zittern. Seine Hände zittern. Das ist nicht richtig. Siehst du, was du dir mit diesen Frauen eingehandelt hast? Mr. Nandha rückt vom Tisch ab und steht auf. Er fühlt sich kilometergroß, riesig und diffus wie ein Avatar aus seiner Box, gebäudefüllend. »Ich gehe jetzt. Ich habe Dinge zu erledigen. Ich kehre vielleicht erst morgen zurück, aber wenn ich zurückkehre, wird sich deine Mutter nicht mehr unter diesem Dach aufhalten.«
Parvatis Stimme folgt ihm, während er die Treppe hinuntersteigt.
»Sie ist eine alte Frau, es ist spät, wohin soll sie gehen? Du kannst doch eine alte Frau nicht einfach auf die Straße werfen.«
Mr. Nandha antwortet nicht. Er muss eine Kaih exkommunizieren. Als er vom Foyer des staatlichen Apartmentkomplexes zu seinem staatlichen Dienstwagen geht, fliegen Tauben mit pfeifend und klatschend applaudierenden Flügeln auf. Er schließt die Faust um das Elfenbeinbildnis Kalkis.
37
Shaheen Badoor Khan
Von diesem Türmchen wurden einst Gäste durch Trommler begrüßt, wenn sie den Damm durch den Sumpf überquert hatten. Wasservögel flogen zu beiden Seiten auf, Reiher, Kraniche, Löffler, die Wildenten, die Moazam Ali Khan dazu verführt hatten, hier auf der winterlichen Überschwemmungsebene des Gaghara am Ramghar Lake sein Jagdhaus zu errichten. Jetzt ist der See trocken, der Sumpf ist nur noch ausgedörrter Schlamm, die Vögel sind verschwunden. Zu Shaheen Badoor Khans Lebenszeiten ertönten nie Trommeln vom Naqqar Khana. Selbst in den Tagen seines Vaters war das Haus halb verfallen gewesen — Asad Badoor Khan, nun in den Armen Allahs schlafend, unter dem einfachen Marmorrechteck im Familiengrab. Shaheen Badoor Khan erlebte, wie zuerst Zimmer, dann Suiten und schließlich Flügel aufgegeben und der Hitze und dem Staub überlassen wurden. Die Stoffe verrotteten und zerrissen, der Putz wurde fleckig und blätterte in der Feuchtigkeit des Monsuns ab. Selbst der Friedhof ist mit Gras und wucherndem Unkraut überwachsen, nun verwelkt und gelb in der Dürre. Die schattenspendenden Ashok-Bäume sind einer nach dem anderen gefällt und von den Hausmeistern zu Brennholz verarbeitet worden.
Shaheen Badoor Khan hat das alte Jagdhaus von Ramghar Kothi noch nie gemocht. Deshalb ist er hierhergekommen, um sich zu verstecken. Nur seine engsten Vertrauten wissen, dass das Gebäude noch steht.
Er musste zehn Minuten lang hupen, bis das Personal aufwachte und auf die Idee kam, dass jemand die Absicht hegen könnte, das Haus zu besuchen. Es ist ein altes Paar, arme, aber stolze Muslime, er ein pensionierter Lehrer. Für den Kampf gegen die Entropie dürfen sie mietfrei einen Flügel bewohnen und bekommen wöchentlich eine Handvoll Rupien für Reis und Dal bezahlt. Die Überraschung auf dem Gesicht des alten Musa, als er das Doppeltor aufschwang, ließ sich nicht verbergen. Vielleicht war es der unangekündigte Besuch nach vier Jahren der Vernachlässigung. Oder er wusste bereits alles aus den Nachrichten der Voice of Bharat. Shaheen Badoor Khan fuhr unter den Schutz des Säulenganges und wies seinen Hausmeister an, das Tor wieder zu verriegeln.
Vor dem östlichen Horizont, der einer schwarzen Wand gleicht, wandelte Shaheen Badoor Khan zwischen den verstaubten Gräbern seiner Sippe. Seine Mughal-Vorväter hatten den Monsun als Hammer Gottes bezeichnet. Dieser Hammer war niedergesaust, und er war immer noch am Leben. Er konnte noch Pläne schmieden. Er konnte noch träumen. Er konnte sogar noch hoffen.
Moazam Ali Khans Mausoleum steht zwischen morschen Baumstümpfen auf dem ältesten Teil des Friedhofs, der erste Khan, der hier auf der sandigen Anhöhe über dem Flussschlamm begraben wurde. Das schattige Laubdach wurde während der Jahre von den Musas zurückgeschnitten, aber der gegenwärtige Verwalter von Ramghar hat der Rodung zugestimmt. Dadurch wurde dem kleinen, aber klassisch proportionierten Grabmal ermöglicht, seine Knochen zu strecken und die Sandsteinhaut atmen zu lassen — ein unverhülltes Bauwerk.
