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»Absolut«, sagt Sonia Yadav.

»Und können Sie auch tatsächlich tun, was Sie behaupten? Energie aus dem Nichts erzeugen?«

Sie steht selbstsicher da, und ihre Augen leuchten voller Überzeugung. »Ja, das kann ich.«

»Mr. Ray, wir sollten jetzt weitergehen«, drängt Surjeet.

Als die Gruppe sich in Bewegung setzt, nimmt Vishram einen Filzstift und schreibt schnell auf die Tischplatte: HEUTABENDESSEN?

Sonia Yadav liest die Einladung auf dem Kopf.

»Rein geschäftlich«, flüstert Vishram. »Erklären Sie mir, was heiß ist und was nicht.«

OK, schreibt sie in Rot. UM8HIERTREFFEN. Sie unterstreicht das OK zweimal.

Draußen im Korridor erwartet Vishram ein Anblick, der seine gute Laune schnell abschwellen lässt: Govind in seinem zu engen Anzug, der mit einer Phalanx von Anwälten durch den Gang heranrollt, als würde ihm der Laden gehören. Govind erspäht seinen jüngeren Bruder, öffnet den Mund, um ihn zu grüßen, verdammen, segnen, tadeln — Vishram ist es egal, er hört es nicht, weil er laut ruft.

»Mr. Surjeet, könnten Sie bitte die Sicherheit rufen?« Während der Abteilungsleiter in seinen Palmer spricht, hebt Vishram einen autoritären Finger vor seinem Bruder und seinem Gefolge. »Du sagst nichts. Du hast hier nichts zu suchen. Hier bin ich zuständig.« Der Wachschutz trifft ein, zwei sehr große Rajputs mit roten Turbanen. »Bitte eskortieren Sie Mr. Ray aus dem Gebäude, und lassen Sie sein Gesicht vom Sicherheitssystem einscannen. Er darf diese Räumlichkeiten von nun an nicht mehr ohne meine ausdrückliche schriftliche Genehmigung betreten.«

Die Rajputs ergreifen Govind an den Armen. Es bereitet Vishrams Herzen ein enormes Vergnügen zu beobachten, wie sie ihn mit zügigen Schritten durch den Korridor hinausführen.

»Hören Sie auf mich! Hören Sie auf mich!«, ruft Govind über die Schulter zurück. »Er wird die Firma ruinieren, wie er bisher alles ruiniert hat, was man ihm überlassen hat. Ich kenne ihn schon sehr lange. Niemand kann über seinen eigenen Schatten springen. Er wird Sie alle ins Verderben reißen und dieses große Unternehmen vernichten. Hören Sie nicht auf ihn, er weiß gar nichts. Gar nichts!«

»Das tut mir furchtbar leid«, sagt Vishram, nachdem sich die Türen hinter seinem unablässig weiterprotestierenden Bruder geschlossen haben. »Nun gut. Wollen wir fortfahren, oder habe ich schon alles gesehen?«

Es hatte beim Frühstück angefangen.

»Was genau habe ich eigentlich geerbt?«, wollte Vishram von Marianna Fusco wissen, zwischen zwei Gabeln Kitchiri während seiner Frühstücksbesprechung auf dem östlichen Balkon.

»Im Wesentlichen hast du die Forschungs- und Entwicklungsabteilung bekommen.« Sie breitete die Dokumente wie Tarotkarten rund um seinen fettigen Teller aus.

»Also kein Geld und sehr viel Verantwortung.«

»Ich glaube nicht, dass dein Vater das aus einer reinen Laune heraus entschieden hat.«

»Wie viel hast du darüber gewusst?«

»Was, wer, wo und wann.«

»Da fehlt noch ein ›w‹.«

»Ich glaube nicht, dass irgendjemand dieses ›w‹ versteht.«

Ich verstehe es, dachte Vishram. Ich weiß, wie gut es ist, Erwartungen und Verpflichtungen hinter sich zu lassen. Ich weiß, wie beängstigend und befreiend es ist, nur mit einer Bettlerschale hinauszugehen und sich dem Risiko auszusetzen, ausgelacht zu werden.

»Du hättest es mir sagen können.«

»Und meine professionelle Schweigepflicht brechen?«

»Du bist eine kalte, knallharte Frau, Marianna Fusco.«

Er schaufelte eine weitere Ladung Kitchiri in sich hinein. Ramesh tauchte zwischen den geometrisch angepflanzten englischen Rosen auf, die im dritten Jahr in der trockenen Fremde zerknittert und verwelkt waren. Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt, eine Haltung, die genauso altehrwürdig und vertraut war wie jedes andere Detail an Shanker Mahal. Mit sechs Jahren hatte sich Vishram über seinen älteren Bruder lustig gemacht, die Hände hinter dem Rücken, die Lippen in abstrakter Konzentration zusammengekniffen, den Blick erhoben, auf der Suche nach den Wundern der Welt.

