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Bilquis Badoor Khan macht ihren Ehemann in seinem Versteck ausfindig.

»Liebling, versuch es wenigstens.«

Shaheen Badoor Khan gibt seiner Frau einen gesellschaftsfähigen Kuss, einen auf jede Seite.

»Nein, ich bleibe hier. Entweder man erkennt mich, und man will mit mir nur über den Krieg reden, oder man erkennt mich nicht, und dann geht es nur um Schulen, Aktienkurse und Cricket.«

»Apropos Cricket.« Bilquis berührt Shaheen leicht am Ärmel, eine Aufforderung zur Konspiration. »Shaheen, es ist einfach unglaublich ... ich weiß nicht, wo Neelam sie auftreibt. Jedenfalls ... diese schreckliche, schmuddelige kleine Frau vom Land, du kennst diesen Menschenschlag, sie steigen aus dem Bihar-Bus, heiraten nach oben, und alle sollen es wissen. Da ist sie, da drüben. Jedenfalls stehen wir zusammen und reden, und sie schleicht um uns herum, versucht ganz offensichtlich, ihre zwei Rupien ins Spiel zu bringen, das arme Ding. Dann kommen wir auf Cricket und Tandons Jahrhundert, und sie sagt: War es nicht wunderbar, beim achten und letzten Ball, kurz vor der Teepause! Ich meine nur. Ein Over mit acht Bällen. Einfach unglaublich!«

Shaheen Badoor Khan blickt zu der Frau, die mit einem Becher Lassi allein unter einem Pipalbaum steht. Die Hand um das silberne Trinkgefäß ist lang und schlank und mit Henna gemustert. Ihr Ehering ist um den Finger tätowiert. Die Frau ist groß und hat eine Haltung ländlicher Eleganz, auf eine unaffektierte, schlichte Art kultiviert. Auf Shaheen Badoor Khan wirkt sie unbeschreiblich traurig.

»Ja, unglaublich«, sagt er und wendet sich von seiner Frau ab.

»Ach, Khan! Dachte ich’s mir doch, dass Sie Ihr heidnisches Gesicht hier zeigen.«

Shaheen Badoor Khan hatte versucht, Bal Ganguly aus dem Weg zu gehen, aber der große Mann kann Neuigkeiten riechen wie eine Luna-Motte. Das ist sein Leben und seine Leidenschaft als Eigentümer der wichtigsten Hindi-Nachrichtenseite von Varanasi. Obwohl Ganguly niemals ohne sein Gefolge aus unverheirateten Journalisten auftritt, ist er ein eingefleischter Junggeselle. Die Partys, zu denen er eingeladen wird, locken den Typ Frauen an, die hoffen, eine gute Partie zu machen. Nur ein Narr vergeudet sein Leben darauf, seinen eigenen Käfig zu bauen, pflegt er zu sagen. Außerdem weiß Shaheen Badoor Khan, dass Ganguly ein großer Sponsor der Shivaji ist.

»Was gibt es Neues aus der Sabha? Sollte ich anfangen, mir einen Schutzbunker einzurichten, oder lieber ein Reislager anlegen?«

»Es tut mir leid, dass ich Sie enttäuschen muss, aber diese Woche wird es keinen Krieg geben.« Shaheen Badoor Khan schaut sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Die Junggesellen versammeln sich im Kreis um ihn.

»Wissen Sie, es würde mich nicht überraschen, wenn Rana den Krieg erklärt und eine halbe Stunde später die Bulldozer zum Sarkhand Roundabout schickt.« Ganguly lacht über seinen eigenen Witz. Er hat ein großes, gurgelndes, ansteckendes Lachen. Shaheen Badoor Khan muss unwillkürlich lächeln. Gangulys Anhängerschar wetteifert darum, wer am lautesten mitlacht. Sie schauen sich um, ob irgendwelche Frauen in ihre Richtung blicken. »Nein, aber ich bitte Sie, Khan. Krieg ist eine ernsthafte Angelegenheit. Damit lässt sich jede Menge Werbefläche verkaufen.« Die ungebundenen Frauen in ihrem eigenen privaten Pavillon schauen an ihrer Anstandsdame vorbei, lächelnd, aber zu schüchtern, um Blickkontakt aufzunehmen. Shaheen Badoor Khans Aufmerksamkeit wird erneut auf die Frau vom Land unter dem Pipalbaum gelenkt. Zwischen den Welten. Weder das eine noch das andere. Dort möchte sich niemand aufhalten.

