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Die Scheinwerfer des Autos sind kilometerweit über dem flachen, baumlosen Land zu sehen. Shaheen Badoor Khan steigt die abgenutzten Treppenstufen des Trommelturms herunter, um das Tor zu öffnen. Die Diener von Ramghar sind alt und schwach und haben ihren Schlaf verdient. Er erschrickt über einen Regentropfen auf seinen Lippen, schmeckt ihn vorsichtig mit der Zunge.

Dafür habe ich einen Krieg begonnen.

Der Lexus fährt auf den Hof. Der schlanke schwarze Insektenpanzer ist mit Regenjuwelen gespickt. Shaheen Badoor Khan öffnet die Tür. Bilquis Badoor Khan steigt aus. Sie trägt einen förmlichen Sari in Blau und Gold, den Dupatta über den Kopf gezogen. Er versteht. Das Gesicht verbergen. Sein Volk könnte eines Tages an Scham sterben.

»Danke, dass du gekommen bist«, sagt er. Sie hebt eine Hand. Nicht hier. Nicht vor den Dienern. Er deutet auf die von Säulen gestützte Chhatri oben auf dem Trommelturm, tritt zur Seite, als seine Frau vorbeirauscht und den Sari anhebt, um die steilen Stufen zu erklimmen. Der Regen hat jetzt einen Rhythmus gefunden, der südöstliche Horizont ist ein Feuerwerk aus Blitzen. Wasser läuft in Stricken vom Rand des Kuppeldachs des achteckigen Mughal-Trommelturms.

»Als Allererstes«, beginnt Shaheen Badoor Khan, »muss ich dir sagen, wie sehr es mir leidtut, was geschehen ist.« Die Worte schmecken wie Staub auf seinen Lippen, der Staub seiner Vorfahren, der mit dem Regen wieder zu ihnen in den Boden zurückgespült wird. Sie schwellen in seinem Mund an. »Ich ... nein. Wir hatten eine Vereinbarung, ich habe sie gebrochen, und irgendwie kam es heraus. Der Rest wird Geschichte sein. Ich war unverzeihlich dumm, und jetzt muss ich dafür büßen.«

Er hatte nicht gewusst, wann sie das erste Mal Verdacht geschöpft hatte, aber seit Dara geboren wurde, war offensichtlich geworden, dass Bilquis nicht alles sein konnte, was er sich gewünscht hatte. Ihre Verbindung war die letzte Mughal-Hochzeit gewesen, in der es um Dynastie, Macht und Zweckmäßigkeit ging. Sie hatten nur einmal offen darüber gesprochen, nachdem Jehan zur Universität gegangen war und es im Haveli plötzlich hallte und es zu viele Diener gab. Das Gespräch war forciert, nüchtern, schmerzhaft gewesen, die Sätze vorsichtig mit verkürzten Andeutungen formuliert, weil das Hauspersonal alles mithören konnte. Nur so lange, um die Vereinbarung zu treffen, dass er niemals zulassen würde, dass es zu einer Gefahr für seine Familie und seine Regierung werden und sie die anständige, pflichtbewusste Politikerfrau bleiben würde. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie seit einem Jahrzehnt nicht mehr miteinander geschlafen.

Es. Sie hatten dieser Sache nie einen Namen gegeben. Shaheen Badoor Khan ist sich jetzt sicher, dass es einen gibt. Seine Neigung? Sein Laster? Seine Schwäche. Sein Stachel im Fleisch? Seine Perversion? In der Sprache zwischen zwei Menschen gibt es keine Worte für dieses es.

Der Regen ist so heftig, dass Shaheen Badoor Khan sich kaum noch verständlich machen kann.

»Ich kann noch ein paar Gefälligkeiten einfordern. Ich habe alles für die Abreise aus Bharat vorbereitet, es gibt einen Direktflug nach Kathmandu. Es wird kein Problem sein, nach Nepal einzureisen. Von dort aus können wir zu jedem Ort der Welt weiterfliegen. Ich würde Nordeuropa vorziehen, vielleicht Finnland oder Norwegen. Diese Länder sind sehr dünn besiedelt, also können wir dort anonym bleiben. Ich habe Geldmittel in transportablen Wechseln angelegt, genug, um uns ein Grundstück zu kaufen und adäquat zu leben, wenn auch nicht mit dem Komfort, den wir hier in Bharat genießen. Die Preise sind hoch, und wir dürften einige Schwierigkeiten haben, uns an das Klima zu gewöhnen, aber ich glaube, Skandinavien wäre das Beste für uns.«

Bilquis hat die Augen geschlossen. Sie hebt eine Hand. »Bitte, hör auf damit.«

»Es muss nicht Skandinavien sein. Auch Neuseeland ist ein nettes, fernes Land ...«

