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Mr. Nandha nimmt die Finger auseinander. Intuition. Erleuchtung. Eine Bewegung an seiner Seite: Ein Chai-Junge bringt seinen benutzten Teebeutel auf einer silbernen Untertasse weg.

»Chai-Wallah, schick Vikram zu mir herunter. Schnell.«

»Sofort, Sahb.«

Militärische Kaih-Abwehrkampfflugzeuge. Darauf trainiert, Cyberkampfeinheiten wie Jagdfalken zur Strecke zu bringen. Mit Pulslasern bewaffnet. Die Mordwaffe ist irgendwo da draußen, auf Patrouille, und schneidet durch den heiligen Luftraum über der heiligen Stadt. Jemand hat die militärischen Systeme geknackt.

Mr. Nandha riecht Vik, bevor seine übrigen Sinne sein Eintreffen melden.

»Vikram.«

»Wie kann ich Ihnen helfen?«

Mr. Nandha dreht sich mit seinem Stuhl herum. »Bitte besorgen Sie mir ein Protokoll der Bewegungen sämtlicher militärischer Kaih-Drohnen über Varanasi in den vergangenen zwölf Stunden.«

Vikram saugt die Unterlippe ein. Er trägt riesige Laufschuhe und Pseudoshorts, die ihm heute bis zu den Waden reichen, zusammen mit einem engen Top, das jemand mit seinem Kohlehydratumsatz niemals auch nur in Erwägung ziehen sollte.

»Machbar. Wofür?«

»Mir ist die Idee gekommen, dass dies kein konventioneller Brandanschlag war. Die Ursache könnte der Hochleistungs-Infrarot-Laserpuls eines militärischen Flugkörpers gewesen sein.«

Vik zieht die Augenbrauen hoch.

»Gibt es schon etwas Neues über die Quelle der Abschaltung des Sicherheitssystems?«

»Jedenfalls kam der Befehl nicht von der Versicherung Ahura Mazda in Varanasi. Die Spur wurde ziemlich gut verwischt, aber wir werden ihnen auf die Schliche kommen. Wir haben ein paar Ausgangsdaten aus den Resten gewonnen, die wir von Badrinath retten konnten. Was auch immer sie auszulöschen versucht haben, es wurde gleichzeitig eine Menge Zeug vernichtet, das gegen hohe Gebühren gemietet wurde. Wir haben Bodhisofts von Jim Carrey, Madonna und Phil Collins verloren.«

»Ich glaube nicht, dass sie an Bodhisofts oder auch nur an Informationen interessiert waren«, sagt Mr. Nandha. »Ich glaube, es ging um die Leute.«

»Wie kommt es, dass wir die Abteilung für Kaih-Lizensierung sind, es aber am Ende immer wieder mit Menschen tun haben?«, fragt Vikram und wippt auf seinen großen gepolsterten Joggingschuhen. »Und wenn Sie mich das nächste Mal so dringend sprechen müssen, würde es auch eine simple Nachricht tun. Diese Treppenstufen bringen mich um, Mann.«

Aber das würde sich nicht für einen hochrangigen Ermittlungsbeamten schicken, hätte Mr. Nandha gern erwidert. Ordnung, Anstand, saubere Anzüge, Varna. An seinem zehnten Holi hat seine Mutter sie als kleine Jedis verkleidet, mit wehenden Gewändern und neuen Super-Spritzpistolen aus dem Laden von Chatterjee, die im Gatling-Stil mit den fünf separaten Läufen und in jedem eine andere Festivalfarbe. Er hatte seine jüngeren Geschwister beobachtet, wie sie in ihren Kapuzenumhängen aus alten Bettlaken die Bewegungen geprobt hatten, wie sie mit den bunten Farben sst-sst-sst die Mächte der dunklen Seite niedergemäht hatten. Erneut spürt er die übelkeiterregende Beschämung, dass von ihnen erwartet wurde, in diesen demütigenden Lumpen und mit diesem billigen Spielzeug unter die Leute zu gehen, wo jeder sie sehen konnte. In jener Nacht hatte er sich aus seinem Zimmer geschlichen und die Sachen zur Kohlenpfanne von Dipendra gebracht, dem Nachtwächter, um sie ins Feuer zu werfen. Sein Vater war schrecklich wütend gewesen, seine Mutter verständnislos und vor allem enttäuscht, doch er hatte die Emotionen und Entbehrungen stoisch ertragen, weil er wusste, dass er etwas noch viel Schlimmeres verhindert hatte: die Beschämung.

