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»Wie sind sie gestorben?«, fragt der Datenraja.

»Im Feuer, im fünfzehnten Stock von ...«

»Halt. Badrinath? Radha?«

»Niemand hat überlebt.«

»Wie?«

»Wir haben Theorien.«

Anreddy sitzt mit gesenktem Kopf auf dem transparenten Plastikfußboden. Mr. Nandha schüttelt die Medaillons heraus und hält sie an den Ketten hoch.

»Sie haben sie also gekannt.«

»Von ihnen gewusst.«

»Namen?«

»Irgendwas Französisches, obwohl sie Inderin war. Früher arbeiteten sie an der Universität, aber dann gingen sie hinaus in die freie Welt. Sie hatten mit einem Großprojekt zu tun, mit einer Menge Geld im Hintergrund.«

»Haben Sie jemals von einer Investmentgesellschaft namens Odeco gehört?«

»Jeder hat schon von Odeco gehört. Das heißt, alle, die in der Wildnis unterwegs sind.«

»Haben Sie jemals Geld von Odeco bekommen?«

»Ich bin ein Datenraja, ein großer, wilder, böser Mann. Staatsfeind Nummer eins. Jedenfalls war ich in einer anderen Sparte aktiv. Ich hatte mich auf Nano-Robotik spezialisiert. Sie auf hochentwickelte Kaihs, Proteinprozessoren, Computer-Gehirn-Interfaces.«

Mr. Nandha drückt die Amulette gegen die Plastikwand. »Kennen Sie die Bedeutung dieses Symbols?«

»Das reiterlose weiße Pferd, der zehnte Avatar.«

»Kalki. Der letzte Avatar, der das Ende des Zeitalters Kalis einläuten wird. Ein Name aus einer Legende.«

»Varanasi ist eine Stadt der Legenden.«

»Hier ist eine Legende unserer Zeit. Könnte Badrinath von Odeco finanziert worden sein, um eine Kaih der Generation Drei zu entwickeln?«

J. P. Anreddy lehnt sich zurück und wirft den Kopf in den Nacken. Der Siddha der huschenden Roboter. Er schließt die Augen. Mr. Nandha legt die Amulette auf den Fußbodenkacheln aus, in Anreddys Blickfeld. Dann geht er zum Fenster und zieht langsam den Vorhang hoch. Der sonnengebleichte Stoff faltet sich zu einer breiten Konzertina zusammen.

»Ich werde Ihnen jetzt unsere Theorie erklären, wie sie in Badrinath starben. Wir glauben, dass es ein gezielter Angriff durch eine Flugdrohne mit Laserbewaffnung war«, sagt Mr. Nandha. Er zieht den nächsten Vorhang hoch und lässt die blendende Sonne herein, den heimtückischen Himmel.

»Sie Mistkerl!«, ruft J. P. Anreddy und springt auf.

Mr. Nandha geht zum dritten Fenster hinüber. »Wir finden diese Theorie sehr überzeugend. Ein einziger Hochenergieschuss.« Er durchquert den Raum und begibt sich zu den gegenüberliegenden Fensterkreuzen. »Durch das Wohnzimmerfenster. Ein Präzisionsangriff. Die Kaih muss innerhalb weniger Millisekunden das Ziel erfasst, identifiziert und unter Beschuss genommen haben. Seit dem Überfall auf den Zug herrscht so viel Luftverkehr, dass niemand es bemerken wird, wenn eine einzelne Drohne von ihrem Patrouillenkurs abweicht.«

Andreddy hat die Hände gegen die Plastikwand gespreizt, und mit weit aufgerissenen Augen sucht er den weißen Himmel nach verräterischen Flecken ab.

»Was wissen Sie über Kalki?«

Mr. Nandha faltet den nächsten Vorhang zusammen. Jetzt ist nur noch einer übrig. Säulen aus Licht stehen schräg auf dem Boden. Anreddys Miene zeigt Schmerz, ein Cybervampir, der von der Sonne verbrannt wird.

»Sie werden Sie töten, Mann.«

»Das werden wir sehen. Ist Kalki eine Kaih der dritten Generation?«

Er nimmt die weiche Baumwollkordel des letzten Vorhangs in die Hand und zieht daran. Ein Lichtkeil breitet sich auf den Kacheln aus. J. P. Anreddy hat sich in die Mitte seines Plastikkäfigs zurückgezogen, aber er kann sich nicht vor dem Himmel verstecken.

