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»Was tun Sie da?«, ruft sie. »Das ist mein Haus in Kabul!«

Mr. Nandhas Weg durch das Ministerium für die Lizensierung und Regulierung Künstlicher Intelligenzen lässt sich an den leuchtenden Energiesparlampen hinter der Glasverkleidung des Gebäudes nachverfolgen.

Vikram: Datenwiederherstellung. Der Boden von Vikrams Büro ist mit Haufen aus durchscheinenden blauen Speichern übersät, die in den Ruinen von Odeco beschlagnahmt wurden. Jede Minute schaffen die Angestellten mehr heran. Sie reihen sie im Korridor wie Flüchtlinge an einer Essensausgabe auf.

»Ich würde nicht darauf wetten, dass ich noch irgendwas herausholen kann.« Vikram steigt vorsichtig über einen Stromverteiler. »Ich halte es sogar für wahrscheinlicher, dass hier nie irgendwas war und Kalki schon gar nicht.«

»Ich mache mir keine Illusionen, dass Kalki jemals hier war oder dass Odeco etwas anderes als eine Rechnungsstelle war«, sagt Mr. Nandha. Von seinem Hosenaufschlag tropft es auf Vikrams industriegrauen Hartfaserteppich. »Das Mädchen ist der Schlüssel.«

Madhvi Pradad: Identifikation. Mr. Nandhas feuchte Baumwollsocken quietschen auf dem genoppten Gummibodenbelag.

»Sie ist eine Person, die nicht leicht zu identifizieren ist.« Eine Geste von Madhvi wirft das Foto von der Razzia bei Odeco auf einen Wandbildschirm. Mr. Nandha bemerkt, dass Madhvi einen Ehering trägt. »Aber ich habe sie vom Gyana-Chakshu-System checken lassen, für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie vielleicht immer noch in Patna ist. In Patna habe ich nichts gefunden, aber schauen Sie sich das hier an.« Madhvi Prasad ruft ein körniges Foto von einer Überwachungskamera auf. Es zeigt das Mädchen, wie es vor dem Rezeptionstresen eines Hotels steht. Die Einrichtung des Hotels ist in altmodischem Stil gehalten, überladen mit detaillierten Mughal-Elementen. Mr. Nandha beugt sich näher an den Bildschirm heran. Der Hotelangestellte kümmert sich um einen stämmigen Westler mittleren Alters mit Halbglatze und in lächerlichem Surfer-Outfit, für das sich auch ein halb so alter Mann schämen müsste.

»Das Amar Mahal Haveli an ...«

»Es ist mir bekannt. Und sie ist?«

»Ajmer Rao. Wir haben ihre Kreditkartendaten. Morva geht der Sache nach. Das Seltsame daran ist jedoch, dass wir nicht das erste System sind, das heute diese Aufnahme abgerufen hat.«

»Erklärung, bitte.«

»Jemand anderer war im Überwachungskameranetz und hat es sich angesehen, um neunzehn Uhr fünf, um genau zu sein.«

»Irgendwas in den Gyana-Chakshu-Logs?«

»Nein. Es war nicht unser System, und ich komme nicht an die Protokolldaten heran. Es könnte ein tragbares Gerät gewesen sein. Wenn das stimmt, ist es wesentlich leistungsfähiger als alles, was wir hier haben.«

»Wer hätte Zugang zu solcher Ausrüstung?«, sinniert Mr. Nandha. »Amerikaner?«

»Möglich.« Madhvi Prasad zeichnet einen Kreis in die Luft und zoomt den Surfer am Tresen heran.

»Professor Thomas Lull«, sagt Mr. Nandha.

»Sie kennen ihn?«

»Wie kurzlebig Ihr Gedächtnis heutzutage ist. In den Zwanzigern und Dreißigern war er der führende Theoretiker und Philosoph auf dem Gebiet des Künstlichen Lebens und der Künstlichen Intelligenz. Seine Werke waren Pflichtlektüre in Cambridge, aber ich habe sie privat gelesen. Ich kann nicht behaupten, dass es zum Vergnügen geschah, sondern eher, um meinen Feind zu verstehen. Er ist ein brillanter, kluger und überzeugender Prediger. Während der vergangenen vier Jahre galt er als vermisst, und nun hält er sich mit dieser Frau hier in Varanasi auf.«

»Er ist nicht der einzige Amerikaner in diesem Hotel«, sagt Madhvi Prasad. Sie ruft das Bild einer großen, grobknochigen Frau in nassem Top und blauem Sarong auf. »Diese Frau hat um neunzehn Uhr fünfundzwanzig eingecheckt. Ihr Name ist Lisa Durnau ...«

»Ich hege nicht den geringsten Zweifel, dass sie tief in die Kalki-Affäre verstrickt sind«, sagt Mr. Nandha.

