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»Okay, ich werde Sie jetzt abschalten«, sagt die Stimme von Captain Pilot Beth. Für einen Moment ist Lisa desorientiert, dann findet sie sich blinzelnd im engen Cockpit des Transferschiffs wieder. Die Anzeigen zählen auf null herunter, Lisa spürt eine leichte Bewegung, und dann sind sie unten. Längere Zeit passiert gar nichts. Dann hört sie Rattern und Rasseln und Zischen. Captain Pilot Beth öffnet den Reißverschluss, und Lisa Durnau purzelt unter Krämpfen und sehr erstaunlichen Körpergerüchen heraus. Darnley 285 verfügt über zu wenig Schwerkraft für ein Gefühl der Anziehung, aber sie reicht aus, um Lisa einen Richtungssinn zu geben. Da ist unten. Da ist links und rechts und vorn und hinten und oben. Eine weitere mentale Reorientierung. Sie hängt kopfüber wie eine Fledermaus. Unten, vor ihrem Gesicht, drehen sich die Lukenklammern, bis sich eine kurze Röhre öffnet, eng wie ein Geburtskanal. Eine weitere Luke rotiert und schwingt auf. Ein stämmiger Mann mit Bürstenhaarschnitt steckt den Kopf und die Schultern hindurch. Die Nase und die Augen deuten auf polynesische Gene nicht allzu weit unten in seinem Familienstammbaum hin, und an den Schultern prangt die Aufschrift US Army. Aber er zeigt ein herzliches Lächeln, als er Lisa Durnau eine Hand entgegenstreckt.

»Dr. Durnau, ich bin Sam Rainey, der Projektleiter. Willkommen auf Darnley 285 oder, wie unsere archäologischen Freunde ihn zu nennen pflegen, dem Tabernakel.«

12

Mr. Nandha, Parvati

Der Verkehr ist schlimmer als je zuvor, nachdem die Karsevaks nun ein dauerhaftes Lager rund um die gefährdete Ganesha-Statue eingerichtet haben, und Mr. Nandha, der Krishna Cop, wird obendrein von seinen Hefeinfektionen geplagt. Noch schlimmer ist, dass er eine Besprechung mit Vik in der Datenwiederherstellung hat. Mr. Nandha ärgert alles an Vik, von seinem selbstgewählten Spitznamen (was ist eigentlich so falsch an Vikram, einem guten historischen Namen?) bis zu seinem MTV-Modestil. Er ist das Gegenteil der Fundamentalisten, die auf dem Kreisverkehr kampieren. Wenn Sarkhand das atavistische Indien repräsentiert, ist Vik ein Opfer des Zeitgenössischen und Flüchtigen. Aber was Mr. Nandha ursprünglich den Tag verdorben hat, war sein Fast-Streit mit Parvati.

Sie hatte Frühstücksfernsehen geschaut und auf ihre verlegene Art mit der Hand vor dem Mund gelacht, wie die Moderatoren von ihren Chati-, Soapi- und Celebriti-Gästen geschwärmt hatten.

»Diese Rechnung. Sie kommt mir ... recht hoch vor.«

»Rechnung?«

»Für die Tröpfchenbewässerung.«

»Aber sie ist notwendig. Man kann kein Brinjal ohne Bewässerung anbauen.«

»Parvati, es gibt Menschen, die kein Wasser haben, um ihren Reis zu kochen.«

»Genau. Deshalb habe ich mich für die Tröpfchenbewässerung entschieden. Das ist die effizienteste Methode. Es ist unsere patriotische Pflicht, Wasser zu sparen.«

Mr. Nandha hielt den Seufzer zurück, bis er den Raum verlassen hatte. Er autorisierte die Bezahlung mit seinem Palmer und wurde von seiner Kaih informiert, dass Vik um ein Treffen gebeten hatte. Gleichzeitig erhielt er eine neue, ihm nicht vertraute Route zur Arbeit, auf der er dem Sarkhand Roundabout ausweichen konnte. Er kehrte zurück, um sich von Parvati zu verabschieden, und stellte fest, dass sie gerade die Nachrichten zur vollen Stunde sah.

»Hast du gehört?«, fragte sie. »N. K. Jivanjee sagt, er wird eine Rath Yatra organisieren und wie Rama auf dem Wagen durch das Land fahren, bis eine Million Bauern zum Sarkhand Roundabout marschieren.«

»Dieser N. K. Jivanjee ist ein Unruhestifter, genauso wie seine Partei. Was wir brauchen, ist die nationale Einigkeit gegen Awadh und nicht eine Million Bauernlümmel, die nach Ranapur marschieren.«

Er küsste Parvati auf die Stirn. Die Missstimmungen des Tages wurden besänftigt.

»Auf Wiedersehen, mein Bülbül. Wirst du im Garten arbeiten?«

»Oh ja. Krishan wird um zehn hier sein. Ich wünsche dir einen guten Tag. Und vergiss nicht, deinen Anzug von der Reinigung abzuholen. Wir haben heute dieses Durbar bei den Dawars.«

Jetzt fährt Mr. Nandha in einem gläsernen Aufzug an der Außenseite des Vajpayee Tower empor. Seine Magensäure setzt ihm zu. Er stellt sich vor, wie sie ihn von innen her auflöst, Zelle um Zelle.