Shaheen Badoor Khan trat geduckt durch den östlichen Torbogen unter die Kuppel. Die grazilen Jali-Fenster sind schon vor Langem zerbröckelt, und er weiß von seinen Kinheitsabenteuern, dass im Grabgewölbe darunter Fledermäuse hausen, aber selbst im Zerfall kann die Grabstätte des Begründers der politischen Linie der Khans einen Besucher beeindrucken. Moazam Ali führte ein von Urdu-Chronisten dokumentiertes Leben voller Erfolge und Intrigen als Premierminister der Nawabs von Awadh in der Zeit, als die Macht von den verblassenden Mughals in Agra zu ihren nominellen Vasallen in Lucknow abwanderte. Er beaufsichtigte die Verwandlung einer ärmlichen mittelalterlichen Handelsstadt in eine Blüte der islamischen Zivilisation, dann witterte er die Zerbrechlichkeit des Ganzen in der Pomade der Abgesandten der East India Company und zog sich schließlich aus dem öffentlichen Leben zurück, um mit seinem kleinen, aber legendären Harem persischer Poetinnen in dem Jagdanwesen, das ihm von einer dankbaren Nation gespendet wurde, Sufi-Mystik zu studieren. Der Erste und Größte der Khans. Seit der Zeit, als Moazam Ali und seine Poetinnen zwischen den rufenden Sumpfvögeln lebten und dichteten, zerfiel das Haus langsam zu Staub. Die Dunkelheit unter der Kuppel wurde noch tiefer, als der Monsun gegen Ramghar Kothi vorrückte und versprach, die Sümpfe zu erneuern, die Seen wiederaufzufüllen. Shaheen Badoor Khans Finger ertasteten den Umriss des Mihrab, der nach Mekka ausgerichteten Nische.
Zwei Generationen später lag Mushtaq Khan unter einem eleganten Chhatri, dem Wind und Staub ausgesetzt. Retter der Ehre und des Vermögens der Familie, indem er standhaft zum Raj hielt, während Nordindien meuterte. Ein Kupferstich in den Zeitungen von 1857 zeigt ihn, wie er seinen Besitz und seine Familie gegen die Belagerung durch Sepoy-Horden verteidigt, in jeder Hand eine rauchende Pistole. Die Wirklichkeit war gar nicht so dramatisch. Ein kleiner Trupp Meuterer hatte Ramghar überfallen und konnte ohne Verluste durch Handwaffen abgewehrt werden, aber es genügte, sich bei den Briten den Titel Der treu ergebene Mohammedaner zu verdienen, während die Hindus ihn Killer Khan nannten. Es war eine Verbeugung vor den Herren des Raj, die er behutsam in eine Kampagne für die besondere politische Anerkennung der Muslime umsetzte. Wie stolz er gewesen wäre, dachte Shaheen Badoor Khan, wenn er gesehen hätte, wie diese Saat zu einer muslimischen Nation gekeimt war, einem Land der Reinen. Wie es ihm das Herz gebrochen hätte, wenn er gesehen hätte, wie aus dem Land der Reinen eine mittelalterliche Theokratie wurde, die sich schließlich in Stammeskonflikten zerrieb. Das Wort Gottes wurde aus dem Lauf einer AK47 gepredigt. Zeit, Tod und Staub.
Tempelglocken hallen über den trockenen Sumpf. Aus dem Süden weht das beständig tönende Signal eines Zuges heran. Sanfter Donner lässt die Luft erzittern.
Und hier unter dieser Marmorstele auf der Anhöhe, wo der Sand gerade tief genug ist, um ein Grab aufzunehmen, liegt sein Großvater Sayid Raiz Khan, Richter und Staatsgründer, der für die Sicherheit seiner Frau und Familie sorgte, während in den Teilungskriegen eine Million Menschen starben. Er hielt unerschütterlich an seiner Überzeugung fest, dass es nur ein Indien geben kann und dass Indien, um all das zu sein, was Nehru in jener Mitternacht des Jahres 1947 verkündete, den Muslimen einen Ehrensitz zugestehen muss. Und schließlich sein Vater, Anwalt und Abgeordneter, der für zwei Parlamente in den Wahlkampf zog, einmal in Delhi, einmal in Varanasi. Er hatte in seinem eigenen Teilungskrieg gekämpft. Die treu ergebenen mohammedanischen Khans, jede Generation im Kampf gegen das, was die vorige erreicht hatte, bis zum letzten Tropfen.