Als der Aufzug durch den Regen hinauffährt, überblickt Mr. Nandha seine Stadt. Das Gewitter hat sich nach Westen bewegt, die verblassenden Blitze werfen flackerndes Licht auf die Türme und Wohnkomplexe, die fernen weißen Parks und Schnellstraßen von Ranapur, das mit sich selbst beschäftigte Gedränge des alten Kashi und den Krummsäbel des Flusses, der all das durchschneidet. Mr. Nandha denkt: Wir alle sind Muster aus Licht, musikalische Harmonien, gefrorene Energie, die aus dem Ur-Licht in der Zeit geronnen ist, für einige Zeit, um irgendwann wieder freigesetzt zu werden. Auf die leidenschaftliche Freude über diese Erkenntnis folgt plötzlich ein heftiges Übelkeitsgefühl. Mr. Nandha taumelt gegen die Glaswand der Aufzugskabine. Eine dünne, stechend scharfe Furcht bohrt sich unaufhaltsam in sein Herz. Er hat keinen Namen dafür, er hat eine solche Empfindung noch nie zuvor erlebt, aber er weiß, was es ist. Etwas Schreckliches ist geschehen. Das Schrecklichste, das er sich vorstellen kann, und noch viel mehr. Es ist keine Vorahnung. Es ist das Echo eines gegenwärtigen Ereignisses. Soeben ist das Schlimmstmögliche der Welt geschehen.

Fast hätte er zu Hause angerufen. Seine Hand setzt zur Hoek-Mudra an, dann wird das Universum wieder in die normale Perspektive gerückt. Die Zeit läuft weiter, und es war nur ein Gefühl, nur ein Versagen von Körper und Wille. Dieser Fall verlangt allergrößte Entschlossenheit und Hingabe von ihm. Er muss sicher, korrekt und inspirierend sein. Mr. Nandha zupft seine Manschetten zurecht und streicht sich das Haar zurück.

Morva: Steuerfahndung. »Das Hotelzimmer wurde über ein in Varanasi geführtes Konto der Bank of Bharat gebucht«, sagt Morva. Mr. Nandha bemerkt anerkennend, dass Morva bei der Arbeit einen Anzug trägt, dass er sogar einen zweiten da hat, für alle Fälle. »Ich brauche eine Genehmigung, um die detaillierten Bankdaten auszuwerten, aber diese Kreditkarte war auf Reisen.« Er reicht Mr. Nandha eine Liste mit Transaktionen. Varanasi. Mumbai, Hauptbahnhof. Ein Hotel in einem Ort namens Thekkady in Kerala. Bangalore, Flughafen. Patna, Flughafen.

»Nichts älter als zwei Monate?«

»Nicht auf dieser Karte.«

»Können Sie das Kartenlimit feststellen?«

Morva tippt auf die unterste Zeile. Mr. Nandha muss es zweimal lesen. Dann blinzelt er einmal.

»Wie alt ist sie?«

»Achtzehn.«

»Wie schnell können Sie auf dieses Konto zugreifen?«

»Ich bezweifle, dass sich außerhalb der Geschäftszeiten etwas machen lässt.«

»Versuchen Sie es«, sagt Mr. Nandha und klopft seinem Kollegen auf den Rücken, als er geht.

Mukul Dev: Recherchen.

»Schauen Sie sich das an!« Mukul hat erst vor fünf Monaten sein Studium abgeschlossen und staunt immer noch, wie cool das alles ist. He, Mädels, ich bin ein Krishna Cop. »Die Kleine ist ein Medienstar!« Die Videosequenz ist grobkörnig, chaotisch, schlecht ausgeleuchtet. Körper in Bewegung, die meisten in Kampfmonturen. Feuer spiegelt sich flackernd auf gekrümmten Metallflächen.

»Das ist der Überfall auf den Zug«, sagt Mr. Nandha. Das Ereignis ist bereits so alt und unbedeutend wie der Raj.

»Ja, Sir. Das sind Aufnahmen einer Armee-Helmkamera. Jetzt kommt die Sequenz.«

Es ist schwierig, im Chaos aus Feuer und Flüchtenden Einzelheiten zu erkennen, aber er sieht Thomas Lull in seinen geschmacklosen Sachen, wie er auf die Kamera zuläuft und dann aus dem Bild verschwindet, während Bharati-Soldaten ihre Stellungen einnehmen. Er bemerkt eine Linie aus Bewegung vor der längeren, dunkleren Linie des brennenden Zuges. Mr. Nandha erschaudert. Er kennt das Wuseln und Huschen von Antipersonen-Robotern von seinen Kämpfen gegen den Datenraja Anreddy. Dann sieht er eine Gestalt in Grau, die vor der Angriffslinie in die Knie geht und eine Hand hebt. Die Roboter halten inne. Mukul macht eine Stop-Geste, und das Bild erstarrt.