Mr. Nandhas Finger tasten nach seinem Leichthoek. Er wird jetzt Parvati anrufen, wegen dieser Sache mit dem Brahmanenbaby, und er wird ihr sagen, was er wirklich über dieses Thema denkt. Er wird es klarstellen, damit sie Bescheid weiß und nie wieder davon anfängt. Er schiebt sich den Hoek über das Ohr, justiert unbewusst den Induktor und ruft die Nummer auf, als ein unerwarteter Anruf von außen hereinkommt.

»Umpf«, sagt Mr. Nandha ungehalten. Es ist Chauhan.

»Hab eine Neuigkeit. Ich kann Ihnen etwas zeigen, Nandha.«

»Es war ein Infrarotlaser, nicht wahr?«, sagt Mr. Nandha, als er in die Leichenhalle tritt. Die Toten liegen auf Keramiktischen, schwarze, geschrumpfte Mumien mit Schnappzähnen.

»Gut geraten«, antwortet der fröhliche, brutale Chauhan im Pathologengrün, von züchtigen Assistentinnen umgeben. »Ein kurzer intensiver Puls von einem Hochenergie-Infrarotlaser, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit flugfähig, obwohl ich einen gezielten Schuss von den Shanti Rana Apartments auf der anderen Seite nicht ausschließen würde.«

Eine der Leichen, noch schrecklicher verkohlt als die übrigen, gleicht einem schwarzen Stock, an dem blanke Rippen und gelbe Hüftknochen hängen, die Beine an den Knien gekappt. Der Gestank nach verbranntem Haar, Fleisch und Knochen ist in der sterilen neuen städtischen Leichenhalle von Ranapur viel schlimmer als im Apartment, wo er von den Kohlenwasserstoffen und Polycarbonaten überdeckt wurde. Aber in diesem sauberen, kühlen Raum gibt es letztlich nichts, was für einen Bewohner von Varanasi unvertraut oder verstörend wäre.

»Was ist mit ihm geschehen?«

»Ich vermute, dass er am Fenster stand, als der Feuerball hereinplatzte. Aber er ist gar nicht so interessant«, erklärt Chauhan, als sich Mr. Nandha über die unmenschliche Y-Form des Darwinware-Piraten beugt. »Im Gegensatz zu diesen beiden. Natürlich gibt es nichts, womit sie sich identifizieren ließen — bis jetzt habe ich nur oberflächlich herumgestochert —, aber diese Leiche ist männlich, die andere weiblich. Der Mann ist Europäer, von irgendwo zwischen Palermo und Paris, und die Frau ist Südinderin drawidischer Herkunft. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie ein Paar waren. Interessant ist, dass die Frau mit einer schweren Missbildung der Gebärmutter geboren wurde — sie war zweifellos nicht funktionsfähig. Mit guter alter Polizeiarbeit werden wir irgendwann herausfinden, wer sie waren, aber einen Hinweis kann ich Ihnen schon jetzt zeigen.«

Chauhan zieht eine gepolsterte Schublade auf und hält zwei Beweisbeutel aus Plastik hoch. In jedem befindet sich ein kleiner verkohlter Elfenbeinanhänger. Das Motiv ist ein weißes Pferd, das sich innerhalb eines Chakra-Kreises aus stilisierten Flammen aufbäumt.

»Wissen Sie, was das ist?«, fragt Chauhan.

»Kalki«, sagt Mr. Nandha. Er nimmt eine Scheibe und hält sie ins Licht. Das Stück ist kunstvoll gearbeitet. »Die zehnte und letzte Inkarnation Vishnus.«

Unmengen von heiligen Affen stürzen von den Bäumen und kommen auf weichen Knöcheln herbeigerannt, um den Lexus des Ministeriums zu begrüßen, als er vor dem alten Mughal-Jagdpalast vorfährt. Der Roboter tritt zwischen den Rhododendronbüschen hervor, um die Legitimation des Fahrers zu scannen. Das Personal hat den Garten verwildern und von Unkraut überwuchern lassen. Nur wenige Gärtner bestehen die Sicherheitsüberprüfung, und jene, die es schaffen, arbeiten nicht lange für ein Ministeriumsgehalt. Die Maschine hockt sich vor den Wagen und zeichnet mit dem Armgeschütz eine Linie über Mr. Nandha. Aus dem Kolben des linken Beins zischt es unregelmäßig, wodurch sie immer wieder zur Seite wegkippt, während sie die Ausweisdaten abfragt. Auch die Wartung lässt zu wünschen übrig. Mr. Nandha schürzt die Lippen, während die Affen den Wagen umschwärmen und mit ihren Fingerchen in den Ritzen herumstochern. Sie erinnern ihn an die Hände der verbrannten Leichen in Chauhans sauberer Leichenhalle, die schwarzen, verdorrten Fäuste. Ein Langur, der wie eine Kühlerfigur auf der Motorhaube hockt, masturbiert heftig zu den Klängen der Matthäus-Passion, die Mr. Nandha umweht.