Und was war mit diesen Reisen nach Ostasien?, fragte er sich. Zu den Bangkok-Mädchen, die alles tun und sein konnten, was man sich vorstellte. Er spürte eine leise Regung unterhalb seines Nabels, eine hormonelle Zuckung. Aber das wäre zu einfach. Es war keine Jagd, kein Spiel, kein Ausreizen des Willens und der Phantasie, kein unausgesprochener Vertrag der gegenseitigen Anerkennung, dass sich beide auf ein Spiel mit allen Tricks, Zügen und Regeln einließen. Ein warmer Windhauch mit den Gerüchen der Stadt zerrte an den geschäftlichen Dokumenten. Vishram verteilte Tassen und Untertassen und Besteck, damit sie blieben, wo sie waren. Ramesh, der versucht hatte, an den vertrockneten Rosen zu schnuppern, blickte auf, als der warme Hauch über sein Gesicht strich, und war ehrlich überrascht, seinen kleinen Bruder und seine Anwältin auf der Terrasse zu erblicken.

»Ach, da bist du ja. Ich hatte die leise Hoffnung, dich zu finden.«

»Miserablen Kaffee?«

»Oh, bitte, ja. Und gibt es vielleicht auch noch etwas von dem da?«

Vishram nickte dem Diener zu. Wunderbar, wie schnell man sich wieder daran gewöhnte, bedient zu werden. Ramesh stocherte mit der Gabel in seinem Teller mit Kitchiri herum. »Warum hat er es mir gegeben?«, fragte er unvermittelt. »Ich wollte es nie, ich verstehe es nicht einmal. Das war noch nie meine Sache. Govind war immer derjenige mit einem Sinn fürs Geschäftliche. Er ist es immer noch. Ich bin Astrophysiker, ich kenne mich mit organischen Molekülwolken im Weltraum aus. Ich verstehe nichts von Stromerzeugung.«

Die Aufteilung war sehr clever, geradezu shakespearisch. Ramesh hätte sich die Entrücktheit der visionären Forschung gewünscht. Bekommen hatte er die solide Generatorenabteilung. Govinds Ambitionen zielten auf das Herzstück der Infrastruktur. Stattdessen hatte man ihm die Verantwortung für das Verteilungsnetz überlassen. Drähte und Kabel und Masten. Und Sohn Nummer drei, der Aufmerksamkeitssucher, der Tittengrabscher, hatte mit so obskuren Dingen zu tun, dass er gar nicht wusste, was man damit überhaupt machen konnte. Besetzung gegen den Typus. Böser alter Sadhu.

Der alte Mann war vor Sonnenaufgang aufgebrochen. Seine Kleidung war ordentlich auf die Bügel der Garderobe gehängt. Sein Palmer und Hoek lagen mitten auf seinem Kopfkissen neben seiner Brieftasche und seiner Universalkarte. Seine Schuhe waren poliert und standen in perfektem rechtem Winkel mit den Zehen an der Bettkante. Seine silberne Haarbürste und der Kamm hatten sich zu ihrem letzten Kuss auf dem Frisiertisch zusammengefunden. Kukunoor, nun der neue Khidmutgar, nachdem der alte Shastri auf Pilgerfahrt gegangen war, hatte Vishram all diese Dinge gezeigt, mit dem gleichen leidenschaftslosen Sinn für entbehrliche Historie, die er in den alten Häusern und Burgen von Schottland erlebt hatte. Er wusste nicht, wohin sein Herr und Meister gegangen war. Ihre Mutter wusste es auch nicht, obwohl Vishram eine geheime Kommunikationsverbindung zur Überwachung seines Vermächtnisses vermutete. Die Firma würde immer seine Firma sein.

»Was willst du mir damit sagen, Ram?«

»Dass es nichts für mich ist.«

»Was willst du, Ram?«

Er spielte mit seiner Gabel. »Govind hat mir ein Angebot gemacht.«

»Er hat keine Zeit verloren.«

»Er hält es für fatal, wenn die Erzeugung von der Verteilung getrennt wird. Die Amerikaner und die Europäer konkurrieren seit Jahren darum, Ray Power in die Hände zu bekommen. Jetzt sind wir geteilt und schwach, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis man mit einem unwiderstehlichen Angebot an einen von uns herantritt.«

»Ich bin mir sicher, dass er sein Anliegen sehr überzeugend vorgetragen hat. Ich frage mich unwillkürlich, woher er das Geld hat, mit dem er seine brüderliche Solidarität bekräftigen will.«