»Nun?«

»Kalki ist eine Kaih der Generation Drei. Sie existiert. Sie ist real. Schon länger, als Sie glauben. Sie ist da draußen. Wissen Sie überhaupt, was Generation Drei bedeutet? Eine Intelligenz, die nach den üblichen Vergleichsmaßstäben den menschlichen Durchschnitt um das Zwanzig- bis Dreißigtausendfache übertrifft. Und das ist nur der Anfang. Hier geht es um emergente Eigenschaften, Mann. Die Evolution läuft eine Million Mal schneller ab. Und wenn sie hinter Ihnen her sind, können Sie nicht weglaufen oder sich verstecken. Sie können sich nicht ducken und hoffen, dass sie Sie vergessen werden. Was auch immer Sie tun, diese Kaihs können Sie sehen. Ganz gleich, welche Identität Sie annehmen, sie wissen es schon, bevor Sie es tun. Ganz gleich, wohin Sie gehen, sie werden schon vor Ihnen dort sein und auf Sie warten, weil sie es bereits erraten haben, bevor Sie selbst das erste Mal daran gedacht haben. Es geht hier um Gen-Dreier, Mann. Es sind Götter! Sie können keine Götter lizensieren.«

Mr. Nandha wartet die Tirade ab, bevor er die billigen, in der Hitze angelaufenen Kalki-Amulette einsammelt und in die Beutel zurücklegt.

»Vielen Dank. Jetzt kenne ich den Namen meines Feindes. Guten Tag.«

Er dreht sich um und läuft durch die staubigen weißen Lichtstrahlen zurück. Das Klacken seiner Absätze hallt vom edlen islamischen Marmor zurück. Hinter seinem Rücken hört er dumpfe Schläge von Fäusten gegen flexible Plastikwände und Anreddys ferne und gedämpfte Stimme.

»He, die Vorhänge, Mann! Lassen Sie mich nicht so zurück! Lassen Sie die Vorhänge nicht offen! Mann! Die Vorhänge. Sie können mich sehen! Verdammt, sie können mich sehen! Die Vorhänge!«

20

Vishram

Sein Schreibtisch ist groß genug, um darauf mit einem Kampfjet landen zu können. Er hat ein Büro aus Holz und Glas im obersten Stock. Er hat einen eigenen Cheflift und eine eigene Cheftoilette. Er hat fünfzehn Anzüge, die aus dem gleichen Stoff und nach dem gleichen Muster geschneidert sind wie der, den er getragen hat, als er sein Imperium erbte, und dazu passende handgefertigte Schuhe. Und als persönliche Assistentin hat er Indira, die die irritierende Fähigkeit besitzt, physisch vor ihm zu stehen und sich gleichzeitig auf seinem Desktop-Organizer und als Geist in seinem visuellen Kortex zu manifestieren. Er hat von diesen professionellen Sekretär-Systemen gehört, die zum Teil Mensch, zum Teil Kaih sind. So etwas gehört zum modernen Büromanagement.

Außerdem hat Vishram Ray einen brutalen Strega-Kater und ovale Sonnenbrandflecken um die Augen, wo er zu tief und zu lange in ein anderes Universum geblickt hat.

»Wer sind diese Leute?«, fragt Vishram Ray.

»Die Siggurdson-Arthurs-Clementi Group«, sagt Indira-auf-dem-Teppich, während Indira-auf-dem-Schreibtisch die Lotushände öffnet, um ihm einen Terminplan zu zeigen, und Indira-im-Kopf sich zu Porträtfotos von gut genährten weißen Männern mit teuren Anzügen und noch teureren Zähnen auflöst. Für ihre Ähnlichkeit mit Audrey Hepburn hat Indira-auf-dem-Teppich eine erstaunlich tiefe Stimme. »Ms. Fusco wird Ihnen im Wagen weitere Informationen geben. Und Energieminister Patel hat um einen Termin gebeten, genauso wie die energiepolitische Sprecherin der Shivaji. Beide wollen wissen, welche Pläne Sie mit dem Unternehmen verfolgen wollen.«

»Ich weiß selber nicht, welche Pläne ich habe, aber der ehrenhafte Minister wird sie als Erster erfahren.« Vishram hält an der Tür inne. Alle drei Indiras warten erwartungsvoll. »Indira, wäre es möglich, mit diesem ganzen Büro aus dem Ray Tower auszuziehen und es in die Forschungsabteilung zu verlegen?«

»Gewiss, Mr. Ray. Sind Sie mit diesen Räumlichkeiten unzufrieden?«

»Nein, es ist ein sehr hübsches Büro. Sehr ... geschäftsmäßig. Nur dass ich mich hier ... der Familie recht nahe fühle. Meinen Brüdern. Und wenn wir schon dabei sind, würde ich auch gern aus dem Haus ausziehen. Ich finde es ein bisschen ... erdrückend. Könnten Sie mir ein nettes Hotel suchen? Mit gutem Zimmerservice?«