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»Das war nicht in den Nachrichten.«

»Überrascht Sie das?«

»Gute Arbeit«, sagt Mr. Nandha und steht auf. Er vollführt ein Kanal-öffnen-Mudra. »Alle finden sich in dreißig Minuten im Konferenzraum ein.« Bestätigungssignale ertönen in seinem Schädel, während er Mukuls Büro verlässt.

Drei Uhr dreißig, liest Mr. Nandha auf der Zeitanzeige am Rand seines Sichtfeldes, als seine Ermittler den Konferenzraum betreten und sich um den ovalen Tisch setzen. Mr. Nandha kann die Erschöpfung in dem zu hell beleuchteten Raum riechen. Er sucht nach einem Behälter für seinen ayurvedischen Teebeutel und schnalzt enttäuscht mit der Zunge, als er nichts findet.

»Mr. Morva, irgendwelche Fortschritte?«

»Eine meiner Kaihs ist auf einen ungewöhnlichen Kauf gestoßen, maßgezüchtete Proteinchips von AFG in Bangalore. Das Ungewöhnliche daran ist die Lieferadresse, die Praxis ohne Lizenz in der Freihandelszone von Patna.«

Aus dem Augenwinkel bemerkt Mr. Nandha, wie Sampath Dasgupta, ein jüngerer Constable, erschrocken auf eine Anzeige seines Palmers reagiert und ihn seiner Nachbarin Shanti Nene zeigt.

Madhvi Prasad: »Außerdem habe ich mehr über ihre Identität herausgefunden. Ajmer Rao ist die Adoptivtochter von Sukrit und Devi Paramchans, ebenfalls aus Bangalore. Und nun kommt etwas Seltsames: Sie alle sind in den Melderegistern und Datenbanken des Finanzamts und anderer Behörden verzeichnet, aber wenn man in der Zentralen DNS-Datenbank von Karnataka nachsieht, findet man nichts. Sie hätten bei der Geburt registriert werden müssen. Ich versuche noch, ihre biologischen Eltern ausfindig zu machen. Ich kann nur raten, aber ich glaube, dass sie aus einem bestimmten Grund hierhergekommen ist.«

Mr. Nandha: »Vielleicht versucht sie, Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Wir könnten dem zuvorkommen, indem wir in ihrem Hotel nach einer DNS-Probe von ihr suchen, um selber den Kontakt herzustellen. Gut.« Die Unruhe breitet sich weiter auf der rechten Seite des Tisches aus. »Geht es um etwas, das ich wissen sollte?«

Sampath Dasgupta: »Mr. Nandha, die Premierministerin wurde ermordet. Sajida Rana ist tot.«

Der Schock rollt wie eine Welle um den Tisch. Hände greifen nach Palmern, rufen gestikulierend mit den Hoeks Nachrichtenkanäle auf. Das Murmeln steigert sich zu lautem Geschwätz und noch lauterem Heulen. Mr. Nandha wartet, bis der Lärm allmählich abflaut. Energisch klopft er mit seinem Teeglas auf den Tisch.

»Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit.« Er muss es zweimal sagen, bis es wieder ruhig geworden ist. »Vielen Dank, meine Damen und Herren. Könnten wir jetzt mit der Besprechung fortfahren?«

Sampath Dasgupta kann sich nicht zurückhalten. »Mr. Nandha, es geht um unsere Premierministerin!«

»Dessen bin ich mir bewusst, Mr. Dasgupta.«

»Unsere Premierministerin wurde von einem Mob aus Karsevaks massakriert.«

»Und wir werden mit unserer Arbeit fortfahren, Mr. Dasgupta, gemäß dem Auftrag unserer Regierung, damit wir dieses Land vor der Gefahr unlizensierter Kaihs schützen können.«

Dasgupta schüttelt fassungslos den Kopf. Mr. Nandha erkennt, dass man ihn herausgefordert hat und er schnell und entschieden handeln muss, um seine Autorität aufrechtzuerhalten.

»Für mich steht fest, dass es eine Verbindung zwischen Odeco, dieser Ajmer Rao und der Kalki-Kaih gibt, vielleicht sogar zu Professor Thomas Lull und seiner ehemaligen Assistentin Dr. Lisa Durnau. Es könnte sich um eine ernstzunehmende Verschwörung handeln. Madhvi, besorgen Sie einen Durchsuchungsbefehl für das Amar-Mahal-Hotel. Ich werde einen Antrag auf sofortige Verhaftung von Ajmer Rao stellen. Mukul, bitte lassen Sie den Haftbefehl an alle Polizeidienststellen in Varanasi und Patna schicken.«

»Damit kommen Sie vielleicht ein bisschen zu spät«, wird er von Ram Lalli unterbrochen. Mr. Nandha setzt zu einer Rüge an, doch Lalli hat die rechte Hand am Ohr, während er einen Anruf entgegennimmt. »Die Polizei hat einen Fahndungsbefehl ausgegeben. Ajmer Rao ist soeben aus der Untersuchungshaft in Rajghat entflohen. Thomas Lull befindet sich dort weiterhin in Gewahrsam.«

»Was hat das zu bedeuten?«, will Mr. Nandha wissen.

