»Gewiss, Mr. Ray.«
Als er geht, sind die Indiras bereits damit beschäftigt, Angebote von Umzugsfirmen und Hotels mit Penthouse-Suiten einzuholen. Im Ray-Power-Mercedes genießt Vishram Marianna Fuscos Chanel 27. Gleichzeitig spürt er, dass sie sauer auf ihn ist.
»Sie ist Physikerin.«
»Wer ist Physikerin?«
»Die Frau, mit der ich gestern zu Abend gegessen habe. Eine Physikerin. Ich sage es dir, weil du mir etwas ... schnippisch vorkommst.«
»Schnippisch?«
»Kurz angebunden. Verärgert. Du weiß schon. Schnippisch eben.«
»Ach so. Ich verstehe. Und das liegt an deinem Abendessen mit einer Physikerin?«
»Einer verheirateten Physikerin. Einer verheirateten Hindu-Physikerin.«
»Ich frage mich, warum du das Bedürfnis hast, mir zu sagen, dass sie eine verheiratete Frau ist.«
»Eine verheiratete Hindu-Physikerin. Namens Sonia. Deren Gehaltsscheck ich unterschreibe.«
»Als würde das eine Rolle spielen.«
»Natürlich. Wir haben ein professionelles Verhältnis. Ich habe sie zum Abendessen eingeladen, und dann sind wir zu ihr gegangen, wo sie mir ihr Universum gezeigt hat. Es ist sehr klein, aber von perfekter Gestalt.«
»Ich habe mich schon gefragt, wie du mir die Panda-Augen erklären wirst. Handelt es sich um ein Universum der Sonnenliegen?«
»Genau gesagt geht es um Nullpunktenergie. Und du hast sehr elegante Fußknöchel.«
Er glaubt, den Ansatz eines Lächelns zu bemerken.
»Gut. Wie gehe ich mit diesen Leuten um?«
»Gar nicht«, sagt Marianna Fusco. »Du schüttelst ihnen die Hände, du lächelst höflich und hörst dir an, was sie dir zu sagen haben. Ansonsten tust du gar nichts. Anschließend erstattest du mir Bericht.«
»Du wirst mich nicht begleiten?«
»Bei dieser Sache bist du auf dich allein gestellt, Funny Man. Aber sei darauf gefasst, dass Govind Ramesh heute Nachmittag ein Angebot unterbreitet.«
Als er am Flughafen angekommen ist, löst sich die Haut in Schuppen von Vishrams Augenpartie. Der Wagen fährt an den Entladezonen und den weißen Zonen, den Beladezonen und Abschleppzonen zur Bizjet-Zone durch die zweifach verbarrikadierte Sicherheitskontrolle auf das Rollfeld bis zu einem privaten Firmen-Senkrechtstarter, der wie eine Gottesanbeterin auf den Triebwerken und dem Heckleitwerk kauert. Eine assamesische Hostess in tadellosem traditionellem Kostüm öffnet die Türen, namastiert wie eine knospende Blüte und führt Vishram zu seinem Sitzplatz. Er hebt eine Hand, um Marianna Fusco zu grüßen, und der Mercedes fährt zurück. Heute fliegt er solo.
Die Hand der Hostess verweilt kurz, als sie Vishrams Sitzgurt überprüft, aber er bemerkt es nicht, weil in diesem Moment sein Magen und seine Eier nach unten sacken — der Senkrechtstarter springt in die Höhe, senkt die Nase und erhebt sich über die messingfarbenen Dächer von Varanasi. Ein unvermeidlicher Teil von Vishram Ray bemerkt die unmittelbare Nähe einer attraktiven Frau, aber er hält das Gesicht an die Fensterscheibe gedrückt, während das Flugzeug über den Flusstempeln und Ghats und Palästen und Havelis abdreht und auf einen Kurs geht, der Ganga Devi folgt. Der Shikhara des Vishwanath-Tempels glänzt golden. Schließlich wird seine Aufmerksamkeit zur Hand auf seinem Bein gelenkt. Die Triebwerke schwenken in den Horizontalflug ein, und der Pilot bringt die Maschine auf Reiseflughöhe.
»Ich kann Ihnen eine Salbe für Ihre Stirn bringen, Sahb«, sagt das vollkommene, runde Gesicht, das wie ein Vollmond vor ihm schwebt.
