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»Mamaji.« Vishram verneigt den Kopf. »Ich will dich nicht lange aufhalten. Ich muss wissen, wo er ist.«

»Wer, mein Lieber?«

»Was glaubst du, wen ich meine?«

»Dein Vater ist ein Mann, der sein spirituelles Leben sehr ernst nimmt. Wenn er den Weg des Sadhu und die Abgeschiedenheit gewählt hat, sollte das respektiert werden. Was willst du von ihm wissen?«

»Nichts«, sagt Vishram Ray. Er glaubt zu sehen, wie seine Mutter ein verstohlenes Lächeln verbirgt, als sie ihre Tasse Darjeeling an die Lippen setzt. Ein heißer, elektrisch aufgeladener Wind fährt über die Blumenbeete. Pfaue kreischen vor Angst. »Ich möchte ihm von einer Entscheidung erzählen, die ich getroffen habe.«

»Etwas Geschäftliches? Du weißt, dass ich mich nie für geschäftliche Angelegenheiten interessiert habe«, sagt Mamata Ray.

»Mutter«, erwidert Vishram. Ihr ganzes Leben lang hat sie diese kleine Lüge aufrechterhalten. Die schlichte Mamata versteht nichts von Geschäften, will nichts damit zu tun haben, weil es Männerdinge sind, alles, was mit Geschäften, Geld und Macht zu tun hat. Es wurde nie eine Entscheidung getroffen, nie eine Investition getätigt, nie eine Kaufempfehlung ausgesprochen, nie ein Forschungsprojekt genehmigt, ohne dass Mamata Ray dabei war und dazu sagte, dass sie keine Ahnung hätte, aber was würde geschehen, wenn, und wie würde es sein, und könnte auf lange Sicht vielleicht jenes. Vishram hat nie daran gezweifelt, dass ihre vorsichtigen Fragen die Grundlage der shakespearischen Aufteilung von Ray Power gebildet hatten, dass es ihre Stimme gewesen war, die Ranjit Ray den Segen gab, sich von der Welt abzuwenden.

Vishram gießt sich eine Tasse duftenden Darjeeling-Tee ein. Er findet, dass der Geschmack übermäßig verfeinert ist, aber auf diese Weise sind seine Hände mit etwas beschäftigt. Die erste Comedy-Regeclass="underline" Sorge stets dafür, dass deine Hände etwas zu tun haben.

»Ich werde Rameshs Anteil aufkaufen. Ich habe eine außerordentliche Vorstandssitzung einberufen.«

»Du hast mit Mr. Chakraborty gesprochen.«

Die Augen seiner Mutter sind Linsen aus Blei, eine Spiegelung des aufgewühlten grauen Himmels.

»Ich weiß, was Odeco ist.«

»Ist es das, was du deinem Vater sagen möchtest?«

»Nein. Ich will ihm sagen, dass mir nicht viele Möglichkeiten bleiben und dass ich glaube, die beste Entscheidung getroffen zu haben.«

Mamata Ray stellt ihre Tasse auf den Tisch und dreht sie auf der Untertasse, so dass der Henkel genau nach links zeigt. Gärtner und Hausdiener halten sich in der Nähe bereit und warten auf ihren Einsatz. Der zunehmende Wind zerrt an ihren Turbanen und Quasten.

»Ich habe mich dagegen ausgesprochen, weißt du. Gegen die Entscheidung, das Unternehmen aufzuteilen. Das überrascht dich möglicherweise. Du warst der Grund, warum ich dagegen war. Ich dachte, du würdest die Firma herunterwirtschaften, alles verschleudern. Was das betrifft, habe ich die gleiche Meinung wie Govind. Nur dein Vater hatte Vertrauen in dich. Es hat ihn immer sehr interessiert, was du in diesem schrecklichen schottischen Land machst. Er hatte großen Respekt vor dir, weil du den Mut hattest, deinen eigenen Überzeugungen zu folgen — so warst du schon immer, Vishram. Ich sagte, ich verstehe nichts von Geschäften, aber vielleicht verstehe ich nichts von Menschen, von meinen eigenen Söhnen. Vielleicht bin ich zu alt, um meine Ansichten zu ändern.«

Mamata Ray blickt auf. Vishram spürt Regen auf seinem Gesicht. Er stellt seine Tasse ab — der Tee ist kalt und bitter —, und die Malis bringen zuerst das Gedeck weg, dann den Tisch. Der Regen tropft schwer auf die Bougainvilleenblätter.

»Dein Vater widmet sich der Puja im Kali-Tempel von Mirzapur«, ruft Mamata Ray vom Ende der Gartenmöbelprozession. Der Regen wird heftiger, aber er ist nicht laut genug, um die Geräusche sich nähernder Flugzeugtriebwerke zu übertönen. »Die Puja für das Ende eines Zeitalters. Shivas Fuß senkt sich herab. Der Tanz beginnt. Wir wurden der Göttin der Vernichtung überantwortet.«

Als sie die Sicherheit der östlichen Veranda erreicht haben, reißen die Wolken auf. Donner dröhnt, als der Senkrechtstarter über den Wassergarten herangeflogen kommt. Die Navigationslichter verwandeln die prasselnden Tropfen in einen Vorhang — die Triebwerke werden geschwenkt und die Räder setzen auf Ram Das’ geschorenem Rasen auf. Das Gartenpersonal hält schützend die Hände vor die Augen.