»Weder Skandinavien noch Neuseeland. Shaheen, ich werde nicht mit dir gehen. Ich habe genug. Außerdem bist du nicht derjenige, der sich entschuldigen muss. Sondern ich. Shaheen, ich habe unsere Vereinbarung gebrochen. Ich habe es ihnen gesagt. Du glaubst, du seist der Einzige mit einem geheimen Doppelleben? Nein! Das bist du nicht! Aber so warst du die ganze Zeit, Shaheen, so arrogant und davon überzeugt, dass du der Einzige bist, der mit Lügen und Geheimnissen lebt. Shaheen, in den vergangenen fünf Jahren habe ich für N. K. Jivanjee gearbeitet. Für die Shivaji, Shaheen. Ich, die Begum Bilquis Badoor Khan, habe dich an die Hindutva verraten.«

Shaheen Badoor Khan spürt, wie der Regen, der Donner, die Stimme seiner Frau zu einem feinen Zischen verschwimmen. Jetzt versteht er, wie jemand an Schock sterben kann.

»Was soll das?«, hört er sich erwidern. »Das ist Unsinn. Du redest völligen Unsinn, Frau.«

»Ich kann mir vorstellen, dass es wie Unsinn klingt, Shaheen, wenn eine Frau ihren Mann an seine größten Feinde verrät. Aber ich habe es getan, Shaheen. Ich habe dich an die Hindus verraten. Deine eigene Frau. Von der du dich jede Nacht abgewendet hast, als wir noch in einem gemeinsamen Bett geschlafen haben. Fünf Empfängnisse, fünf Ficks. Ich habe mitgezählt, fünf Ficks, eine Frau erinnert sich an so etwas. Und nur zweien davon wurde erlaubt, sich zu unseren guten Söhnen zu entwickeln. Fünf Ficks. Verzeihung, hat meine Derbheit dich schockiert? So sollte eine angesehene Begum nicht sprechen, nicht wahr? Du solltest hören, was diese guten Begums sagen, wenn sie unter sich sind, Shaheen. Frauen reden miteinander. Oh, deine Ohren würden vor Scham brennen. Schamlose Geschöpfe sind wir, wenn wir in unseren Kämmerchen und Kränzchen miteinander allein sind. Sie wissen es, alle Frauen wissen es. Fünf Ficks, Khan. Ich habe es ihnen gesagt, es jedoch nicht. Das habe ich ihnen nicht gesagt, Shaheen.

Ich habe es ihnen nicht gesagt, weil ich immer noch dachte, ich hätte einen großen Mann, einen Stern, der in den schwarzen Himmel emporsteigt, mit einem bedeutenden Amt und Aussichten auf mehr, auch wenn er in seinem eigenen Bett liegt und von Dingen träumt, die ich mir als Mensch nicht einmal vorstellen kann. Aber eine Frau kann sehr viel in den Hintergrund drängen, wenn sie glaubt, dass ihr Ehemann große Dinge erreichen könnte, dass du so groß wie deine Vorfahren werden könntest, die dort begraben liegen, Shaheen. Eine Frau, die sich ihren Mann frei aussuchen konnte, die ihn mit ihrem Herzen und ihrem Körper geliebt hätte, die ebenfalls in eine gehobene Position hätte aufsteigen können. Eine Frau, die ihre eigene gute Ausbildung und ihr Potenzial hat, die jedoch in die goldene Purdah gezwungen wurde, weil auf jede Anwältin fünf Anwälte kommen. Verstehst du, was ich damit sagen will, Shaheen? Eine solche Frau erwartet etwas. Und wenn dieser Stern aufsteigt und dann anhält, wenn er sich nicht weiterbewegen würde, nicht höher steigen würde, während andere Sterne an ihm vorbeiziehen und ihn überstrahlen ... Was sollte diese Frau dann tun, Shaheen? Was sollte diese Ehefrau und Begum dann tun?«

Shaheen Badoor hat vor Scham die Hände vors Gesicht geschlagen, aber er kann die Worte nicht aufhalten, die durch den Regen, den Donner und seine Finger dringen. Er hatte sich für einen guten und treuen Berater seiner Premierministerin, seiner Regierung und seines Landes gehalten, aber er erinnert sich an seine Reaktion, als Sajida Rana ihm auf dem Rückflug von Kunda Kahar einen Kabinettsposten anbot: Furcht vor der Bloßstellung, Angst, dass es aus ihm hervorquillt wie Blut aus einer durchgeschnittenen Kehle. Jetzt erkennt er, bei wie vielen Gelegenheiten im Laufe seiner Karriere er einen solchen Schritt in eine öffentliche Machtposition hätte machen können, aber jedes Mal zurückgewichen war, gelähmt von der Furcht vor dem unweigerlichen Absturz.