»Wir werden nicht in den Krieg ziehen«, sagt Shaheen Badoor Khan ruhig. »Wenn wir aus fünftausend Jahren Militärgeschichte etwas gelernt haben, dann die Tatsache, dass wir nicht gut darin sind, Kriege zu führen. Wir lieben es, zu protzen und zu posieren, aber wenn es zur Schlacht kommt, bekommen wir es mit der Angst zu tun. So konnten die Briten uns überrollen. Wir saßen in unseren Verteidigungsstellungen, und sie kamen anmarschiert. Sie marschierten immer weiter, und wir dachten: Sie werden schon irgendwann aufhören. Aber sie marschierten trotzdem weiter, die Bajonette erhoben. Es war genauso wie null-zwei und achtundzwanzig in Kaschmir, und genauso wird es in Kunda Khadar sein. Wir lassen unsere Truppen auf unserer Seite des Damms aufmarschieren und sie auf ihrer, wir tauschen ein paar Runden Artilleriefeuer aus, und dann können alle wieder nach Hause gehen, während dem Izzat Genüge getan wurde.«

»Achtundzwanzig gab es keine Wasserknappheit«, sagt einer der Zeitungsjungen zornig. Ganguly bläst sich auf — ihm ist das nächste Bonmot abgewürgt worden. Journalistische Junggesellen sprechen nicht unaufgefordert zum Privatsekretär eines Premierministers. Shaheen Badoor Khan nutzt die Verwirrung, um sich aus der Gesprächsrunde davonzustehlen. Die Mädchen aus den niederen Kasten folgen ihm mit den Blicken. Macht hat überall denselben Geruch, ob in der Stadt oder auf dem Land. Shaheen Badoor Khan nickt ihnen zu, doch Bilquis ist mit ihren früheren Freundinnen aus der Anwaltschaft auf Abfangkurs. Die Damen, die einst der Juristerei nachgingen. Bilquis’ Karriere ist genauso wie die einer ganzen Generation gut ausgebildeter, arbeitender Frauen hinter einem Schleier gesellschaftlicher Verpflichtungen und Einschränkungen verschwunden. Kein Gesetz, kein Imam, keine Kastentradition hat sie von ihrem Arbeitsplatz vertrieben. Warum sollen sie arbeiten, wenn fünf Männer um jeden Job konkurrieren und jede gebildete, in Umgangsformen bewanderte Frau in eine Familie mit Geld und Prestige einheiraten kann? Willkommen in der gläsernen Zenana.

Die klugen Frauen unterhalten sich nun über eine Witwe, die sie kennen, eine kompetente Frau, eine Shivaji-Aktivistin, recht intelligent. Kaum vom Verbrennungsplatz am Ghat zurück, und was sagt man dazu? Bankrott. Keine einzige Paisa. Auch das letzte Möbelstück als Sicherheit verpfändet. Zweitausendsiebenundvierzig, und trotzdem kann eine gebildete Frau plötzlich auf der Straße landen. Wenigstens muss sie nicht zu den ... ihr wisst schon. Den »O«-Leuten. Hat jemand in letzter Zeit etwas von ihr gehört? Muss demnächst mal nach ihr sehen. Mädchen müssen zusammenhalten. Solidarität und so. Man kann Männern einfach nicht vertrauen.

Musiker nehmen ihre Positionen auf dem Pandal ein, stimmen, tauschen ein paar Noten aus. Shaheen Badoor Khan wird sich davonmachen, wenn Mumtaz Haq an der Reihe ist. Neben dem Tor steht ein Baum, dort kann er sich im Schatten verstecken, und wenn der Applaus beginnt, schlüpft er hinaus und ruft sich ein Taxi. Noch jemand hat die Gelegenheit erkannt, ein Mann im zerknitterten Anzug eines Beamten, eine volle Flöte Omar Khayyam in der Hand. Die Finger am Glas wirken recht kultiviert, genauso wie seine Gesichtszüge, obwohl er einen kräftigen Bartschatten hat. Seine Augen sind groß und animalisch, mit einem animalisch furchtsamen Blick, auf die Art, wie Tiere instinktiv erst einmal alles fürchten.

»Gefällt Ihnen die Musik nicht?«, fragt Shaheen Badoor Khan.

»Ich ziehe die klassische Richtung vor«, sagt der Mann. Sein Tonfall deutet auf eine englische Ausbildung hin.

»Auch ich fand schon immer, dass Indira Shankar sehr unterschätzt wird.«

»Nein, ich meine Klassische Musik, westliche Klassik. Renaissance, Barock.«

»Ich weiß, dass es sie gibt, aber ich konnte mich nie damit anfreunden. Ich fürchte, in meinen Ohren klingt das alles viel zu hysterisch.«

»Damit meinen Sie die Romantik«, sagt der Mann mit einem stillen Lächeln, aber er hat entschieden, dass Shaheen Badoor Khan und ihn eine gewisse Seelenverwandtschaft verbindet. »Und in welchem Bereich sind Sie tätig?«

»Ich bin Staatsdiener«, sagt Shaheen Badoor Khan.

Der Mann denkt kurz über seine Antwort nach. »Ich ebenfalls«, sagt er dann. »Darf ich fragen, in welchem Ressort?«

»Informationsmanagement«, sagt Shaheen Badoor Khan.

»Schädlingsbekämpfung«, sagt der Mann. »Also trinken wir auf unsere Gastgeber.« Er hebt sein Glas, und Shaheen Badoor Khan bemerkt, dass der Anzug des Mannes mit Staub und Ruß verschmutzt ist.