»Andererseits hattest du recht, ich war schon immer ein aufgeblasener Drecksack«, sagt Vishram zu seiner Mutter und rennt durch den Regen, den Kragen seines guten Anzugs hochgeschlagen, auf das Flugzeug zu. Marianna Fusco winkt aufgeregt vom Hecksitz.

Der alte Shastri führt Vishram und Marianna Fusco die steilen Galis von Mirzapur hinauf. Die Gässchen sind schmal und dunkel und riechen nach Pisse und alten Räucherstäbchen. Kinder folgen der kleinen Prozession, die von den Betonghats heraufstapft. Vishram blickt zum Senkrechtstarter am Flussufer zurück. Die Pilotin hat den Helm abgenommen und sich in respektvollem Abstand von den Treibstofftanks in den Sand gesetzt, um eine Zigarette zu rauchen. Der Monsun, der über Varanasi hereingebrochen ist, hat Mirzapur sechzig Kilometer westlich noch nicht erreicht. Die Gassen verdichten die Hitze zu etwas, das beinahe greifbar ist. Müll wirbelt in den Djinns der stickigen, stinkenden Luft. Marianna Fusco steigt unermüdlich empor und lässt die starrenden Blicke der jungen und alten Männer von ihrem peripheren Sichtfeld abprallen.

Der Kali-Tempel ist ein Marmorsockel, an den sich auf allen Seiten Geschäfte drängen; sie verkaufen Votivgaben und Gajras und Ikonen der Göttin, die aus einer riesigen Bilderdatenbank ausgedruckt werden. Kali ist die Haupteinnahmequelle an diesem Ende von Mirzapur, einer zerfallenden ländlichen Stadt, die die Informationsrevolution verpasst hat und sich immer noch wundert, was geschehen ist. Die Fußwege stoßen an die mit Wasser gespülten Marmorstufen, auf denen sich selbst zu dieser späten Stunde die Gläubigen scharen. Ständig ertönen Glocken. Viehgitter aus Metall lenken die Verehrer zur Garbhagriha. Eine Kuh tappt die Treppe hinauf und hinunter, ihre Knochen bewegen sich lose in einem Sack aus gelber Haut. Jemand hat ihr rote und gelbe Tilaka-Paste zwischen die Hörner geschmiert.

»Ich werde hier bleiben«, sagt Marianna Fusco. »Jemand sollte auf die Schuhe aufpassen.« Vishram versteht die Besorgnis in ihrer Stimme. Dieser Ort liegt außerhalb ihrer Erfahrung. Er ist auf essenzielle und unerklärliche Weise indisch. Er nimmt keine Rücksichten auf irgendwelche Empfindlichkeiten, alle Widersprüche und Gegensätze Bharats verkörpern sich in diesem Tempel der Liebe und Verehrung für die zornerfüllte Manifestation ursprünglicher Weiblichkeit. Die schwarze Kali mit ihrem Kranz aus Köpfen und dem schrecklich flinken Schwert. Selbst Vishram spürt eine erdrückende Fremdartigkeit in den Eingeweiden, als er sich unter dem Türsturz hindurchduckt, der mit musizierenden Mahavidyas verziert ist, den zehn Weisheiten, die der Yoni der schwarzen Göttin entströmen.

Shastri bleibt bei Marianna Fusco. Vishram wird vom Strom der Pilger absorbiert, die durch das Labyrinth schlurfen. Der Tempel ist niedrig, verraucht, klaustrophobisch. Vishram grüßt die Sadhus, empfängt ihre Tilakas für eine Handvoll Rupien. Die Garbhagriha ist winzig, ein schmaler Schlitz von einem Schrein, in dem das schwarze, glotzäugige Bildnis unter den zahllosen Tagetes-Girlanden fast verschwindet. Der enge Durchgang ist beinahe unpassierbar, weil sich die Menge um das Heiligtum drängt. Die Menschen strecken die Hände durch den yonischen Schlitz, um Räucherstäbchen zu entzünden oder Trankopfer aus Milch, Blut oder rot gefärbtem Ghee darzubringen. Die durstige Kali verlangt jeden Tag sieben Liter Blut. In kultivierten urbanen Zentren wie Mirzapur stammt es heutzutage von Ziegen. Vishrams Blick trifft den der Göttin, deren Augen die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sehen, die jede Illusion durchschauen. Darshan. Die Brandung der Menschen treibt ihn weiter. Donner erschüttert den Tempel. Der Monsun hat den Westen erreicht. Die Hitze ist maßlos. Glocken werden geschlagen. Die Anhänger der Göttin singen Hymnen.