»Ich werde es überleben, danke«, sagt Vishram Ray. Der erste Champagner wird gebracht. Vishram vermutet, dass es der erste ist. Er wird sich mit diesem ersten Zeit lassen, auch wenn von ihm erwartet wird, dass er die Gastfreundschaft missbraucht. Der Champagner ist kalt und sehr, sehr gut, und wenn Vishram Ray im Flug trinkt, fühlt er sich jedes Mal wie ein Gott. Die Bastis breiten sich unter ihm aus, vielfarbige Plastikdächer, die sich so dicht aneinanderdrängen, dass sie wie eine straff über den Boden gespannte Decke aussehen, auf der ein Festmahl serviert werden soll. Der Senkrechtstarter folgt der Linie des Flusses bis zum Rand des Luftraums von Patna, um dann nach Süden abzudrehen. Vishram sollte seine Unterlagen studieren, aber Bharat berauscht ihn zu sehr. Das gigantische Ballungszentrum der Slums löst sich in ein Gewebe aus Feldern und Dörfern auf, die von ermüdetem Gelb zu ausgetrocknetem Weiß verblassen, je weiter das Land vom Fluss entfernt ist. Vor zweitausend Jahren hätte es etwas anders ausgesehen, wäre Vishram Ray tatsächlich ein Gott gewesen, der durch das heilige Bharat zieht, um gegen die Rakshasas des schwarzen Südens Krieg zu führen. Dann fällt sein Blick auf eine Stromleitung und eine Gruppe von Windturbinen, die sich träge in der schweren, trockenen Luft drehen. Turbinen von Ray Power. Turbinen seines Bruders. Er blickt zum gelben Dunst des Horizonts. Bildet er sich einen schattigen Streifen im braunen Smog hoch oben in der Atmosphäre ein, die Schlachtreihe vorrückender Wolken? Kommt endlich doch der Monsun? Das verbrannte Gestein der Ebene verfärbt sich zu Beige und dann zu Gelb, bis das erste Grün von Bäumen erscheint und das Land ansteigt. Das Flugzeug steigt ebenfalls am Rand des Hochlands auf, und nun befindet sich Vishram über dichtem Wald. Im Westen steht eine Rauchfahne, die vom Wind nordwärts abgetrieben wird. Das Grün ist eine Lüge, denn dieser Hochwald ist nach drei Jahren Dürre ausgetrocknet und feuerhungrig. Vishram trinkt den Champagner aus — der nun warm und schal geworden ist —, als die Anschnallzeichen aufleuchten.
»Soll ich Ihnen das abnehmen?«, fragt die Hostess, die ihm wieder viel zu nahe ist. Vishram bildet sich ein irritiertes Zucken im perfekten, geschminkten Gesicht ein. Ich habe deinen Verführungskünsten widerstanden. Der Senkrechtstarter schwenkt in eine Landespirale ein. Eine Veränderung in der Tonhöhe verrät ihm, dass die Turbinen in die Landestellung gedreht werden, aber als Vishram nach unten blickt, kann er nichts erkennen, das wie ein Flughafen aussieht. Die Maschine treibt über dem Blätterdach des Waldes, so tief, dass die Triebwerke einen Sturm entfachen und die Blätter aufwirbeln. Dann erreicht der Triebwerkslärm einen Höhepunkt, und Vishram stürzt in den Wald. Vögel zerstieben in einer lautlosen Explosion in alle Richtungen, und dann hat er mit einem sanften Aufprall den Boden erreicht. Das Heulen verebbt zu einem Wimmern. Das Assam-Mädchen macht sich an der Tür zu schaffen. Hitze schwappt herein. Sie winkt ihm. »Mr. Ray.« Am Fuß der Treppe steht ein alter Rajput mit großem weißem Schnurrbart und einem so fest gewickelten Turban, dass Vishram aus Sympathie eine Migräne bekommt. Hinter ihm stehen ein Dutzend Männer in Khaki aufgereiht, mit seitlich hochgebogenen Schlapphüten und geschulterten schweren Sturmgewehren.
»Mr. Ray, herzlich willkommen im Tigerschutzgebiet Palamau«, sagt der Rajput mit einer Verbeugung.
Das Assam-Mädchen bleibt im Senkrechtstarter. Während sich der Rajput mit seinem Besucher vom Flugzeug entfernt, verteilen sich die Schlapphüte mit den Gewehren im Kreis. Die Maschine ist auf einer runden Fläche aus nackter Erde innerhalb eines dichten Hains aus Bambus und Gebüsch niedergegangen. Ein Sandweg führt durch die Bäume. Der Weg wird von stabil gebauten Schutzhütten gesäumt — in übertrieben hoher Anzahl, wie Vishram findet. Keine ist weiter als einen panischen Sprint von der nächsten entfernt.
»Wofür sind die?«, fragt Vishram.
»Für den Fall eines Tigerangriffs«, antwortet der Rajput.
»Ich glaube eher, alles, was uns fressen könnte, ist inzwischen kilometerweit entfernt, nach dem Lärm, den wir bei der Landung gemacht haben.«
»Ganz und gar nicht, Sir. Sie haben gelernt, das Geräusch von Flugzeugtriebwerken zu assoziieren.«
Womit? Vishram verspürt den Drang, danach zu fragen, aber irgendwie kann er sich nicht dazu durchringen. Er ist ein Stadtjunge. Aus der Stadt! Hört ihr das, ihr Menschenfresser? Vollgepumpt mit üblen Zusatzstoffen.