»Die Polizei hat sie im Nationalarchiv verhaftet. Wie es aussieht, war sie uns einen Schritt voraus.«

»Die Polizei?« Mr. Nandha könnte sich übergeben. Er hängt im leeren Raum. Das, denkt er, ist der Zusammenbruch von allem, den er im gläsernen Aufzug gespürt hat. »Wann ist das passiert?«

»Man hat sie gegen neunzehn Uhr dreißig festgenommen.«

»Warum wurden wir nicht informiert? Wofür halten uns diese Leute — für Babus, die Formulare ausfüllen?«

»Das gesamte Netz des Bezirks Rajghat ist ausgefallen«, sagt Ram Lalli.

»Mr. Lalli, an die Polizei von Rajghat«, befiehlt Mr. Nandha. »Ich übernehme die volle Verantwortlichkeit für diesen Fall. Teilen Sie der Dienststelle mit, dass nunmehr das Ministerium für diese Angelegenheit zuständig ist.«

»Chef.« Vik hebt eine Hand und lässt Mr. Nandha an der Tür innehalten. »Das müssen Sie sich ansehen. Es geht um die Biochips. Ich glaube, ich weiß jetzt, wo sie abgeblieben sind.«

Ein Bild baut sich über der Zeitanzeige in Mr. Nandhas Augenwinkel auf. Er hat solche blauen Geisterschädel schon einmal gesehen. Die Bilder des Quantenresonanzdetektors von den Biochip-Trümmern, die Mr. Nandras Indra-Angriff in Anreddys Kopf hinterlassen hat, waren ein Schlüsselbeweis für die Verurteilung des Mannes. Selbst als Maha der Datenrajas hat Anreddy nie über eine derartige Ausrüstung verfügt. Jede Falte und Windung, jede Nervenkreuzung und jedes Thelium ist mit Biochip-Juwelen geschmückt.

Die bösen Männer fahren im Regen auf den superheißen japanischen Geländemotorrädern in die Stadt ein. Chunar ist all das, was Datenraja Anand versprochen hat — provinziell, schlammig, inzüchtig und nachts geschlossen. Nur im Dechiffrier-Callcenter herrscht noch Betrieb, einem durchsichtigen Zylinder aus aufblasbarem Polyethylen auf dem billigsten Randgrundstück der Billigstadt. Die bösen Jungs kommen mit knirschendem Sand unter den Reifen vor dem Chunar Fort zum Stehen. Wie die meisten alten Bauwerke ist es aus der Nähe viel größer und imposanter. Wobei imposant bedeutet: auf der Flussseite mit dem Steilhang so ziemlich unangreifbar. Wie diese Szenen in den Pak-Rächerfilmen, wenn der Typ für den Mord an seiner künftigen Frau Vergeltung übt, indem er den fetten Schurken und seine Baradari in ihrer Familienburg kaltmacht. Shiv lugt durch den schräg fallenden Regen zum weißen Haus im europäischen Stil hinauf, das am Rand der Brüstung steht. Exzentrischerweise von Ramanandacharya in Flutlicht getaucht, ist es ein Leuchtfeuer, das kilometerweit an dieser öden Flussschleife des Ganges zu sehen ist. Warren Hastings’ Pavillon hat Anand das Gebäude genannt. Warren Hastings. Klingt wie ein neuer Name, den man bekommt, wenn man in einem Callcenter anfängt.

Von dieser Kreuzung gehen vier Straßen aus. Zurück, dorthin, woher sie gekommen sind. Nach rechts zur Pontonbrücke. Nach links zu dem, was von Chunar zu sehen ist, ein paar schlammige Galis, eine Coca-Cola-Reklame und irgendwo ein Radio, das auf einen Filmi-Sender eingestellt ist. Geradeaus führt die kurvige Kopfsteinstraße hinter die Wachtürme und hinauf durch das große Tor ins Chunar Fort.

Nachdem er jetzt hier ist, unter den zerbröckelnden Sandsteintürmen — nachdem er gesehen hat, wie sich all seine Pläne der Reihe nach bis zum einzig möglichen Ergebnis umgesetzt haben —, wird Shiv klar, dass er diese Sache unbedingt durchziehen muss. Und er hat Angst vor den Wachtürmen und dem Weg, der sich uneinsehbar hinaufschlängelt. Aber noch viel mehr Angst hat er davor, dass Yogendra ihm im Ernstfall anmerkt, dass er kein Raja ist. Shiv kramt einen kleinen Plastikbeutel aus seiner lichtstreuenden Cargohose und schüttelt zwei Pillen heraus.