»Vikram.«

Vikram ist weder besonders groß noch besonders gut gebaut, aber dadurch lässt er sich nicht von seinen modischen Ansichten abbringen. Sein Stil ist: schlabberiges ärmelloses T mit willkürlichen Textbotschaften, die auf dem intelligenten Stoff aufleuchten — sie entsprechen der angeblichen Doktrin des zufälligen Zen —, unter den Knien abgeschnittene Ketchies, unter denen man sportliche Strumpfhosen trägt. Schließlich Nike Predators zum Preis des Monatsgehalts des aufrechten Sikh an der Eingangstür. Auf Mr. Nandha wirkt das alles schlicht würdelos. Gar nicht ausstehen kann er den Bartstreifen, der von der Unterlippe bis zum Adamsapfel reicht.

»Kaffee?«

Vik hat immer einen da, in einer immerwarmen Tasse. Mr. Nandha kann keinen Kaffee trinken. Es würde sein Sodbrennen verschlimmern. Er zieht seinen ayurvedischen Teebeutel hervor und reicht ihn Vikrams schweigsamem Assistenten, an dessen Namen sich Mr. Nandha nie erinnern kann. Die Prozessoreinheit steht auf Viks Schreibtisch. Es ist eine Industriestandardausführung, ein durchscheinender blauer Würfel, innerlich versengt von Mr. Nandhas EMP-Attacke. Vik hat das Ding an verschiedene Sonden und Monitore angeschlossen.

»Okay«, sagt er und lässt die Finger knacken. Theater of Bludd flüstert aus den Lautsprechern, doch das übliche Getöse ist aus Respekt vor dem Monteverdi-Liebhaber Mr. Nandha gedämpft. »Es wäre erheblich einfacher, wenn Sie uns hin und wieder etwas übrig lassen würden, mit dem wir arbeiten könnten.«

»Ich habe eine eindeutige und unmittelbare Gefahr wahrgenommen«, sagt Mr. Nandha und hat plötzlich eine Erkenntnis. Vik, der coole Vik, mit seiner Vorliebe für Technologie und Trance-Metal, ist eifersüchtig auf ihn. Er beneidet ihn um die Aufträge, die reservierten Waggons der ersten Klasse und die gut geschnittenen Anzüge des Ministeriums und die Waffe, die auf zwei Arten töten kann, und die Schar der Avatare.

»Sie haben noch weniger als sonst übrig gelassen«, sagt Vik. »Aber es ist noch genug vorhanden, um ein paar Nanosonden einzuschleusen und Spuren zu interpretieren. Ich vermute, der Programmierer ...«

»Er war das erste Opfer.«

»Sind sie das nicht immer? Es wäre nett gewesen, wenn er uns hätte sagen können, warum seine selbstgebastelte Satta-Kaih ein Programm im Hintergrund laufen ließ, das auf dem internationalen Kapitalmarkt gekauft und verkauft hat.«

»Genauer, bitte.«

»Morva von der Steuerfahndung dürfte es besser erläutern können, aber es sieht so aus, als hätte Tikka-Pasta, ohne sich dessen bewusst zu sein, mit Crores von Rupien für eine Risikokapitalgesellschaft namens Odeco gehandelt.«

»Ich werde in der Tat mit Morva sprechen«, beschließt Mr. Nandha.

»Eins kann ich Ihnen schon jetzt sagen.« Vik tippt mit dem Finger auf eine Codezeile, die der blassblaue Bildschirm anzeigt.

»Aha«, sagt Mr. Nandha mit einem dünnen Lächeln.

»Unser alter Freund Jashwant der Jain.«

Parvati Nandha sitzt in einer Laube aus Amarant auf dem Dach ihres Wohnblocks. Mit der Hand schirmt sie die Augen ab, um einen weiteren Militärtransporter zu beobachten, der von Osten herangleitet und über den Konzernhochhäusern von New Varanasi verschwindet. Sie und die in großer Höhe kreisenden schwarzen Milane sind die einzigen Störungen des Friedens in ihrem Garten im Herzen der Stadt. Parvati tritt an die Kante und blickt über die Brüstung. Zehn Stockwerke tiefer ist die Straße voller Menschen, wie ein Arm voll mit Blut ist. Sie geht über den gefliesten Platz bis zum erhöhten Beet, rafft ihren Sari und beugt sich herab, um die Kürbissämlinge zu inspizieren. Das Verdunstungszelt aus Plastik ist matt von der Feuchtigkeit. Auf dem Dach herrscht bereits eine Lufttemperatur von siebenunddreißig Grad, und der Himmel ist schwer, undurchdringlich, nahe und karamellfarben vom Smog. Parvati lugt durch die Lücke zwischen der Folie und dem Boden und atmet den Geruch nach Humus und Mulch und Feuchtigkeit und Wachstum ein.